II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 105

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17.1. Der Punpenspieler
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und Anna „seine Frau. Zusammen brachte sie Georg Merk¬
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lin. Eduard hat dem Freund öfters geklagt, daß er die
Seinlieton.
Liebe nicht finden könne und sich doch so sehr nach ihr sehne.
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Georg kann ihm das Wunderbare nicht schicken, er versucht
die Illusion zu erwecken. Anna wird als Werkzeug benützt,
0„Hof= und Nationaltheater.
da sie Georg liebt, läßt sie alles mit sich geschehen. Auch
[Untreu“ Komödie von Bracco. — „Der Puppen¬
sie spielt ihr Spiel, denn sie hofft, Georg durch Eifersucht
spieler“, Studie von Schnihler.
zu erobern. An dem entscheidenden Abend sitzt neben Georg
Irene. Die ist für den Dichter kein Spiel, ernst und ganz
Man gab Samstag Abend elne leicht gezimmerte Komö¬
gibt er sich ihr. Doch ach, auch hier ein Spiel. Irene verläßt
die und ein tiefsinniges Spiel. Unser Publikum war schon
fihn und mit ihr alles, was vielleicht noch lebenswert war.
beim ersten Stück oftmals überrascht, daß es noch Antoren
Immer einsamer wird dieser Einsame und so begegnet er
gibt, die auf der Bühne mit zartem Pinsel malen. Bei
Eduard und Anna. Bei ihnen ist aus dem Spiel die Ehe
Schnitzlers Einakter ging es nicht mehr mit, das dramatische
geworden, vergrößernd, weil die bittere Sehnsucht wegfällt,
Brod war ihm zu fein gebacken. Dabei enthält der Puppen¬
verflachend, weil Ersüllung entzaubert . Der Puppenspieler
spieler mancherlei, was jeder schon fühlte. Nur die Aus¬
sieht mit Erstaunen, daß nicht er die Marionetten gelenkt
drucksweise ist die eines Dichters und das ist auf der Bühne
hat. Würde er dem Anerbieten des Freundes folgen und
von heutzutage selten. Die Fabel von „Untreu“ ist bald
wieder ein Amt annehmen, so würden auch ihn tausend Fäden
erzählt. Gräfin Clara Sangiorgi (Fräulein Blankenfeld:
halten und dirigieren. Nein, dann lieber mit dem Brote in
sehr heiser, zu rasch sprechend, aber sehr hübsch und graziös)
der Tasche hinaus auf das Feld. Es wühlt die Erinnerung
liebt allein ihren Mann. Etwas seltenes bei einer italienischen
an Irene, es wühlt, daß er, der andere zu lenken glaubte,
Aristokratin der Bühne, noch seltener dadurch, daß diese
auch von ihr, bei der es ihm ernst war, betrogen wurde.
Liebe eine beständige ist. Grafen wissen das nicht zu schätzen,
Die Phantasie will nicht mehr recht gestalten, das innerlich
überlassen den Courmachern das Feld, immer als selbst¬
Erlebte drängt nicht mehr nach außen: Aber die Natur bleibt
#erständlich annehmend, der Platz bleibe am Ende für sie
ihm und die Illusion, Menschenschicksale zu gestalten.
freserviert. Um Gräfin Klara bemüht sich vor allem Gino
Die Sonne und der Schnee sind wahr, die Menschen,
Riccardi (Herr Kökert: unmöglich angezogen, heiter, mit¬
mit denen er spielt, sieht er vielleicht niemals wieder. Auf
reisend). Die Gräfin spielt mit ihm und ist ihrer Macht
einen einsamen Gipfel hat er sich gestellt und die holde
#o sicher, daß sie ihm sogar ein Stelldichein in der Jung¬
Selbstlüge gankelt ihm beinahe hervor, das sei freiwillig ge¬
gesellenwohnung gewährt.
schehen. Was bedeutet da noch der Ruhm, was der Reich¬
Die Szene ist keck, aber geistvoll geführt und niemals
tum? Grenzenlose Fülle vermag nur die Liebe zu geben
läupisch zuschlagend Klara kommt zu dem wohloorbereiteten
und auch diese Göttin wird er nie mehr schauen. So bleibt
Verehrer und sagt #enz einsach: Hier bin ich, erobern Sie
dem Dichter (wenn ihr wollt, ist Merklin Schnitzler selbst) nur
mich. Keine gre#e Töne, kein Widerstand, der zu brechen
übrig resigniert zu beobachten. Feinere Seelen empfinden
wäre. Aber ger##i dieses Ungewohnte verblüfft den Routi¬
mit ihm die Wonnen dieses Tuns, und doch, und doch
nierten, und statt zu erobern, wird er jächerlich. Der Graf
kommen Momente wo auch sie das einfache Leben, Eduard
(Herr Ludwig: wie immer) kommt auf einen Wink der
und Anna, beneiden. Das alles ist so einfach, so selbst¬
Fühnen herbei und glaubt sich betrogen — der Tor, nachdem
verständlich. Man braucht in das Stückchen gar nicht viel
man ihm winkte. Im dritten Akt erobert sich die Heldin
hinein zu geheimnissen. Man braucht kaum einen Zusammen¬
den Grafen mittels eines hübschen Gespräches und eines
hang mit den andern Stücken der Reihe „Marionetten“
brutalen Gesühles zurück. Und nun kommt noch einmal ein
aufzuweisen und zu erklären, daß mit dem Menschen viel¬
sehr feiner Effekt. Riccardi sitzt auf der Bühne, erwartungs¬
leicht der Tod, sicher das Leben spielt.
voll, eine Liebesnacht erhöffend. Da ertönt fröhliches Ge¬
Dramatisch im Sinne der derb=sinnlichen Steigerung
lächter, das versöhnte Ehepaar kommt aus dem Schlafzimmer
ist die Studie allerdings kaum. Sie ist aber dramatisch in
und verschwindet wieder eben dorthin. Gino aber hält keinen
dem Sinne, daß sie aus einem ganzen Leben den Moment
#tragischen Monolog, er pfeift, setzt seinen Hut auf und geht
der größten Deutlichkeit des Lebenswirrnisses herausgreift und
Hhinaus 7us Leben, neuer Liebelei entgegen. So wie dieser

Gespielt wurde gut.
nach rückwärts und vorwärts weist.
Schluß ist das ganze Stück: fein lächelnd und nicht wiehernd.
Herr Neumann=Hoditz als Eduard war sehr echt, ebenso
Der Aufban hat bedenkliche Sprünge und namentlich die Figur
Fräulein Wittels. Den Geora gab Herr Trautschold.
des Grasen ist eine ziemlich unglückliche. Es versöhnt der
Man muß sich an den Klarg seines Organs erst etwas ge¬
Dialeg, sein zugespitzt ziemlich lebenswahr.
wöhnen Ein guter Schauspieler ist der Darsteller sicherlich.
Die Uebergänge waren fein berausgearbeitet, das Verbitterte,
Verhaltene kam gut zum Ausbruck. Manchmal hatte man
„Puppenspieler“ wird eine alte Geschichte
erzählt. Da draußen vor der Stadt sitzt Eduard Jaaischl das Gefühl eines zu sorgsältigen Studiums, eines Mangels
an Intuition. Oesters glaube man hier aber wirlich wieder
einmal einen Menschengestalter zu sehen, hoffentlich behält
dieser Eindruck auf die Dauer recht. Die Regie hatte in
beiden Stücken der Intendant geführt, namentlich im
Puppenspieler deutlich bemerkbar. Hier war alles auf das
Schlichte mit großem Glück eingestellt; schade, daß das Publi¬
O. M.
kum nur noch für Aufputz Verständnis hat.