II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 92

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17.1 r Puppe epieler box 22/6
sprüngen des Vogelflugs, mit grün triefender Lava, deren Grat um einen
Halbmond bald selig=schauerlich verringert, bald um einen erhöht ist; über mir
der Tod, das Eis dieser Kanareninsel, unter der Sonne, der Sonne, die man
im Deutschen Reich nicht kennt... dort spricht eine Theatervorsiellung.
Nein: ein ganzer Ibsenstrauß. Es isi nicht mehr Bühnenkunst: Lebens¬
angelegenheit. Wie eine Warnung ... Packt ein, alle miteinander. Der
Winter hat gewußt, was es bedeutet; der Sommer hat bestätigt, was es
bleibt. Nichts Künstliches: sondern wie Seefahren, Mittag und Nachtschauer
ein Daseinsteil, durch keinen Flitter getrennt von der vergehenden Helle.
Seelenstimmen.
Vor diesem Borkman zogen andre Schicksalsglieder vorbei, bis zu den er¬
wachenden Toten und erwacht Sterbenden. Es ließe sich mit den Worten
des Theaterschmußes beifügen, wie die herrliche Schauspielerin E. Lehmann
hinriß; und vom Reicher, wann er schwach (auch wann unverstanden groß)
war: aber von dem Ganzen könnte man so nicht sprechen, wenn es nicht so
dargestellt würde. Wenn alles nicht eine gewisse Seelenluft umhüllte. Da,
meine Lieben, Parlett sechs Mark fünfzig kostet, sieht es fest, wo man seine
Kirchensteuern bezahlt. (In Bayreuth nicht.)
Cyolf. Die Marschmelodie der Verlorenen und Beharrenden. Ein sozu¬
sagen bürgerliches Ewigkeitswerk. Nicht so gespielt wie Borkman: doch man
hat, und nur in diesem Hause, das Gefühl von etwas über das Theater
Hinausgreifendem.
Ich entsinne mich noch einer Stunde bei Brahm. Akte von Schnitzler.
Darunter, „Der Puppenspieler“, — etwas, das mich in dieser Verleiblichung
erzittern machte. Arthur, — trotz dem Kunsivollen eingeflochtener Beziehungen
(so ... mystische Zusammenhänge) fühlt man: Das sind Stücke des wahren
Lebens! In dieser Menschenhaftigkeit der Darstellung vergißt man es nicht.
III.
(Om hellen Sommer denk' ich an die „malerische“ Bühne Reinhardts. Ein
Geschmackstheater. Mit Prospekten, lackiert und siumpf; mit Bäumelchen,
auf die Szene gestellt; mit Leuchtstrahlen, die für ein kleines Künsilerauge
berückend, für ein gewandertes Menschenauge zum Kugeln sind.
Reinhardts Talent in Ehren. Ich liebe Brahm, zu dessen Hauptschülern er
zählt, stärker. Brahm, der eigentliche Schöpfer einer europäischen Bühne,
macht, wenn finanziell alles mißlingt, dicke Zugeständnisse; doch in der Haupt¬
sache ließ er siets die Leute zu sich kommen. Er war kein Liebling. Ein
Reformator: nicht ein Erfüllerchen.
Am Morgen nach „Nju“, dargestellt bei Reinhardt, schrieb ich, wie diese
halblauten Szenen des Dichters Dymow, aus Rußland, mir etwas sind;
obschon sie fremde Spuren tragen; und wie die Aufführung dieses durch¬
gefallenen Stücks an ernsie Versuche des früheren Reinhardt erinnert; als er
1922