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17. 1. Der Puppenspieler
auf, er forscht nach dessen Geschichte und hört den Roman eines
Grafen, der sein Weib über alles geliebt, von diesem betrogen
und zum Mörder an Galan und Weib wurde. Hauptmann
hat daraus ein schauerlich schönes Nachtstück gemacht, der Traum
des Ritters führt das Schicksal des Mönches vor, der Sang der
Mönche deutet diese Traumszene sinnig an. Vorgang und
Sprache halten das Traumwesen mit poetischem Zauber fest,
man kann den Traum für wahr halten, wenn sich der schwarze
Vorhang zum letztenmal über das grausige Traumbild schließt.
Es liegt viel dichterische Gestaltungsgabe in dem Aufbau des
Ganzen, sie könnte einem fruchtbareren Stoffe weit größere
Dienste leisten. An der Darstellung hat die Kritik von Wien
viel auszusetzen. Das kommt wohl daher, daß die heutige
Kritik zumeist aus nichtaufgeführten oder durchgefallenen
Dichtern, — man verzeihe das harte Wort, — besteht. Was soll
solchen gefallen. Ich finde, daß eine vollendetere Darstellung
der sinnlichen Lebensfreude kaum geschaffen werden kann.
Irene Triesch mag den Schönheitsformen des griechischen
Altertums nicht entsprechen — wenn sie die wilde Lust der
Sinne zu verkörpern hat, ist sie der Schönsten Eine. Den
überquellenden Strom von Liebe und Laster jauchzt sie hinaus
in vollendeter Wirklichkeit, nicht im Spiel. Die Elga Grill¬
parzers ist sie nicht, aber die Hauptwanns. Rittner gibt
dem Starschenski mehr phäderastischen Reflex, als innere Glut
und Leidenschaft. Aber in den Szenen großer Ekstase ist er er¬
*o gern sehen.
schreckend. Reichers Verwalter ist wie aus altem Rahmen
Eine ganz andere Kunst ist am Freitag in diesem Theater
geschnitten. Ein Kritiker nennt ihn grotesk. Möchte mich der
eingezogen. Die Deutschen, die an die Stelle der Routine den
erfolgarme Mann nicht belehren, wie diese Unke gegeben wer¬
kernsten künstlerischen Sinn für die Tiefen des Menschlichen
den soll, wenn nicht als Unke? Es scheint wirklich, als ob Bahr
suchen, die nicht mit Worten und mit Kleidern tändeln, sondern
recht hätte: man sollte nicht in derselben Nacht schreiben
die Seele dort zu packen suchen, wo sie über das unerquicklich
oder man sollte nicht alle in der Nacht schreiben lassen. —
menschliche Elend hinwegzugleiten sucht. Ein interessanter
Schuitlers „Puppenspieler“, eine jener kleinen
Kontrast von Bargy zu Rittner, von der Beraty zu Irene Ropellen, in welcher handelnde Personen reden, was der Dich¬
Triesch. Von Watteau zu Uhde.
ter in Handlung nicht auszudrücken vermag, hört man gern
Mit der Schöpfung eines österreichischen Dichters setzten
an, weil das Problem so hübsch ist. Ein Philosoph, der mit
die Deutschen ein, der Stoif eines österreichischen Dichters
Menschen zu spielen glaubte, kommt darauf, daß man nur zum
brachte ihnen den ersten Erie
Man kennt ja wohl die No¬
Spiel des Lebens da ist. Um nicht klein beizugeben, hüllt er
velle Grillparzers: Das### bei Sendomir. In dieses alte sich in seine armselige Toga.
.. Das wird zierlich geschnitz¬
Kloster kommt ein fahrender Ritter, ein stiller Mönch fällt ihm lert, mit sehr seinen Worten gesagt. Aber es sind doch nur
—
Worte, während das Leben so wortarm ist, wenn es Tragödienchaften, die in diesem dürftige
liefert. Bassermann spielt den Philosophen wortarm, als hat ihre dämonische Beichte e
durchlebte er ihn. Das ist wohl wortarme Anerkennung .... reinen Kindes. Es zwingt zu
Was die anderen in Herrn Brahms Ensemble heißen, wird erstenmal, daß Rosmer mit in
man erst sehen. Aber eines sah man doch schon wieder: es ist
Das Publikum folgte den
eine eigene Schule, die solche Zeugnisse schafft.
der Künstlerin mit atemloser
Sie zeigte sich mit all ihren guten Eigenschaften in Ibsens Sturm der Bewunderung löste
„Rosmersholm“. Wie eine klare Abhandlung der Psy= Aufzug aus. Ich denke, diese
chologie des großen Grüblers klang diese ganze Aufführung. das bleibende Andenken an d
Scharf und hell das Wort, geheimnisvoll, majestätisch düster, Deutschin sein. Soche Erfolge
wie ein nordischer Fjord, die Stimmung. Das ist das Und es zeugt für eine ernste, g#
große Geheimnis der Brahmsschen Regie, daß keiner der Dar= Schwerbegreiflichsten diesen
steller mit seiner Stimmung die des Dichters durchbrechen darf.
will ja vor allem klar und w#
Lauter große Musiker, die eine Sinfonie mit aller Hingabe
für den Dirigenten spielen, ohne den Dichter darüber zu ver¬
gessen. So sitzt man im Ban#e der Dichtug, schlürft die
Stimmung mit durstigen Zügen und erquickt?y an der quell¬
klaren Sicherheit, mit der die Künstler den Dchter selbst ver¬
stehen und verständlichmachen. Es ist einem, als ob immer
neue Siegel erbrochen würden.
Dabei sind die Einzelnen keine Durchschnittsmenschen.
Reicher verwandelt seine klügelnde, immer von Intelligent
durchtränkte Sicherheit in naive Wahrheit. Er versagt nur
in der edlen Auflösung der letzten Szene, sonst ist er vor¬
trefflich. Marr ist der würdige Eiferer; vielleicht nur ein
wenig zu grobkörnig. Forest ist unheimlich einfach als Mor¬
tensgard, er zwingt sich förmlich jede temperamentvolle An¬
wandlung hinunter, messerscharf ist seine Logik. Basser¬
manns Brendel ist ein Kabinettstück eines sterbenden Edel¬
menschen, der mit der Sicherheit seiner Lebensphilosophic das
ganze Menschenelend hinwegspottet. Ueber allen aber schwebt
in unheimlicher Vollkommenheit die Rebecca der Triesch.
„Die Trud ist in Wien“, schrieb ich vor acht Jahren an dieser
Stelle, da die junge Künstlerin im Raimundtheater ihre ersten!:
Lorbeeren holen wollte. Ich stand damals mit meinem Urteile
ziemlich allein. Nun zwingt sie alle. Diese Rebecca ist von
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17. 1. Der Puppenspieler
auf, er forscht nach dessen Geschichte und hört den Roman eines
Grafen, der sein Weib über alles geliebt, von diesem betrogen
und zum Mörder an Galan und Weib wurde. Hauptmann
hat daraus ein schauerlich schönes Nachtstück gemacht, der Traum
des Ritters führt das Schicksal des Mönches vor, der Sang der
Mönche deutet diese Traumszene sinnig an. Vorgang und
Sprache halten das Traumwesen mit poetischem Zauber fest,
man kann den Traum für wahr halten, wenn sich der schwarze
Vorhang zum letztenmal über das grausige Traumbild schließt.
Es liegt viel dichterische Gestaltungsgabe in dem Aufbau des
Ganzen, sie könnte einem fruchtbareren Stoffe weit größere
Dienste leisten. An der Darstellung hat die Kritik von Wien
viel auszusetzen. Das kommt wohl daher, daß die heutige
Kritik zumeist aus nichtaufgeführten oder durchgefallenen
Dichtern, — man verzeihe das harte Wort, — besteht. Was soll
solchen gefallen. Ich finde, daß eine vollendetere Darstellung
der sinnlichen Lebensfreude kaum geschaffen werden kann.
Irene Triesch mag den Schönheitsformen des griechischen
Altertums nicht entsprechen — wenn sie die wilde Lust der
Sinne zu verkörpern hat, ist sie der Schönsten Eine. Den
überquellenden Strom von Liebe und Laster jauchzt sie hinaus
in vollendeter Wirklichkeit, nicht im Spiel. Die Elga Grill¬
parzers ist sie nicht, aber die Hauptwanns. Rittner gibt
dem Starschenski mehr phäderastischen Reflex, als innere Glut
und Leidenschaft. Aber in den Szenen großer Ekstase ist er er¬
*o gern sehen.
schreckend. Reichers Verwalter ist wie aus altem Rahmen
Eine ganz andere Kunst ist am Freitag in diesem Theater
geschnitten. Ein Kritiker nennt ihn grotesk. Möchte mich der
eingezogen. Die Deutschen, die an die Stelle der Routine den
erfolgarme Mann nicht belehren, wie diese Unke gegeben wer¬
kernsten künstlerischen Sinn für die Tiefen des Menschlichen
den soll, wenn nicht als Unke? Es scheint wirklich, als ob Bahr
suchen, die nicht mit Worten und mit Kleidern tändeln, sondern
recht hätte: man sollte nicht in derselben Nacht schreiben
die Seele dort zu packen suchen, wo sie über das unerquicklich
oder man sollte nicht alle in der Nacht schreiben lassen. —
menschliche Elend hinwegzugleiten sucht. Ein interessanter
Schuitlers „Puppenspieler“, eine jener kleinen
Kontrast von Bargy zu Rittner, von der Beraty zu Irene Ropellen, in welcher handelnde Personen reden, was der Dich¬
Triesch. Von Watteau zu Uhde.
ter in Handlung nicht auszudrücken vermag, hört man gern
Mit der Schöpfung eines österreichischen Dichters setzten
an, weil das Problem so hübsch ist. Ein Philosoph, der mit
die Deutschen ein, der Stoif eines österreichischen Dichters
Menschen zu spielen glaubte, kommt darauf, daß man nur zum
brachte ihnen den ersten Erie
Man kennt ja wohl die No¬
Spiel des Lebens da ist. Um nicht klein beizugeben, hüllt er
velle Grillparzers: Das### bei Sendomir. In dieses alte sich in seine armselige Toga.
.. Das wird zierlich geschnitz¬
Kloster kommt ein fahrender Ritter, ein stiller Mönch fällt ihm lert, mit sehr seinen Worten gesagt. Aber es sind doch nur
—
Worte, während das Leben so wortarm ist, wenn es Tragödienchaften, die in diesem dürftige
liefert. Bassermann spielt den Philosophen wortarm, als hat ihre dämonische Beichte e
durchlebte er ihn. Das ist wohl wortarme Anerkennung .... reinen Kindes. Es zwingt zu
Was die anderen in Herrn Brahms Ensemble heißen, wird erstenmal, daß Rosmer mit in
man erst sehen. Aber eines sah man doch schon wieder: es ist
Das Publikum folgte den
eine eigene Schule, die solche Zeugnisse schafft.
der Künstlerin mit atemloser
Sie zeigte sich mit all ihren guten Eigenschaften in Ibsens Sturm der Bewunderung löste
„Rosmersholm“. Wie eine klare Abhandlung der Psy= Aufzug aus. Ich denke, diese
chologie des großen Grüblers klang diese ganze Aufführung. das bleibende Andenken an d
Scharf und hell das Wort, geheimnisvoll, majestätisch düster, Deutschin sein. Soche Erfolge
wie ein nordischer Fjord, die Stimmung. Das ist das Und es zeugt für eine ernste, g#
große Geheimnis der Brahmsschen Regie, daß keiner der Dar= Schwerbegreiflichsten diesen
steller mit seiner Stimmung die des Dichters durchbrechen darf.
will ja vor allem klar und w#
Lauter große Musiker, die eine Sinfonie mit aller Hingabe
für den Dirigenten spielen, ohne den Dichter darüber zu ver¬
gessen. So sitzt man im Ban#e der Dichtug, schlürft die
Stimmung mit durstigen Zügen und erquickt?y an der quell¬
klaren Sicherheit, mit der die Künstler den Dchter selbst ver¬
stehen und verständlichmachen. Es ist einem, als ob immer
neue Siegel erbrochen würden.
Dabei sind die Einzelnen keine Durchschnittsmenschen.
Reicher verwandelt seine klügelnde, immer von Intelligent
durchtränkte Sicherheit in naive Wahrheit. Er versagt nur
in der edlen Auflösung der letzten Szene, sonst ist er vor¬
trefflich. Marr ist der würdige Eiferer; vielleicht nur ein
wenig zu grobkörnig. Forest ist unheimlich einfach als Mor¬
tensgard, er zwingt sich förmlich jede temperamentvolle An¬
wandlung hinunter, messerscharf ist seine Logik. Basser¬
manns Brendel ist ein Kabinettstück eines sterbenden Edel¬
menschen, der mit der Sicherheit seiner Lebensphilosophic das
ganze Menschenelend hinwegspottet. Ueber allen aber schwebt
in unheimlicher Vollkommenheit die Rebecca der Triesch.
„Die Trud ist in Wien“, schrieb ich vor acht Jahren an dieser
Stelle, da die junge Künstlerin im Raimundtheater ihre ersten!:
Lorbeeren holen wollte. Ich stand damals mit meinem Urteile
ziemlich allein. Nun zwingt sie alle. Diese Rebecca ist von