II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 30

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16. 1. Lebendige Stunden zyklus
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der Wissenschaftlichen Revue.
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indes verzeiht ihr den Fehltritt, weil sie ihre Sünde
bekannt und ihm das Leben gerettet hat.
Warte für Kunst, Wissenschaft und Litteratur.
Das Schauspiel „Die letzten Masken“ spielt in
einem Krankenhause. Ein sterbender Journalist (Herr
Reinhardt) unterhält sich mit einem schwindsüchtigen
Deutsches Theater.
Schauspieler (Herrn Hanns Fischer) und verlangt als
Zum ersten Male: „Lebendige Stunden“
letzte Ganst des Schicksals, einen stets von Glück und
. Lebendige Stunden.
von Arthur Schnitzler.
Ersolg begünstigten Dichter Namens Weihgast
Schauspiel in einem Aufzug; 2. Die Frau mit
sprechen, um noch
(Herrn Bassermann)
dem Dolche. Schauspiel in einem Aufzug; 3. Die
in seiner Todesstunde das Wohlgefühl der Rache zu 1
1 einem Aufzug;
letzten Masken. Schauspiel i
genießen, Mit dem Schauspieler übt er die Worte ein,
4. Litteratur. Schwank in einem Aufzug. — Der Wiener
die er seinem tiefgehaßten Feinde ins Gesicht schleudern
Dichter hat mit seinen neuen Einaktern seine und geistreiche
will; vor Allem will er ihm sagen, daß er jahrelang der
psychologische Skizzen geliefert, Seelengemälde von be¬
heimliche Liebhaber seiner Frau gewesen sei. Als der Dichter
deutender Diefe, Bilder, die dem Leben abgelauscht und
jedoch erscheint und mit selbstgefälliger, affektirter Miene
wie mit dem Pastellstift hingehaucht sind, dramatische
und gönnerhafter Herablassung das Gespräch beginnt,
Dekorationsarbeit, die sich um ein Leitmotiv schlingt und
verstummt der Sterbende — sein Entschluß war das
in immer kunstvolleren Ranken weiterspinnt, aber durch
letzte Aufflackern seines Lebensmutes, aber er findet
ihren sinnreichen Zauber das Interesse des Zuhörers nie
nicht mehr die Kraft, ihn auszuführen.
erschlaffen läßt. In dem einleitenden Schauspiel
Der Schwank „Litteratur“ war das lustige Saiyr¬
„Lebendige Stunden“, entwirft der Verfasser ein Bild
spiel, das auf die tragischen und ernsten Verwickelungen
von dem naiven und starken Egoismus einer Künstler¬
folgte. Eine Dichterin, die bisher in Münchener
natur. Um ihrem Sohne das künstlerische Schaffen
Künstlerkreisen verkehrt hat, heiratet einen adligen
zu erleichtern und ihn zu großen Leistungen anzuspornen,
Jüngling, „mit wohlgepflegten Händen und einem
vergiftet eine leidende Mutter sich mit Morphium. Sie ver¬
ungepflegten Gehirn.“ Dieser Ehegatte empfindet
traut das Geheimnis ihres Opfertodes einem Briefe an,
einen Abscheu vor den Gedichten im Allgemeinen
den sie einem befreundeten pensionirten Beamten über¬
und denjenigen seiner Frau im Besonderen.
giebt, aber mit der ausdrücklichen Aufforderung, den
Er faßt die Litteratur lediglich als Memoiren¬
Brief nicht ihren Sohn lesen zu lassen. Der Beamte
werk auf, und ohne Verständnis für litterarische
jedoch verletzt dies Verbot und behält Recht mit seiner
Erzeugnisse, wie er ist, betrachtet er alle Gedichte und
Annahme, daß der junge Künstler in dem Hochgefühl
Romane als den Ausdruck platter Realitäten. Seine
seines Könnens sich durch den Eindruck dieser
Frau hat es fast mit ihm verdorben, als
Offenbarung nicht niederdrücken läßt, sondern seine
sie gesteht, daß sie noch ohne sein Wissen
Ueberlegenheit über die schmerzvollen Gesühle des
einen Roman aus ihrem Leben geschrieben hat.
Durchschnittsmenschen an den Tag legt.
Der Held dieses Romans ist ein Bekannter Namens
Noch mehr Beifall fand das romantische drei¬
Bilbert aus ihrer Münchener Zeit. Gilbert erscheint
teilige Schauspiel „Die Frau mit dem Dolche“.
und verrät, daß ergleichfalls einen Roman verfaßt hat,
Sie führt den Namen Pauline, und ihr Bild thront in
der ihren beiderseitigen Briefwechsel enthält. Die
der Mitte einer Reihe von Gemälden. Der Maler
Schriftstellerin ist aufs Höchste bestürzt, da sie gleich¬
(Herr Hahn) ist der Anbeter und Liebhaber Paulinens
falls denselben Briefwechsel in ihren Roman auf¬
(Frl. Jrene Triesch). Pauline, die Frau mit
genommen hat. Die heitere Lösung wird dadurch
dem eisigen Herzen und den sirenenhaften
herbeigeführt, daß sie ihren Roman, den ihr Gatte
Reizen, flößt ihrem Liebhaber Gefühle ein, die
ihr ins Haus briügt, vor den Augen Gilberts ver¬
wie stahlscharfe Klingen verwunden und mit der unfehl¬
brennt. Nun können Beide eine glückliche Ehe führen.
baren Sicherheit des Dolches töten. Sie steht gerade im
— Der Dichter wurde nach jedem Stück gerufen und
Begriff, mit ihrem Gemahl Remigio (Herrn ### Sommer¬
v. H.
mit Beifall überschüttet.
sterff) nach Italien zu reisen, und gönnt ihrem Anbeter eine
Nacht zum Abschied. Der zweite Teil des Schauspiels
ist in wundervoller Verssprache geschrieben und schildert
die Liebesnacht, während deren die Bühne in mystisches
Dämmerlicht getaucht ist. Im Morgengrauen überrascht
Remigio die Liebenden. Pauline gesteht den Ehebruch,
Leonhard verlangt den Tod, und da Remigio sich
weigert, ihn zu töten, droht er mit der Enthüllung
seiner Schande. Da stürzt Pauline mit einem Dolch
auf ihren Liebhaber los und ersticht ihn, der Gatte