II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 74

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16.1. L. ge St1
—1Zyklus
bittet um seinen Tod. Remigio weigert es, der Jüng¬
nachzutrauern, der junge, um sich selbst zu beweisen,
ling ist ihm zu gering, die betrügende Frau weckt nur
daß die Mutter sich nicht umsonst geopfert habe. Viele
seine Verachtung, nicht seinen Zorn. Diese Geringschätzung
seine Worte und ein eigener Stimmungszauber zeichnen
versetzt Paola in Raserei, und als Leonardo mit dem
das kleine, in einem herbstlichen Garten sich abspielende
Schwure, Remigio zu töten, wo er ihn wieder treffen
Stückchen aus. Die These ist aber zu gekünstelt auf¬
wird, forteilen will, stößt Paola ihn nieder. Remigio
gestellt und lag dem Gedankengang der meisten zu
aber sieht nichts als die grandiose Handbewegung seiner
fremd, als daß ein rechtes Mitgehen sich hätte ent¬
Frau mit dem Dolche, er ergreift Pinsel und Palette,
wickeln können. Die Wiener Schule, deren bedeutendster
um das halbvollendete Bild seiner Gattin nach der so¬
Führer Schnitzler zur Zeit ist, liebt es, Fragen über
eben vollendeten Auregung zu vollenden.
das Seelenleben des Künstlers zum Ausgangspunkt
Die Schleier heben sich wieder, die Pauline des
ihrer Erörterungen zu machen. Dem Berliner Publi¬
zwanzigsten Jahrhunderts steht von der Bank im Meseum
lum ist das aber oft zu manierirt und fremd.
auf, sie geht hinaus und verspricht dem jungen Leonard,
Schon aus diesem Grunde vermochte auch „Die
den Abend zu ihm zu kommen. Dieser Ausgang wäre
Frau mit dem Dolche“ nur laues Interesse zu erwecken.
völlig unmotivirt, wenn Schnitzler nicht hat zeigen
Hinzu trat hier freilich noch der gewagte spanische Trik,
wollen daß alles seinen unabänderlichen Weg geht;
der Unbehagen schuf. Pauline, die Frau eines be¬
ob er freilich gut gethan hat metempsychische Ideen
deutenden Dichters, hat sich mit dem jungen Leonhard
heranzuziehen ist, zweifelhaft. Hier versagte das Ver¬
ein Rendezvons vor einem Bild aus der Florentiner
ständniß des Publikums. Die Seelenwanderung ist eine
Schule des fünfzehnten Jahrhunderts im Museum ge¬
zu abstralte philosophische Lehre, als daß sie ohne
geben. Der junge Mann möchte ihr zeigen, daß sie
weiteres zur Erklärung unmotivirter Entschlüsse
eine frappante Aehnlichkeit mit der Florentinerin, die
einer komplizirten modernen Frauennatur dienen
in kühner Pose den Dolch hebt, hat. Aber daneben
könnte. Auch steht das Aufrollen tiefster Pro¬
möchte er auch ihre Tugend ins Wanken bringen und
bleme nicht im rechten Verhältniß zu den Dingen,
aus dem bisherigen Flirt heraus in ihr den Entschluß
die uns veranschaulicht werden sollen. Das Ueberflüssige
zum letzten Schritte wecken. Pauline weist ihn ab.
ist aber auf der Bühne steis auch das Tödliche. Wenn
Selbst der Hinweis, daß ihr Gatte in seinem am Vor¬
also hier Schnitzler die metaphysischen Räthsel nicht
abend aufgeführten Drama ihre intimsten Stunden der
ebenso dem Bühnengebilde einzuordnen vermochte, wie
Oeffentlichleit preisgegeben hat, macht sie nicht irre.
in seinem „Paracelsus“ oder wie die Hypnose in einem
Sie begreift, daß dem schaffenden Künstler alles zum
der reizenden Einatter des „Anatolcyklus“, so bietet
Kunstwerk sich gestalten muß, wenn anders er ein echter
e „Frau mit dem Dolche“ doch viel Interessantes.
Künstler ist. Und sie vergeht vor hingebender Bewunderung
Vor allem in technischer Hinsicht das dorpor ngöreger,
ihres Mannes, mit Leonard verknüpft sie nur das rein
das zeitlich spätere Ereignisse vorausnimmt, indem das
sexuelle Moment. Während sie aber dem jungen Mann
Florentiner Zwischenspiel den Ausgang nach der Liebes¬
mittheilt, daß sie ihrem Manne sein Werben gestanden
nacht zeigt, während Pauline sich noch vorher befindet
habe, daß er deshalb mit ihr am anderen Morgen ver¬
(ein Versuch, den meiner Erinnerung nur Tolstoj in
reisen werde, während er sie beschwört, die letzte Nacht
der „Macht der Finsterniß“ schon gemacht hat,) dann
mit ihm zu verbringen, geht ein seltsamer Prozeß in
aber besonders die mit wenigen Worten charakterisirte
ihr vor. Ihr ist, als ob sie dies alles schon einmal
Erscheinung des Remigio, des Künstlers per se. Trotz¬
erlebt, als sei die Frau mit dem Dolche sie selbst, der
dem aber blieb das Stück nur durch die ebenso ver¬
tote Körper im Schatten auf dem Gemälde Leonard.
tändnißvolle, als scharf gestaltende Darstellungskunst
In halber Betäubung setzt sie sich und über das Bühnen¬
des Frl. Triesch vor der völligen Ablehnung bewahrt.
bild senken sich Schleier, die Szene wird verfinstert.
der
Mit diesen drei Schauspielern hat
Dann sehen wir Pauline als Paola, die Gattin des
Schwank „Litteratur“, der den Abschluß des
berühmten Malers Remigio, im Gespräch mit dem
Abends bildete, zweierlei gemeinsam, da auch er das
jungen Leonardo, dem sie die letzte Nacht angehört
Verhältniß des Künstlers zu seiner Umwelt beleuchtet,
hatte. Aber nur Sinnenlust hatte die schöne Floren¬
und da es sich auch in ihm um ein Geheimniß einer
tinerin in seine Arme getrieben; als ihr Gatte Remigio
Frau dreht, das dem Hauptbetheiligten bekannt gemacht
zurückkehrt, gesteht sie ihm alles, und Leonardo selbst
wird oder werden soll. Marg
Hochzeit mit dem Turf
will
heirathen, ob
„jüd
schiedene Frau
was das Schlimmste
Sie hat einen Band liebestrun
die Gewißheit aber, daß es
beruhigt den Baron. Aber de
und der blauen Tinte droht G
heimlich noch einen Roman geschr
ist und vorm Erscheinen steht.
vernichten. Das Wiederauftau
Münchner Zeit zwingt sie
Roman geschrieben und in bei
Briefwechsel der beiden vor, di
würde, daß jene Verse nicht
Köstlich sind diese beiden Litera
die selbst in den Momenten
Ausschlachtung ihres eigenen
Die Frau, die ihre anscheinet
worfenen Briefe vorher ausge
Abschriften zurückbehalten
Sprechen und
Empfinden,
Caféhausruh
Moloch des
de littératuree sagt der F
löst sich in Wohlgefallen auf.
willigt Margarethe in das
Auflage ihres Werkes, das
Baron sich vom Verleger beso
ins Feuer und tief gerührt üh
Sieg der Liebe über den Ehr
in seine Arme.
Selten haben derartige
Richtung nach ernsteste deutsch
durchweht, wie bei diesem Sch
fast jede der mit wienerischer
ein Schlager; und die Darst
mann als Baron, haben ge
anderes zu spielen vermögen
im Deutschen Theater unter ##