II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 77

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Mönche deutet diese Traumszene sinnig an. Vorgang und
Sprache halten das Traumwesen mit poetischem Zauber fest,
man kann den Traum für wahr halten, wenn sich der schwarze
Vorhang zum letztenmal über das grausige Traumbild schließt.
Es liegt viel dichterische Gestaltungsgabe in dem Aufbau des
Ganzen, sie könnte einem fruchtbareren Stoffe weit größere
Dienste leisten. An der Darstellung hat die Kritik von Wien
viel auszusetzen. Das kommt wohl daher, daß die heutige
Kritik zumeist aus nichtaufgeführten oder durchgefallenen
Dichtern, — man verzeihe das hurte Wort, — besteht. Was soll
solchen gefallen. Ich finde, laß eine vollendetere Darstellung
der sinnlichen Lebensfreude kaum geschaffen werden kann.
Irene Triesch mag den Schönheitsformen des griechischen
Altertums nicht entsprechen — wenn sie die wilde Lust der
Sinne zu vertörpern hat, ist sie der Schönsten Eine. Den
überquellenden Strom von Liebe und Laster jauchzt sie hinaus
in vollendeter Wirklichkeit, nicht im Spiel. Die Elga Grill¬
parzers ist sie nicht, aber die Hauptwanns. Rittner gibt
dem Starschenski mehr phäderastischen Reflex, als innere Glut
und Leidenschaft. Aber in den Szenen großer Ekstase ist er er¬
schreckend. Reichers Verwalter ist wie aus altem Rahmen
ist am Freitag in diesem Theater
geschnitten. Ein Kritiker nennt ihn grotesk. Möchte mich der
die an die Stelle der Routine den
erfolgarme Mann nicht belehren, wie diese Unke gegeben wer¬
für die Tiefen des Menschlichen
den soll, wenn nicht als Unke? Es scheint wirklich, als ob Bahr
ind mit Kleidern tändeln, sondern
recht hätte: man sollte nicht in derselben Nacht schreiben
en, wo sie über das unerquicklich
oder man sollte nicht alle in der Nacht schreiben lassen. —
leiten sucht. Ein interessanter
Schuitlers „Puppenspieler“, eine jener kleinen
iner, von der Beraty zu Irene! Rovellen, in welcher handelnde Personen reden, was der Dich¬
Wie
ter in Handlung nicht auszudrücken vermag, hört man gern
ksösterreichischen Dichters setzten
an, weil das Problemso hübsch ist. Ein Philosoph, der mit
eines österreichischen Dichters
Menschen zu spielen glaubte, kommt darauf, daß man nur zum
lg. Man kennt ja wohl die No¬
Spiel des Lebens da ist Um nicht klein beizugeben, hüllt er
er bei Sendomir. In dieses alte sich in seine armselige Toga ... Das wird zierlich geschnitz¬
Mitter, ein stiller Mönch fällt ihm lert, mit sehr seinen Worten gesagt. Aber es sind doch nur
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Worte, während das Leben so wortarm ist, wenn es Tragödien chaften, die in diesem dürftigen Frauenkörper rasen. Und so
liefert. Bassermann spielt den Philosophen wortarm, als hat ihre dämonische Beichte etwas von dem Stammeln des
durchlebte er ihn. Das ist wohl wortarme Anerkennung .... lreinen Kindes. Es zwingt zum Mitleld, man begreift zum
Was die anderen in Herrn Brahms Ensemble heißen, wirdserstenmal, daß Rosmer mit in das kalte Grab steigt.
man erst sehen. Aber eines sah man doch schon wieder: es ist
Das Publikum folgte denn auch der grandiosen Leistung
eine eigene Schule, die solche Zeugnisse schafft.
der Künstlerin mit atemloser Spannung. Wie ein erlösender
Sie zeigte sich mit all ihren guten Eigenschaften in Ibsens Sturm der Bewunderung löste sich der Beifall nach dem dritten
„Rosmersholm“. Wie eine klare Abhandlung der Psy= Aufzuge aus. Ich denke, diese Rosmersholm=Aufführung wird
chologie des großen Grüblers klang diese ganze Aufführung. das bleibende Andenken an den diesjährigen Aufenthalt der
Scharf und hell das Wort, geheimnisvoll, majestätisch düster, Deutschen sein. Soche Erfolge lassen sich schwerlich überbieten.
wie ein nordischer Fjord, die Stimmung. Das ist das Und es zeugt für eine ernste, gute Schule, daß gerade einer der
große Geheimnis der Brahmsschen Regie, daß keiner der Dar= Schwerbegreiflichsten diesen Erfolg besiegelte. Diese Schule
steller mit seine Stimmung die des Dichters durchbrechen darf.] will ja vor allem klar und wahrsein ...
Lauter große Musiker, die eine Sinsonie mit aller Hingabe
K
für den Dirigenten spielen, ohne den Dichter darüber zu ver¬
gessen. So sitzt man im Banne der Dichtung, schlürft die
Stimmung mit durstigen Zügen und erquickt sich an der quell¬
klaren Sicherheit, mit der die Künstler den Dichter selbst ver¬
stehen und verständlichmachen. Es ist einem, als ob immer
neue Siegel erbrochen würden.
Dabei sind die zelnen keine Durchschnittsmenschen.
Reicher verwandelt seine klügelnde, immer von Intelligenz
durchtränkte Sicherheit in naive Wahrheit. Er versagt nur
in der edlen Auflösung der letzten Szene, sonst ist er vor¬
trefflich. Marr ist der würdige Eiferer; vielleicht nur ein
wenig zu grobkörnig. Forest ist unheimlich einfach als Mor¬
tensgard, er zwingt sich förmlich jede temperamentvolle An¬
wandlung hinunter, messerscharf ist seine Logik. Basser¬
manns Brendel ist ein Kabinettstück eines sterbenden Edel¬
menschen, der mit der Sicherheit seiner Lebensphilosophie das
ganze Menschenelend hinwegspottet. Ueber allen aber schwebt
in unheimlicher Vollkommenheit die Rebecca der Triesch.]
„Die Trud ist in Wien“, schrieb ich vor acht Jahren an dieser
Stelle, da die junge Künstlerin im Raimundtheater ihre ersten
Lorbeeren holen wollte. Ich stand damals mit meinem Urteile!
ziemlich allein. Nun zwingt sie alle. Diese Rebecca ist von
Anbeginn das düstere Unheil in Rosmersholm. Man sieht
ihre Seele arbeiten, fühlt, daß diese Frau das Böse nicht um
dessentwillen tut, sondern in der Folge der gewaltigen Leiden¬
tue, Aic, sae