II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 43

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gestnen einen Arthur Sih #lend. in nndn
vier Einaktern, die unter dem Gesammttitel „Lebendige Stun¬
den“ zusammengefaßt waren, kam der beliebte Antor zu Worte.
Wollte man den Erfolg desends nach der Stärke des
Applauses beurtheilen, man müßte von einem großen Erfolge sprechen,
und Niemand wird es dem Antorsverübeln, wenn ihn dieser starke
Applaus in einen Freudenrausch versetzt hat. Auf einen Rausch pflegt
aber der Jammer zu folgen, und wir fürchten gar sehr, daß dieser Jammer
auch diesmal nicht ausbleiben, und daß Herr Schnitzler zu der Einsicht
gelangen wird, daß es nur ein Talmierfolg war, den ihm seine
„guten“ Freunde am Premierenabend dadurch vorgetäuscht haben,
daß sie nach jedesmaligem Fallen des Vorhangs gar gewaltig
die Hände rührten. Da erwies sich die Direktion als viel
klüger und diplomatischer. Gestützt auf ihre Erfahrung hatte sie die
einzelnen Stücke genan nach ihrein Werth, d. h. nach ihrer Bühnen= us
wirksamkeit abgeschätzt und dann den Abend mit dem schwächsten beginnen
und mit dem wirksamsten schließen lassen. Und das Publikum war der das
Direktion für diese Reihenfolge dankbar. Der wirksamste der Einatter den
war nämlich ein Schwank! So konnte man Ende des Stückes doch
einmal aufathmen und fröhlich sein, und das that wohl, nachdem man
dem Autor willig durch drei Stücke gefolgt war, von denen jedes die
seinen Todten hat; ob freilich auf diese drei Todten der Generaltitel
1on¬
„Lebendige Stunden“ zurückzuführen sein dürfte, ist dem Antor nicht #ng")
gelungen, dem Publikum ganz klar zu machen.
eben
Doch gehen wir nun zu den Todten selbst über. Im ersten Stück,
mgen
dem Schauspiel „Lebendige Stunden“ ist's eine Hofräthin.
Wir lernen die Dame nicht mehr persönlich kennen, sondern nur
ihren Sohn und ihren Freund. Wohl aber erfahren wir,
daß sie nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Sie
litt an einer unheilbaren Krankheit; es konnte einmal
sehr schnell mit ihr Ende gehen
ebensogut aber konnte es
noch zwei, drei Jahre dauern. Sie sah, daß ihr Sohn, ein Dichter,
durch die Pflege, die er ihr widmete, in seinem Berufe zurückkum.
So opferte sie sich denn, indem sie ihren Leiden durch eine über¬
große Dosis Morphium ein Ende machte. Ihren Freund setzte sie
durch einen Brief davon in Kenntniß, daß ihr Tod ein
Opfertod gewesen — selbstverständlich „unter
Diskretion“.
Dieser Freund ist aber indiskret geung, dem Sohn das
Geheimniß zu verrathen, ohne diese Gemeinheit genügend zu
motiviren. Dem Sohn bleiben nur zwei Möglichkeiten übrig, ent¬
weder der Mutter in den Tod zu folgen oder durch seine Arbeiten
zu beweisen, daß seine Mutter das Opfer nicht umsonst gebracht.
Welchen der beiden Wege er wählt, überläßt der Autor dem Publikum,
zu errathen.
In dem zweiten Stück, dem Schauspiel „Die Frau mit de
Dolche“ ist der Todte ein verliebter Maler. Der Einakter spielt
seinem ersten und letzten Theile in der Gegenwart, in seinem zweiten
Theile dagegen ein paar Jahrhunderte früher. Frau Pauline um
Leonhard haben sich in einem Saale der Gemäldeausstellung ein
Rendezvons gegeben. Dort hängt ein Bild „Die Frau mit dem Dosche“
von einem unbekannten Maler des sechzehnten Jahrhunderts. Die Frau
mit dem Dolche trägt unverkennbar Vaulinens Züge, und bei ihrem
Liebesgeplänkel mit Leonhard ist's ihr mit einem Male, als habe sie
die nämliche Situation schon einmal erlebt. Sie verfällt in tiefes
Sinnen, die Bühne verdunkelt sich, und als es wieder hell
wird, sehen wir die Beiden im Atelier des Malers
Remigio zur Florenz wieder: Paula als dessen Gemahlin,
Leonardo als des Meisters Schüler. Leonardo hat, wähnend
der Meister abwesend war, Paulas Gunst genossen, und diese gesteht
dem Gatten bei seiner Rückkehr ihr Vergehen. Remigio verschmäht
es, den Schüler zu strafen, doch Pauka thuk's, indem sie ihm den
Dolch in die Brust stößt. Diesen Moment hält der Meister in seinem
Gemälde fest: die Frau mit dem Dolche! Wieder verdunkelt sich die
Szene, und als es wieder hell wird, finden wir Leonhard und Pau¬
line wieder im Salon der Gemäldrausstellung, Pauline aus ihrem
tiefen Sinnen erwachend. Man sollte meinen, aus der Vision, die sie
gehabt, sollte sie nun die Nutzanwendung ziehen. Aber nein, sie ist
leichtsinnig genug, dem Geliebten für den Abend ihr Kommen zu
versprechen.
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Der dritte Todte wird uns in dem Schauspiel „wieletzte
Maske“ versetzt. Hier ist's einzarmer Joninalist, der's in seinem
Leben zu nichts Besonderem gebracht hat. Sein ehemaliger Freunh
Weihgast hat mehr Glück gehabt als er, und gegen diesen richtet sich
daher sein ganzer Haß. Als der Journalist im Krankenhaus sein
letztes Stündlein gekommen fühlt, hat er kein sehnlicheres
Verlangen, als seinem übervollen Herzen dem Verhaßten
gegenüber noch einmal Laft zu machen. Sein letzter Wunsch,
Weihgast noch einmal sprechen zu können, soll ihm erfüllt
werden: Weihgast wird herbeigeholt. Doch noch ehe dieser kommt,
erfährt der Zuschauer, was der Journalist ihm vorzuwerfen hat;
einem Leidensgefährten, einem Schauspieler, hätt er gewissermaßen
zur Probe, die Strafpredigt, die er dem Verhaßten zugebacht. Und
als dieser dann selbst kommt, ist er so benommen, so verschüchtert,
daß er kein Sterbenswörtchen über die Lippen bringt. Weihgast
geht wieder, und der Journalist stirbt ohne Haß, ohne Groll.
Im vierten Stück endlich, dem Schwank „Literatun“ haben
wir es — Gott sei Dank! — nur mit Lebenden zu thun. Es ist ein
munteres Stück mit allerlei köstlichen Einfällen, von denen der
hübscheste wohl der ist, daß eine junge Schriftstellerin in ihrem neuesten
Roman den Briefwechsel, den sie mit einem früheren Geliebten geführt,
verwerthet hat, und daß dieser Geliebte ebenfalls einenRoman ge¬
schrieben und den nämlichen Gedanken gehabt hat. Daß der Verlobte
der jungen Schriftstellerin beide Nomane in die Hände bekommt,
erhöht den Reiz der Situation, doch kommt er zum Glück nicht dazu,
sie zu lesen, so daß die hübsche Idee auch noch zu einem befriedigenden
Schlusse führt.
Der einmüthige Applaus, der dem letzten Stücke zu Theil wurde,
war ein wohlverdienter, während bei den ersten Einattern, wie
bereits angedentet. ein gut Theil auf das Konto guter Freunde des
Verfassers zu setzen sein dürfte; ob mit Recht, wird wohl bereits
die allernächste Zukunft entscheiden. Berechtigt war der Beifall ohm
Einschränkung, soweit er der Darstellung galt; diese kann mit einen
summarischen Lob bedacht werden. Besonders erwähnt mögen Fräulen
Triesch und die Herren Reichardt, Rittner, Fischer un
Bassermann sein.
AShan