II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 35

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16.1. Lebendige Stunden Zyklus
— sscheruba-4s—s00 — —. —chter stattet,
Tei schwerer Unfa
fort ist: „Wie armselig sind doch die Leute, die auch
auf dem Friedhofe St. Leonhard ein. Nachdem die Leiche]Berlin wird uns unter dem
morgen noch leben müssen. Was hab' ich mit ihm zu
Hamerling's aus dem bisherigen Grabe gehoben, in die Professor Virchow wurde Samst
schaffen? Was geht mich sein Glück, was gehen mich seine
Todtenkammer gebracht und in den neuen Metallsarg gelegt von einem schweren Unfall b
Sorgen an?“
worden war, wurden die Berichterstatter ersucht, die Todten= lassen eines Straßenbahnwagens,
Das vierte Stück heißt „Literatur“. Es ist unendlich
kammer zu verlassen, da an dem Kopfe Hamerling's setzte, ehe Virchow abgestiegen was
lustig, von einer sprühenden, befreienden, erschütternden
eine „Schädelmessung“ vorgenommen werden solle. lehrte — gegenüber dem Krie
Komik. Ein Literaturweibchen, schlau und albern zugleich,
Nach einigen Minuten war diese angebliche Schädelmessung Leipzigerstraße — zu Fall und
prickelnd, fesselnd und widerwärtig, echt in ihrer Nach¬
durchgeführt und die Berichterstatter fanden bei ihrem leichteren Contusionen an den Bei
äfferei, äffisch in ihrer Echtheit, wird den Sportsman
Wiedereintritt den Metallsarg bereits verschlossen. Es linken Oberschenkelhalses. Passen
Baron Clemens heiraten, den sie sich aus einem Münchener
wurde sodann erst Pfarrer Mayer geholt, der die Einsegnung
unglückten, der unmittelbar nach dem
Literatencafé geholt hat. Aber sie kann das Dichten nicht
der Leiche vornahm. Die Angehörigen Hamerling's hatten
vom Pflaster auf und trugen ihn
lassen, und so hat sie einen Roman geschrieben, den Roman
überhaupt nur durch die Zeitungsberichte Kenntniß von dem
einen Laternenpfahl gelehnt, erhol
ihres Lebens, natürlich mit Verschleierungen. Aber die
bedeutungsvollen Acte erhalten.
und sprach leise den Wunsch aus,
Briefe sind darin, die sie mit ihrem Münchener Kaffee¬
Mitte December erhielt nun Frau Clotilde Gstirner
gebracht zu werden. Ein Schutzm
hausfreund Gilbert gewechselt hat, nicht blos seine, sondern
zu ihrem Entsetzen von vertrauenswürdiger Seite die Mit¬
Droschke und fuhr mit ihm nach
auch ihre Briefe. Denn die hatte sie sich — es ist zum
theilung, daß der Kopf Hamerling's seit der
Virchow die Treppe hinaufgetrage
Schreien — vorher aufgesetzt. Und jetzt kommt etwas ent¬
stattgehabten Exhumirung verschwunden
Sohn des Gelehrten, Professor He
zückend Tolles. Baron Clemens, der nun einmal das
sei, und daß im neuen Grabe nur die ent¬
Hausarzt wurden rasch herbeigeholt,
Dichten als unfein nicht leiden kann, ist ärgerlich fort¬
hauptete Leiche ruhe. In literarischen Kreisen ging
daß, wie oben erwähnt, der linke Ob
gegangen, als er hört, daß der Roman, der schon gedruckt
man der Sache eifrig nach, und dabei soll sich folgender
sei. Die übrigen Verletzungen sin
ist, in acht Tagen erscheinen soll. Gilbert kommt, seine
Thatbestand ergeben haben:
bedenklich. Professor Hans Virchow
einstmalige Geliebte zu sehen. Auch er hat einen Roman
Der Obmann des Grabdenkmal=Ausschusses, Advocat
Pflege seines Vaters und ist seit S#
geschrieben, auch er hat die Briefe hineingenommen, die
Dr. Gödel, welchem namens dieses Ausschusses nur
Seite gewichen. Aus der Darstellu
seinigen neben den ihrigen. Die seinigen hatte er sich
Anordnungen über das Denkmal zustanden, habe dem
Ursache des Unfalles nicht ganz klat
vorher zwar nicht aufgesetzt, aber nachher abgeschrieben.
Professor Dr. Kratter unbefugterweise die Erlaubniß
sich die Sache wohl so zu, daß Vir
Es würde einen europäischen Scandal geben, wenn die
ertheilt, der Leiche Hamerling's den Kopf ab¬
der Wagen sich eben wieder in B#
beiden Romane erschienen, der Baron würde fürchterlich
zuschneiden und selben in das anatomische Institut
Das Befinden Virchow's war gest
Rache nehmen. Aber Alles wendet sich zum Guten. Der gute
zu bringen. Dr. Kratter habe zu diesem Zwecke eine große
gutes, wie es unter den beklagensw
Baron hai die ganze Auflage des Buches seiner Braut
Blechbüchse mitgebracht, in welcher er den Kopf auch that¬
sein konnte. Der Patient war heu
aufgekauft und wird sie einstampfen lassen. Nur ein
sächlich mitnahm, um Schädelmessungen vorzunehmen und
fieberfrei; er hat seinen Humor n
Exemplar hat er behalten. Entsetzlich! Wenn er nun doch
Gipsabgüsse anzufertigen. Nach einem vollständig geheim
klärte, das Bett möglichst bald ver
die Briefe in diesem wie in jenem Buche findet? Aber die
gehaltenen Protokoll hätte der Schädel innerhalb 14 Tagen
Absicht freilich, deren Erfüllung an de
schlaue Komödiantin weiß Rath. Sie schleudert das ge¬
entweder zur Leiche in das Grab zurückgelegt werden sollen,
wochenlangen Krankenlagers scheitern
fährliche Buch ins Kaminfeuer, damit der Geliebte den
oder es wäre innerhalb dieser Frist die Zustimmung deranläßlich des Unfalles des greisen G
rührenden Beweis erhalte, wie sehr sie ihn liebe. Die
Angehörigen einzuholen gewesen, daß der Schädel im
zahlreiche Erkundigungen wurden
Briefe wird er in dem Roman Gilberk's lesen, aber er
hiesigen anatomischen Institut verbleibt. Aber diese
verschiedenen Ministerien, aus der
wird nicht wissen, daß sie keine Erfindung sind.
protokollarische Bestimmung sei nicht eingehalten worden,
und Kunst wie auch aus privaten
Schnitzler hat einen schönen Erfolg nach Wien mit¬
und es wäre der Oeffentlichkeit bis zum heutigen Tage
Obwohl der Schenkelbruch nicht c
genommen. Er darf mit den Darstellern, er darf mit dem
nicht bekaprt geworden, wo sich der Schädel Hamerling's
Wunde an der Bruchstelle also nich
Publicum zufrieden sein, und beide mit ihm.
befindet, wenn nicht ein Verehrer des verstorbenen Dichters
der Unfall bei dem hohen Alter Virch
Max Lesser. diese Angelegenheit mit wahrem Feuereifer verfolgt hätte, sehr ernst genommen werden.