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17.1. Der Puppenspieler
S
Daß die Debatten interessant waren, bewies die große Anzahl
jen
ch¬
bürgerlicher Zuhörer und Zuhörerinnen. Freilich, die Neugierde
war auch geladen und mancher wollte nur einmal einen berühm¬
err
ten Genossen sehen. Das gab oft eine Enttäuschung. Bebel
vor allem sieht sehr zahm aus. Auch der Anzug hat durchaus
re¬
nichts aufrührerisches, wie es so manche naive Gemüter erwar¬
teten. Spricht dieser Mann aber, so ändert sich der Eindruck.
Man muß ihn hören, wenn er eine Sache, eine Einrichtung oder
gar eine Person angreift. Ein Temperament, das unbedingt
echt ist, bricht sich dann Bahn und die Worte drängen sich nur
Alles ist klar, ohne nüchtern zu sein, lebhafte Gesten unter¬
er
stützen das Wort. Man hörte nach ihm in der Massenstreik¬
eit
1 Debatte den Gewerkschaftsführer Legien. Welch ein Gegensatz!
#te
Dieser Mann ist vom Kopf bis zur Zehe praktisch, kühl, über¬
legend. Seine Logik ist (natürlich immer vom soziakistischen
Standpunkt aus gesehen) ausgezeichnet und alles was er sagt,
ist nur ein Mittel des Ausdruckes für längst gehegte Gedanken.
Hier ist nichts spontanes, aber auch nichts mitreißendes. Man
könnte noch von mehreren Rednern sprechen, namentlich von Frau
]Luxemburg. Bei ihr ist die Schärfe Person geworden mnd es ist
nach einmaligem Zuhören unmöglich, zu unterscheiden, was angeboren,
was anerworben sein mag. Die Ruhe der Zuhörer während der
Debatten war ausgezeichnet und von persönlichen Zänkekeien war
wenig zu bemerken. Der Nibelungensaal bot einen herrlichen
Rahmen, der lächelnde Beobachter außerhalb der Parteien konnte
konstatieren, wie außerordentlich anziehend ästhetischer Luxus auch
auf den wirkt, der prinzipiell zuerst das Nützliche betont. Die
kleine Komödie wegen des Saales, aufgeführt von der Partei
und dem hiesigen Stadtrat, hatte so ihren Schluß gefunden, alle
Darsteller zeigten sich als überraschend weltklug.
Vom Parteitag zum Kaimorchester! Schon sind die
Winterprogramme veröffentlicht. Sie verheißen viel des Schönen,
namentlich die populären Konzerte sind ausgebaut worden.
Bürgermeister Martin tut hier wirklich in aller Stille außer¬
##) Mannheimer Brief. ###00
ordentlich viel. Wirft man einen kurzen Rückblick auf die
(Die rote Woche. — Kaimkonzerte. — Vom Theater.)
Sommerkonzerte, so ergibt sich ein ausgezeichnetes Fazit. Natür¬
lich hat das Kaimorchester auch seine Schwäche. Die Blechbläser,
Die „Badische Landeszeitung“ hat über den sozialdemo¬
mit Ausnahme der Hörner, lassen mancherlei zu wünschen übrig,
kratischen Parteitag so ausführlich berichtet, daß kaum
die Holzbläser ebenso. Die Streicher dagegen sind absolut erst¬
etwas nachzutragen ist. Es ziemt sich auch nicht, hier unter dem
# Striche über das Ergebnis der ganzen Verhandlung zu streiten. 1 klassig und namentlich ihr pianissimo ist vollendet schön. So steht
17.1. Der Puppenspieler
S
Daß die Debatten interessant waren, bewies die große Anzahl
jen
ch¬
bürgerlicher Zuhörer und Zuhörerinnen. Freilich, die Neugierde
war auch geladen und mancher wollte nur einmal einen berühm¬
err
ten Genossen sehen. Das gab oft eine Enttäuschung. Bebel
vor allem sieht sehr zahm aus. Auch der Anzug hat durchaus
re¬
nichts aufrührerisches, wie es so manche naive Gemüter erwar¬
teten. Spricht dieser Mann aber, so ändert sich der Eindruck.
Man muß ihn hören, wenn er eine Sache, eine Einrichtung oder
gar eine Person angreift. Ein Temperament, das unbedingt
echt ist, bricht sich dann Bahn und die Worte drängen sich nur
Alles ist klar, ohne nüchtern zu sein, lebhafte Gesten unter¬
er
stützen das Wort. Man hörte nach ihm in der Massenstreik¬
eit
1 Debatte den Gewerkschaftsführer Legien. Welch ein Gegensatz!
#te
Dieser Mann ist vom Kopf bis zur Zehe praktisch, kühl, über¬
legend. Seine Logik ist (natürlich immer vom soziakistischen
Standpunkt aus gesehen) ausgezeichnet und alles was er sagt,
ist nur ein Mittel des Ausdruckes für längst gehegte Gedanken.
Hier ist nichts spontanes, aber auch nichts mitreißendes. Man
könnte noch von mehreren Rednern sprechen, namentlich von Frau
]Luxemburg. Bei ihr ist die Schärfe Person geworden mnd es ist
nach einmaligem Zuhören unmöglich, zu unterscheiden, was angeboren,
was anerworben sein mag. Die Ruhe der Zuhörer während der
Debatten war ausgezeichnet und von persönlichen Zänkekeien war
wenig zu bemerken. Der Nibelungensaal bot einen herrlichen
Rahmen, der lächelnde Beobachter außerhalb der Parteien konnte
konstatieren, wie außerordentlich anziehend ästhetischer Luxus auch
auf den wirkt, der prinzipiell zuerst das Nützliche betont. Die
kleine Komödie wegen des Saales, aufgeführt von der Partei
und dem hiesigen Stadtrat, hatte so ihren Schluß gefunden, alle
Darsteller zeigten sich als überraschend weltklug.
Vom Parteitag zum Kaimorchester! Schon sind die
Winterprogramme veröffentlicht. Sie verheißen viel des Schönen,
namentlich die populären Konzerte sind ausgebaut worden.
Bürgermeister Martin tut hier wirklich in aller Stille außer¬
##) Mannheimer Brief. ###00
ordentlich viel. Wirft man einen kurzen Rückblick auf die
(Die rote Woche. — Kaimkonzerte. — Vom Theater.)
Sommerkonzerte, so ergibt sich ein ausgezeichnetes Fazit. Natür¬
lich hat das Kaimorchester auch seine Schwäche. Die Blechbläser,
Die „Badische Landeszeitung“ hat über den sozialdemo¬
mit Ausnahme der Hörner, lassen mancherlei zu wünschen übrig,
kratischen Parteitag so ausführlich berichtet, daß kaum
die Holzbläser ebenso. Die Streicher dagegen sind absolut erst¬
etwas nachzutragen ist. Es ziemt sich auch nicht, hier unter dem
# Striche über das Ergebnis der ganzen Verhandlung zu streiten. 1 klassig und namentlich ihr pianissimo ist vollendet schön. So steht