II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 40


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16.1. Lebendige Stunden Zuklus
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„OBSERVER“ Nr. 47
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Ausschnitt aus:
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bichterisch wertvoller ist das orirte Schauspiel „Die letzten Masken“ zu
Im Wiener Allgemeinen Krankenhause liegt der
veranschlagen.
Der erenfalls dem Tode
Journalist Rademacher im Sterven.
* verfallene Schauspieler Jackwerth ist sein Zimm rnachbar. Während
der eine weiß, daß sein Eue bevorsteht und mit dem Leben, #
ihm so viele Enttänschungen brachte, abrechnen möchte“
das
simi det
und
genesen
andere für
der
sich
hält
die schönsten Pläne für die Zukunft. Dei Arzt macht seinen Abend¬
ug berchurd (Geiger).
besuch. Nademacher bittet ihn noch flebentlich, ihm noch schrell einen
#ehn Berlin, 5. Jan Schnitzlers Einakter=Cyklus.
heißen Wunsch zu erfüllen: er möchte seinen Jugendkreund, den
Artbur Schnitzler, unstreitig das stärkste Talent der jüng ien
Schrif steller Weibgast noch diesen Abenb spechen, da er ihm etwas
Wiener Schule, hät mit seinem nevesten Einakter Quartett „Lebendige
sehr Wichti, es mitzuteilen habe. Der Arzt, der mit Weihgast be¬
Stunden“ im Deutschen Theater einen ziemlch gedämpft einsetzenden,
freundet ist, verspricht, ihn zu bringen. Der Schauspieler fragt
dann aber stä die st igenben und zu'etzt mächtig anschwellenden Erfolg
neugierig, was Rademat#er denn noch so Eiliees zu beichten habe,
erzielt. Die vier Stücke, die ungleich in jeder Hinsicht sind, haben
und dieser entgegnet: ir wolle sich vor seinem En##e die Hiennathnung
nur das Eine gemeinsam, daß in sämtlichen Vertreter der Literatur
verschaffen, dem ehrmaligen Freunde, der unverdient so große äußerliche
und Kunst die Hauptrollen spielen. Der Gesamttitel „Lebendige
Erfolge im Leben davon getragn habe, unverblümt zu sagen, daß er
Stunden“ ist ziemlich willkürlich dem Tiel des ersten Stückbens
ihn stets in seiner ganzen Hehlbeit durchschaut habe, ja daß sich sogar
#entlehnt, das diese Ehre umso weniger verdiene, als es das weitaus
die eigene Gattin des „großen“ Mannes anzerkelt von ihm ab#ewand.
schwächste unter den vieren ist. Von des Gedankens Blässe ange¬
und ihre Liebe dem verkannten, vom Schicksal so alg mitgenommenen
kronkelt, behandelt dieser Auftakt zu den sol, enden, lebensvollen und
Journalisten geschenkt habe. Als dann aber Weihgast wirklich kommtg
geistsprühenden Dichtungen die eklügelte Frage, ob das ganze dieh terische
und mit seiner boblen Schönrednereiichtssagende Redensarteng
Schaffen des Sohnes auch nur eine „lebendire Stunde“ der Mutter
berchselt und innige Freundschaft heuchelt, da bingt es der Sterbende
auf uwieden vermag. Eine unheilbar erkrenkte Mutter hat sich nämlich
teils vor Ekel. teils aus Mitleid nicht ferti,, dem Lebenden die letzte
Amik Morphium vergiftet, um ihren Sohn vom Anblick ihrer Leiten
Maske vom Gesicht zu reßen, und im Gesühl seinr ganzen Größer
Alzu befreien und ihn seinem Dichterberuf wiederzugeben. Das zweite
und Ueberlegenheit nimmt der aufgeblasene Dichter von dem sterbendeng
Schauspiel „Die Frau mit dem Dolche“ wirkt mehr durch virtuose
Jugendfreunde Abschied. Es ist eine ung wein seine ptychologischen
Mate und äußerliche Eff kte, als durch innere Vorzüge und echt
Studie, die Schnitzler hier im engen Raumen aufrollt, tiefründig
I die terische Eigenschaften. Eine junge, hysterische Frau gibt sich mit
un lebenswahr, voll bieterer Satire und nicht ohme weitere Ausblickes
hibem Liebhaber ein Stelldichein in einem Bildermuseum vor
auf die Ni#tigkeit alls Indischen im Agsichte des Tudes
weirem ital enischen Gemälde aus dem 15. Jahrhundert. Die hier mit
Pund der Ewigkeit. Den Vogel aber hat der Verfosser mit dem vierter
d dem Dolche dargestellte Frau hat eine frappante Achnlichkeit mit ihr,
bescheiben einer
bas
und letzten Stück abg schossen,
& und je länger sie diese Frau betrachtet, desto bestemuter wird ihre
Schwank „Litteratur“ nennt und thatsächlich eine mit glänzenden!
Ueberzeugung, daß sie die hier im Bilde dargestellte Seene vor langer,
Witz, überiegenem Geist und funkelnder Laune gestriebene
langer Zeit selbst erlebt hat, und zwar mit demselben jungen Manne,
Satire auf jene Kaff ehausliteraten ist, die, an eigener
der ihr jetzt zur Seite sitzt Die Bühne verdunkelt sich piötzlich, der
aim, ihre kleinen Erlebnisse zu langen
Gedanken z
Vorhane fällt und als er sich nach einiden Augenblicken wieder hebt, sehen
Romanen auszumürzn such n. Sie entblößen sich und ihre
wir duselbe Frau mit dem junden Manne in der Tracht der Renaissange¬
„stilisie#ten“ Leiden und Freud.n ohne Bedenken vor dei Welt, nur un ##
zeit vor uns. Auf einer Stafselei steht das halb vollendete Bild
sich einmal gebruckt zu sehen Sie eißelt Shnitzler in zieser über¬
der Frau mit dem Dolche, von dem Gatten gemalt Dieser kihrt von
mütigen Komödie, die zu den Lustigsten und Unterhaltendstn geböt,
einer Reise nach Florenz heim, die Frau gesteht ihm, daß sie ion während
was man seit lange auf der deutschen Bühne gesehen hat. Der
Kiner Abwesenheit betrogen habe, und ersticht vor seinen Auxen ih en
linterarische Feinschmecker kommt hier auf seine Rechnung wie der naive
Verführer mit dem Delche. Der Gatte, der nur Künnler ist, er reift
Zuschauer, der nur lachen will. Die Handlung ist hier Nebensoche, die
söfort den Peu##t und die Palette, um sein We k nach den eben ge¬
Bebandlung alles: die prächtige Zeich ung der drei Personen, des
wonnenen bntigen Eindrücken zu vollenden. Die Frau wendet sich
kurstfremden, am liebsten Stollluft atmenden Barons, der schrift¬
mit Brrachtung von im, die Bühne verbunkeli sich abermals und
st llernden Frau mit der Vergangenheit, die sich eine ehrbare Zukunft #
wir werden in das Museum zurückversetze, wo die aus ihrem Traume
schaffen will und des litterarischen Zigenners, der das Leben in vollen?
erwachende Frau dem Liebhaber das lan#e verweigerte Versprechen gibi,
Zügen genießen will, dazu der vollgefüllt= Sack geistreicher Literatur¬
ihn abends beluchen zu woll n. Man weiß nicht recht, was man aus dies m
bosheiten. Alles in allem; ein sehr glücklicher Abend, der für viele
merkwürdigen Capriecio machen soll. Ist es eine neue Variation auf
Fehlschläge dieses Winters entschädigen konnte!
das Thema den der S#elenwanserung? Oder von der sich durch die
Jahrhunderte gescinangen Lust am Betrügen des Ewig=Weiblichen?
Jedenfalls#st ons Stuck effeklvoll und fesselnd. Ungleich höher, 1