II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 119

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17.1. Der Puppensnieler
in dr irbatisch=serdischen
#1
— Achitangenawpartei, und Dr. v. Ernkovich machte einen
Koalition. Dr. Potocnjak ist erst kürzlich
Die Forderung des Ministers Praschek,
Anschluß an die neue Banuspartei unmöglich.
aus der Koalition, zu deren hervorragendsten Mit¬
ügend viele tschechische Beamte auch in den
gliedern er zählte, ausgetreten und zur Starcevic¬
Die neue Rauch=Gruppe.
en Stellen zu finden sein müssen,
Partei übergetreten, ein Schritt, der in politischen
Agram, 19. Jänner. Banus Baron Rauch wird
ich ganz am Platze. Wir müssen ver¬
Kreisen viel besprochen wurde. Dr. Potocnjak er¬
bereits in den nächsten Tagen die Organisation
daß nicht nur bei den Zentralstellen in
klärt nun, daß sein Verhalten durch die politische
seiner neuen Partei, die den Namen Unions¬
sondern auch bei den hohen Landesstellen
Propaganda der Serben veranlaßt worden sei,
gund in Brünn dar tschechische Element
partei führt, beginnen. Einige Schwierigkeiten deren großserbische Bestrebungen mit seinen politi¬
hend vertreten ist. — Was die geplanten
ergeben sich jetzt bereits aus dem Umstande, daß die schen Überzeugungen im Widerspruche stehen. Die
schechischen Ausgleichsverhandlun= Serben in scharfe Opposition zu Baron Propaganda der Serben, dahin zu wirken, daß

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Glückes, ein großer Puppenspieler gewesen zu
Außen= und verwahrloster Innenseite. Ein reicher
sein.“
Mann kauft das Bild. „Meine Kunst hat ihn ent¬
Einakter=Abend.
Felix Dörmanns Sittenbild „Der Mäzen“ gückt,“ denkt der naive Maler. Der Käufer aber
[Puppenspieler“ Studie von Ariu¬
zeigt uns einen jungen unverdorbenen Menschen,
ist Geschäftsmann, er sucht praktischen Sinnes
ar.
„Der Mäzen“ Sittenbild von
„Die Brieftasche“.
Hörmann.
einen Maler, verliebt in ein Mädchen von hübscher
hinter der Kunst das Leben, und mit Gelo, das in
von Oktave Mirbeau. Zur Aufführung im
diesem Falle gute Worte fast überflüssig macht,
ter am Franzensplatz am 18. Jänner 1908.
kauft er sich das schöne Urbild des Gemäldes. Der
* Der „Puppenspieler“ stammt aus Schnitz¬
Einakterabend begann mit günstigen
lers Einakter=Zyklus „Marionetten“, die alle als
verratene junge Mann muß es sich gefallen lassen,
leitenden Gedanken die Anschauung verfechten, daß wir
und endete unter gelindem Pfeifen. Der
daß seine „Braut“ (eine Braut, für die man nicht
nur armselige Drahtpuppen in der Hand des Geschickes
galt den Stücken von Schnitzler und Dör¬
genug dicke Anführungszeichen finden kann) ihm
sind keinen Augenblick über unserem Schicksal stehen.
die Ausdrücke des Mißfallens der Satire
gegenüber noch die Wohltäterin spielt, die sich nur,
In dem Einakter, der in den „Marionetten“ der
„Puppenspieler“ folgt, im „Tapferen Cassian,
ktave Mirbeau.
um ihn in seiner künstlerischen Laufbahn nicht zu
wird uns ein junger Fant vorgeführt, der im Vollgefühle
stören, von ihm zurückzieht. Nach einer Reihe köst¬
„Kupnenspieler“ Artur Schnitzlers
des Besitzes von Weib und Gut schwelgt. Aber während
Meusch, der in dem Wahn lebt, er vermöge
licher Szenen gießt der Mäzen über sein Opfer
er sich tecklich dessen brüstet, hat er Liebe und Glück,
die Coulissen zu blicken, zwischen denen
noch eine Hand voll praktischer Lebensregeln aus,
Geld und Gut schon an einen andern verloren. Wäh¬
rend er in stolzem Kraftbewußtsein seine Glieder streckt
er Schicksal, die Tragödie oder Komödie
die den Mann so taktlos erscheinen lassen, daß
Lebens abspielt. Er traut sich die Macht und dehnt, muß er erkennen, daß sie an unsichtbaren
man der Wahrheit und des Witzes, die in seinen
Drähten hängen, daß er wie die Geliebte und sein
e Daseinswege seiner Mitmenschen nach
Worten zweifellos stecken, nicht recht froh werden
Freund, der rohe Landsknecht Cassian, nur eine Ham¬
kann. Auch daß die zynischen Betrachtungen des
Willen zu leiten. So hat er einmal im pelmannfigur ist. Klingt dieses Stück schon mit lecker
en in das Schicksal eines Freundes, der Absicht an die echte Puppenkomödie an, so verläuft das
lüsternen Alten, den die Maske väterlichen Wohl¬
letzte Stück der Reihe „Zum großen Wurstl“
wollens herzlich schlecht kleidet, auf den jungen
schüchtern schien, selbständig ein Glück zu
ebenso beabsichtigt in grotesken Scherzen. Die Grenzen
Mann im Augenblicke des Schmerzes so viel Wir¬
n, wohlwollend eingegriffen. Aber in dem
zwischen den Puvpen des Marionettentheaters, das hier
das er zu Gunsten des anderen veranstaltete,
kung tun, daß er sie mit Worten heißen Dankes
aufgeschlagen ist, und den Vertretern des Publi¬
kunms verwischen sich ganz; „Wurstel“ sind alle:
ohne es zu ahnen — das eigene Glück
erwidert, scheint ein wenig befremdlich. Wird sich
Marionetten, Dichter und Zuschauer.] Ja, die Puppen,
t. Um dieses Streiches willen steht er als
unverdorbene Jugend wirklich nach einem
die nach dem Willen eines Dichters handeln, führen
bitteren Erlebnis den herzlosen Erwägungen eines
Mann, als ein Schiffbrüchiger, als Heim= sogar ein sinnigeres Leben als die Menschen, die ihre
so verächtlichen Lehrmeisters so rasch und demütig
keimatloser neben seinem Schützling, der in Rollen, abhängig von Meister Tod, selten gleich harmo¬
beugen?
chem Frieden ein Glück genießt, das eigent=nisch zu Ende führen können, die gar oft mitten in
n bestimmt war. Zu stolz, seinen Vorwitz den besten Szenen plötzlich abbrechen müssen. Es ist
Diesem immerhin lustigen und sehr wirksamen
schade, daß man uns nicht an Stelle des Einakters von
Stück folgte als drittes Octave Mirbeaus Einakter
st zu bereuen, redet er sich auch angesichts Mirbeau den „Tepferen Cassian“ geboten hat. Trotz
„Die Brieftasche“. Er ist trotz eines nicht
Bildes ein, nichts zu entbehren und sein
des marionettenhaften Schlusses ist ihm wegen der
sicheren Betonung der Grundidee und wegen des kräf¬
üblen Grundgedankens ziemlich mißlungen. Octave
l doch nur zu seinem Besten „gelenkt“
tigen Ganges der Handlung eine höhere Bühnenwirkung
Mirbeau erwies sich nur einmal als ein Dichter:
en. Seine „Puppen“ lassen ihm mitleidig
zuguerkennen als dem prächtigen „Puppenspieler“, der
in seinem furchtbaren, von sadistischen Phantasien
Einzige, das ihm bleibt, diesen armseligen zarter, vornehmer, verhaltener, gewissermaßen nur an¬
ein tiefblickender Reister seines deutungsweise das Thema des ganzen Zyklus anschlägt. überfüllten, in Österreich verbotenen Roman „Der
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