ungefuhrten Titet ver
einte. Läge der Scherz nicht gar so nahe, man müßte
als ehrlicher Mensch sagen, es waren keine — leben¬
digen Stunden. Der Dichter hat sich über die Pfeudo¬
Dichter lustig machen wollen, die sich einreden, der
„Gott in ihnen“ stehe höher als das natürliche
Meuschenempfinden, darum setze sich jedes Ge¬
fühl in Schaffensdrang um. Sie seciren ihre
seelischen Regungen und beobachten sich, um sich
zu beschreiben. Wir wissen nicht, was Schnitzler die
Anregung bot, einmal ein Donnerwetter über „Die
Talente des Kaffeehauses“ loszulassen aber er
verkenne nicht, daß auch er gleich den Ge¬
geißelten seine Empfindungen schaffend verwerthete.
Freilich waren es nicht Empfindungen des Schmerzes
im gewöhnlichen Sinne, war es kein Unglück, das ihn
Straf. als er die Eingebildeten mit ihrem harmlosen
-Größenwahn kennzeichnen und züchtigen wollte,
aber ein Weh war's immerhin, und daraus geboren
erstanden die vier Theaterstücke — für Litteratur¬
meuschen, die jede geistreiche, wie jede ironische Wendung
verstehen, jede Anspielung freudig auffassen.
Wir wollen uns nach 11 Uhr Abends in keine allzu
lange litterarisch=dramaturgische Studie über diese vier
Nippes ergehen.
Nr. 1:
„Lebendige Stunden“, Schauspiel in
einem Aufzug. Eine leidende Mutter tödtet sich, weil
sie sieht, daß ihr Leiden dem Sohn die dichte¬
rische Schaffensfreude nimmt. Der Sohn erfährt diese
heroische That der Mutter durch ihren „Freund“, der
sie dem jungen Dichter mittheilt, weil er ihn kennt.
Und in der That erklärt dieser nun, seinen Schmerz
zu gestalten. Fadenscheinig vergleicht er das dami:
daß der Gartenbesitzer ja trotz allen Leids auch seinen
Garten pflegt.
Das Stückchen, von den Herren Reinhard (Freuni
der Verstorbenen), Rittner (Sohn), Fischer (Gärtner)
sehr lebenswahr gespielt, konnte es zu keinem Er
folge bringen. Es war auch zu häßlich, daß
kein Gegensatz zur Ausgleichung gefunden wurde,
denn es wird doch Schnitzlers Absicht nicht ge¬
wesen sein, alle jungen Dichter als solche Selbst¬
anbeter zu bezeichnen? Das wäre, —— nun sagen
wir höflich: seltsam.
Nr. 2: „Die Frau mit dem Dolche.“ Schau¬
spiel in einem Aufzug. Pauline, die Gattin des
Malers Remigio, giebt sich mit Leouhard im Aus¬
stellungssaale ein Stelldichein. Sie stehen (und sitzen
auf dem Rundsopha) vor dem großen Mittelbilde, das
die Frau mit dem Dolche darstellt. Der Maler ist un¬
bekannt, das Bild stammt aus dem 16. Jahrhundert.
Pauline hat es ihrem Manne gesagt, daß sie einen
Augenblick nahe daran war, Leonhard zu lieben, in
Folge dessen wurde beschlossen, abzureisen. Pauline ist
eine visionare Natur. Sie sieht Leonhard als
Leiche, denn auf dem Bilde ist ein Jüngling
neben der Frau mit dem Dolche todt hingestreckt sichtbar.
Es wird dunkel — Verwandlung — und der Maler
aus dem 16. Jahrhundert findet bei der Heimkehr sein
inzwischen ihm ungetreu gewordenes Weib. Alles ist
im Kostüm des 16. Jahrhunderts, und Pauline ersticht
Leonhard, der ihre Schande und ihres Gatten Unglück
laut hinaus rufen will, da Remigio beide zu sehr ver¬
achtet, um sich zu rächen, oder gar ihn zu
lödten!
Es wird wieder dunkel, man
hört es wie vor der Verwandlung 12 Uhr
läuten — es wird hell und vor Pauline, die einen
Augenblick lang die Vision, die wir als Verwandlung
sahen, hatte, steht Leonhard. Da er ihr im ersten
Bilde sagte, ihr Mann betrachte sie nur gleich¬
sam als Modell errege ihre Stimmung nur,
um den Ausdruck hervorzurufen, den er für das
Bild braucht, das er gerade malt, rächt sie sich an ihm
und — giebt zu, sich am Abend mit Leonhard zu
treffen. Dieses Stückchen soll die Maler treffen,
treffend. Im
man fand es aber nicht
Publicum hatte man es im Zwischenact als Preis¬
aufgabe bezeichnet, das Räthsel dieses Theaterstückes
zu lösen. Gespielt wurde es meisterhaft von Frl.
Irene Triesch (Pauline) und Richard Hahn (Leon¬
hard).
Nr. 3: „Die letzten Masken“. Schauspiel in
einem Aufzug. Ein Schauspieler, der in 8 Tagen
stirbt, wie der Arzt sagt, und ein Journalist, der
während des Abends stirbt, bilden die Masken. Aber
eigentlich ist der Journalist nur der Verkleidete, wenn wir
nicht sagen wollen, der neidische Hundsfott. Er haßt
den Dichter Weihgast, von dem er behauptet, er sei ein
Dummkopf und habe nur Glück gehabt. Er verführt
die Frau dieses Ahnungslosen, der sein Jugendfreund
war, die angeblich ihres Gatten Nichtigkeit durchschaut.
Vor dem Schauspieler hält er auf dessen Aurathen
Probe, was er ihm sagen werde. Und als der
glückliche Dichter dann erscheint und dem neidvollen
Journalisten so herzenswarm entgegentritt, hat dieser
nicht den Muth, ihm irgend eine Gemeinheit ins Ge¬
sicht zu schleudern! Er weiß ja in der That auch nichts
als zu schimpfen — und nach dem Weggang des
„Glücklichen“ zu sterben.
Hier hat die dichterische Kraft Herrn Dr. Schnitzler
völlig im Stich gelassen, denn nicht nur hat
er hat auch nicht
er keine Typen geschaffen,
einmal gewußt, was mit seinen Puppen an¬
fangen. Ohne Reinhardt (Journalist), Fischer
(Schauspieler), Bassermann (Dichter) wäre das
Schauspiel sicher noch kühler aufgenommen worden.
Nr. 4: Litteratur. Schwank in einem Aufzug.
Ein Bohème=Stück. Margarethe hatte einen Mann, von
dem sie sich trennte, lebte dann mit dem Dichter Gilbert,
um eines Tages als Braut des Baron Clemens sich
von diesem die Wahrheit sagen zu lassen, daß die
Dichter Verräther ihrer eigenen Erlebnisse und Phan¬
tasien seien. Eine Moral aus der Sportswelt.
der That veröffentlicht Margarethe in ihrem neuesten¬
Roman die Briefe, die sie mit Gilbert wechselte. Das¬
selbe thut aber auch dieser. Clemens will beide Romans
lesen, ehe der Roman Margarethens eingestampft wird
da entreißt sie ihm den ihren und wurft ihn in den
Kamin als Zeichen ihrer —
Liebe! Gil¬
bert bedauert, daß ihm diese Pointe nicht einfiel.
Das Stückchen strotzt von Anspielungen, die nur ein
Premièren=Publicum gontirt, das mit Litteraten und
solchen, die es sein wollen, verkehrt.
Bassermann (Clemens), Rittner (Gilbert) und
Irene Triesch (Margarethe) spielten flott und brachten
die etwas lang gezogenen Dialoge zu vollendeter
Geltung.
Herr Dr. Schnitzler wurde zum Schluß stürmisch,
wie auch im Laufe des Abends oft gerufen. Es war
also äußerlich ein Erfolg. Im letzten Stückchen sagt der
Dichter zur „complicirten" Dichterin, die sich selbstals solche
Erscheinung bezeichnet: „Sprich nicht von der Ewig¬
keit im Punkte der Wirkung Deines Romanes, ehe
nicht die 2. Auflage erschienen ist.“ Auch wir sagen:
Den Erfolg machen die ferneren Aufführungen. Seien
wir auf die Zahl der Auf—führungen gespannt.
G—n.
einte. Läge der Scherz nicht gar so nahe, man müßte
als ehrlicher Mensch sagen, es waren keine — leben¬
digen Stunden. Der Dichter hat sich über die Pfeudo¬
Dichter lustig machen wollen, die sich einreden, der
„Gott in ihnen“ stehe höher als das natürliche
Meuschenempfinden, darum setze sich jedes Ge¬
fühl in Schaffensdrang um. Sie seciren ihre
seelischen Regungen und beobachten sich, um sich
zu beschreiben. Wir wissen nicht, was Schnitzler die
Anregung bot, einmal ein Donnerwetter über „Die
Talente des Kaffeehauses“ loszulassen aber er
verkenne nicht, daß auch er gleich den Ge¬
geißelten seine Empfindungen schaffend verwerthete.
Freilich waren es nicht Empfindungen des Schmerzes
im gewöhnlichen Sinne, war es kein Unglück, das ihn
Straf. als er die Eingebildeten mit ihrem harmlosen
-Größenwahn kennzeichnen und züchtigen wollte,
aber ein Weh war's immerhin, und daraus geboren
erstanden die vier Theaterstücke — für Litteratur¬
meuschen, die jede geistreiche, wie jede ironische Wendung
verstehen, jede Anspielung freudig auffassen.
Wir wollen uns nach 11 Uhr Abends in keine allzu
lange litterarisch=dramaturgische Studie über diese vier
Nippes ergehen.
Nr. 1:
„Lebendige Stunden“, Schauspiel in
einem Aufzug. Eine leidende Mutter tödtet sich, weil
sie sieht, daß ihr Leiden dem Sohn die dichte¬
rische Schaffensfreude nimmt. Der Sohn erfährt diese
heroische That der Mutter durch ihren „Freund“, der
sie dem jungen Dichter mittheilt, weil er ihn kennt.
Und in der That erklärt dieser nun, seinen Schmerz
zu gestalten. Fadenscheinig vergleicht er das dami:
daß der Gartenbesitzer ja trotz allen Leids auch seinen
Garten pflegt.
Das Stückchen, von den Herren Reinhard (Freuni
der Verstorbenen), Rittner (Sohn), Fischer (Gärtner)
sehr lebenswahr gespielt, konnte es zu keinem Er
folge bringen. Es war auch zu häßlich, daß
kein Gegensatz zur Ausgleichung gefunden wurde,
denn es wird doch Schnitzlers Absicht nicht ge¬
wesen sein, alle jungen Dichter als solche Selbst¬
anbeter zu bezeichnen? Das wäre, —— nun sagen
wir höflich: seltsam.
Nr. 2: „Die Frau mit dem Dolche.“ Schau¬
spiel in einem Aufzug. Pauline, die Gattin des
Malers Remigio, giebt sich mit Leouhard im Aus¬
stellungssaale ein Stelldichein. Sie stehen (und sitzen
auf dem Rundsopha) vor dem großen Mittelbilde, das
die Frau mit dem Dolche darstellt. Der Maler ist un¬
bekannt, das Bild stammt aus dem 16. Jahrhundert.
Pauline hat es ihrem Manne gesagt, daß sie einen
Augenblick nahe daran war, Leonhard zu lieben, in
Folge dessen wurde beschlossen, abzureisen. Pauline ist
eine visionare Natur. Sie sieht Leonhard als
Leiche, denn auf dem Bilde ist ein Jüngling
neben der Frau mit dem Dolche todt hingestreckt sichtbar.
Es wird dunkel — Verwandlung — und der Maler
aus dem 16. Jahrhundert findet bei der Heimkehr sein
inzwischen ihm ungetreu gewordenes Weib. Alles ist
im Kostüm des 16. Jahrhunderts, und Pauline ersticht
Leonhard, der ihre Schande und ihres Gatten Unglück
laut hinaus rufen will, da Remigio beide zu sehr ver¬
achtet, um sich zu rächen, oder gar ihn zu
lödten!
Es wird wieder dunkel, man
hört es wie vor der Verwandlung 12 Uhr
läuten — es wird hell und vor Pauline, die einen
Augenblick lang die Vision, die wir als Verwandlung
sahen, hatte, steht Leonhard. Da er ihr im ersten
Bilde sagte, ihr Mann betrachte sie nur gleich¬
sam als Modell errege ihre Stimmung nur,
um den Ausdruck hervorzurufen, den er für das
Bild braucht, das er gerade malt, rächt sie sich an ihm
und — giebt zu, sich am Abend mit Leonhard zu
treffen. Dieses Stückchen soll die Maler treffen,
treffend. Im
man fand es aber nicht
Publicum hatte man es im Zwischenact als Preis¬
aufgabe bezeichnet, das Räthsel dieses Theaterstückes
zu lösen. Gespielt wurde es meisterhaft von Frl.
Irene Triesch (Pauline) und Richard Hahn (Leon¬
hard).
Nr. 3: „Die letzten Masken“. Schauspiel in
einem Aufzug. Ein Schauspieler, der in 8 Tagen
stirbt, wie der Arzt sagt, und ein Journalist, der
während des Abends stirbt, bilden die Masken. Aber
eigentlich ist der Journalist nur der Verkleidete, wenn wir
nicht sagen wollen, der neidische Hundsfott. Er haßt
den Dichter Weihgast, von dem er behauptet, er sei ein
Dummkopf und habe nur Glück gehabt. Er verführt
die Frau dieses Ahnungslosen, der sein Jugendfreund
war, die angeblich ihres Gatten Nichtigkeit durchschaut.
Vor dem Schauspieler hält er auf dessen Aurathen
Probe, was er ihm sagen werde. Und als der
glückliche Dichter dann erscheint und dem neidvollen
Journalisten so herzenswarm entgegentritt, hat dieser
nicht den Muth, ihm irgend eine Gemeinheit ins Ge¬
sicht zu schleudern! Er weiß ja in der That auch nichts
als zu schimpfen — und nach dem Weggang des
„Glücklichen“ zu sterben.
Hier hat die dichterische Kraft Herrn Dr. Schnitzler
völlig im Stich gelassen, denn nicht nur hat
er hat auch nicht
er keine Typen geschaffen,
einmal gewußt, was mit seinen Puppen an¬
fangen. Ohne Reinhardt (Journalist), Fischer
(Schauspieler), Bassermann (Dichter) wäre das
Schauspiel sicher noch kühler aufgenommen worden.
Nr. 4: Litteratur. Schwank in einem Aufzug.
Ein Bohème=Stück. Margarethe hatte einen Mann, von
dem sie sich trennte, lebte dann mit dem Dichter Gilbert,
um eines Tages als Braut des Baron Clemens sich
von diesem die Wahrheit sagen zu lassen, daß die
Dichter Verräther ihrer eigenen Erlebnisse und Phan¬
tasien seien. Eine Moral aus der Sportswelt.
der That veröffentlicht Margarethe in ihrem neuesten¬
Roman die Briefe, die sie mit Gilbert wechselte. Das¬
selbe thut aber auch dieser. Clemens will beide Romans
lesen, ehe der Roman Margarethens eingestampft wird
da entreißt sie ihm den ihren und wurft ihn in den
Kamin als Zeichen ihrer —
Liebe! Gil¬
bert bedauert, daß ihm diese Pointe nicht einfiel.
Das Stückchen strotzt von Anspielungen, die nur ein
Premièren=Publicum gontirt, das mit Litteraten und
solchen, die es sein wollen, verkehrt.
Bassermann (Clemens), Rittner (Gilbert) und
Irene Triesch (Margarethe) spielten flott und brachten
die etwas lang gezogenen Dialoge zu vollendeter
Geltung.
Herr Dr. Schnitzler wurde zum Schluß stürmisch,
wie auch im Laufe des Abends oft gerufen. Es war
also äußerlich ein Erfolg. Im letzten Stückchen sagt der
Dichter zur „complicirten" Dichterin, die sich selbstals solche
Erscheinung bezeichnet: „Sprich nicht von der Ewig¬
keit im Punkte der Wirkung Deines Romanes, ehe
nicht die 2. Auflage erschienen ist.“ Auch wir sagen:
Den Erfolg machen die ferneren Aufführungen. Seien
wir auf die Zahl der Auf—führungen gespannt.
G—n.