II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 51

16.1. Lebendige Stunden zyklus
Meisters hängt, das eine Frau mit dem Dolche darstellt. Der Galan, dem
ste das für den Abend begehrte Stelldichein noch hartnäckig verweigert,
weist auf die frappante Aehnlichkeit der Dame seines Herzens mit jenem
Weibe vor ihnen auf der Leinewand hin. Während sich Pauline immer
selbstvergessener in die Betrachtung des Bildes versenkt, fällt sie in
einen traumähnlichen, hellseherischen Zustand. Die Szene wandelt sich,
und wir sehen das Florenz des Zeitalters der Medici vor uns.
Paola, die Gattin des Malers Remigio, die diesem in der ver¬
flossenen Nacht die eheliche Treue mit Leonardo, seinem Schüler, ge¬
brochen, harrt der Rückkunft des Gemahls. Sie beichtet ihm
die Schuld, Leonardo begehrt vom Meister den Tod. Der aber hat
ntur Verachtung für ihn und weist ihm die Thür. Leonardo schwört
Nache für die Schmach, da trifft ihn der Dolch Paolas. Während
diese noch mit gezücktem Messer vor dem sterbenden Liebhaber steht,
schreitet Remigio zur Staffelei; er hat für die Frau dort
auf dem noch unvollendeten Bilde jetzt die richtige Geste ge¬
funden ... Wir sind wieder im Bildersaal, Pauline erwacht
kus einer Ohnmacht, Leonhard ist noch immer bei ihr, ein kurzes
Bedenken und sie giebt ihm die Zusage zum gewünschten Rendezvous.
Vom Dichter ist das alles gewiß sehr hübsch gedacht, die szenische Wirkung
aber bleibt aus, es fehlt die Kraft der dramatischen Gestaltung. Daß
Schnitzler in glücklichen Stunden über eine solche verfügt, zeigt die
Tragikomödie „Die letzten Masken“. Wird man über die
beiden besprochenen Stücke rasch zur Tagesordnung übergehen, so ver¬
dient dieser dritte Einakter als eine schätzenswerte Bereicherung unseres
Bühnenrepertoires alle Beachtung. Die mit geistvoller Satire reich ver¬
setzte Handlung spielt im Zimmer eines Wiener Krankenhauses. Ein alter,
im Elend verkommener Journalist liegt im Sterben. Noch einmal vor seinem
Tode will er, das so bitter verkannte Genie, seinen vom Glück unverdient““
begünstigten Jugendfrtund, den berühmten Schriftsteller Weihgast, sehen.“
Seinen im Busen so lange genährten Haß will er ihm mit
Vor einem Mitkranken, eineme
voller Wucht entgegenschleudern.
er eine Art Generalprobe
schwindsüchtigen Komiker, hält
aber den
berühmten Mann in seiner
ab. Als
aufgeblasenen Erbärmlichkeit vor sich sieht, da wird er mit einem Male
milder gestimmt. Er erkennt die Nichtigkeit solchen Daseins und
schweigend stirbt er. Das Ganze ist ein glücklicher Wurf, die Charakte¬
ristik der drei Hauptpersonen von echter Lebenswahrheit, die Szene geschickt
geführt und dabei knapp gehalten. Der Eindruck war von packender Gewalt.
Einen wirkungsvollen und heiteren Abschluß gab dem in seiner zweitens
Hälfte so anregenden Abend der Schwank „Litteratur“ eine höchst
witzige Satire auf allerhand Litteratentum. Das Leben des Bohemien
ist in ihm mit tollster Laune geschildert, die Zeichnung der ver
schiedensten Typen prächtig gelungen. Es war ein Treffer ins Schwarz
der für voraufgegangene Enttänschungen reichlich entschädigte. D#s
Bublikum schien das Mißlungene, das die Vorstellung zeitigte, de
such schnell vergessen zu haben und zeichnete den anwesenden Dichts zu
guterletzt durch wärmsten Beifall aus.
Vermnischtes.
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Marconi über die Möglichkeiten der drahtlosen
Telegraphie. Der Erfinder der drahtlosen Telegraphie äußert sich
jetzt selbst in einem interessanten, natürlich optimistischen Aufsatz, den
er im „New=York Herald“ veröffentlicht, über die Möglichkeiten der
drahtlosen Telegraphie folgendermaßen: „Es ist fast sicher, daß die
Einzelheiten von König Eduards Krönung von London nach New=York
durch drahtlose Telegraphie befördert werden können. Wenn die anglo¬
amerikanische Telegraphengesellschaft jetzt nicht versuchte, mnich daran zu
verhindern, mit meinem System in Neufundland zu arbeiten, würde ich
behaupten, daß das Ereignis so berichtet werden wird. Es handelt
sich nur darum, die nötigen Stationen zu bauen.Meine Fähigkeit,
drahtlose Zeichen über den Atlantischen Ozeau zu übermitteln,
steht nicht länger in Frage; es müssen nur die entsprechenden
Apparate beschafft werden. Innerhalb eines Vierteljahres kann ich
nliche Station in St. Johns, Neufundland, und eine dritte in
Massachnselts=bet=Cape=Cod. inl der Nähe gebatt haben. Mit diesen
drei Stationen kann die alte und die neue Welt verbunden werden#
Die Entfernung von Cornwall nach St. Johns beträgt 180 englische
Meilen, die von St. Johns nach Cape Cod 1200 Meilen. Wenige
#meiner Kollegen glaubten es, daß es möglich wäre, eine drahtlose
Depesche von England nach Amerika zu senden; aber ich habe niemals
daran gezweifelt und bin im Gegenteil etwas enttäuscht, daß die er¬
haltenen Zeichen nicht stärker waren. Was die besondere zukünftige
Entwicklung des Systems betrifft, so glaube ich, daß es in naher Zu¬
kunft an Stelle der beabsichtigten Pacific=Kabel treten wird. Durch
drahtlose Stationen in Seattle, Vanconver, Fanning Island 1
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