16.1. Lebendige Stunden zyklus
Goldschy,
Bureau für 4.
9
gusschnitte und Verlag
nschaftlichen Revue.
Auguststr. 87 part.
i Amt III. No. 3051.
Ausschnitt
P
MER
berühmten Schriftsteller Weihgast zu holen, er fühlt,
daß seine Minuten gezählt sind, und er hat dem vom
Glück begünstigten ehemaligen Freunde noch etwas zu
sagen. Während Weihgast geholt wird, erzählt Rade¬
macher dem Schauspieler, was er noch auf dem Herzen
dige Stunden.
hat. Er haßt diesen Weihgast, der nicht mehr kann
rthur Schuitler.
als er, und doch zur Höhe kam, während er
Berlin, den 5. Januar.
selbst immer tiefer sank. Die ganze schmerzliche
Ohnmacht des Proletariers der Kunst, der in seiner
glogie, die gestern Abend im
eErstaufführung erlebte, ist in
Schreibtischschublade die seiner unsicht nach unsterblichen
I mit dem Satyrspielzum Schluß
Meisterwerke begraben mußte zusammen mit tausend toten
irthig. Aber ein Stück ist darunter,
Hoffnungen, konzentrirt sich in giftiger Wuth gegen den
das so überragend gegenüber
alten Freund. Seine Hohlheit und Schaumschlägernatur
hat nicht nur er selbst erkannt, nein, auch Weihgast's
der letzten Jahre ist, daß man um
Frau, die in den Armen des verkannten Zeilenschinders
ichtes in den Kauf nehmen könnte.
ob „Die letzten Masken“ überall
zwei Jahre lang Rettung suchte vor der verzweifelten
zen gleichen, tief ergreifenden Ein¬
Erkenntniß der inneren Unbedeutendheit ihres Mannes.
Das wird er ihm ins Gesicht schleudern — und wenn
wie gestern bei dem Publikum,
er es nicht glaubt, dann soll der Schauspieler ihm die
ist, auf die feinsten Intentionen
ischen Theaters zu achten. Es ist
beweisenden Briefe zeigen, die im Schreibtisch liegen
bei den Meisterwerken. Zum Dank dafür soll er Erbe
b irgendwo zur Zeit noch ein
dieser Werke werden, „für deren Anerkennung vielleicht
Ahardt existirt, der über die
nichts fehlt, als daß ich sterbe .
ficke mit seiner großen mimischen
Weberall aber, wo nachdenkende
Weihgast kommt. Er begrüßt den Sterbenden mit
süßer Freundlichkeit. Er macht ihm Vorwürfe, daß er
in stillen Stunden lesen werden,
sich nicht an ihn gewandt hat. Aber wenn er wieder
dem Geist verspüren, der über
Abt und der den Menschen befreit,
gesund ist, was ja bald der Fall sein werde, dann
Land
vollen
gehen.
0
t der Erdenfesseln erweist.
zusammen aufs
eine Frau wird sich freuen, die Kinder,
por seinem Eintritt in die Lite¬
Spital war und in der fein¬
die schon ganz fertige Menschen sind, auch. Und
irben“ schon einmal aus seiner
der Sterbende sieht ihn an, kämpft mit sich, setzt an,
ihm alles zu sagen, und schweigt noch. und dann spricht
keit ein Motiv darstellte, führt
Weihgast von sich, seinen Erfolgen und Enttäuschungen,
des Wiener Allgemeinen Kranken¬
##er, ##st der Führer der Jungen, jetzt selbst schon
ende Wärterin schreibt an einem
en Eisen geworfen wird. Preßklatsch und
von einem lungenkranken Schau¬
Klignewesen, der Inhalt seiner Tage, breitet sich vor
sicht nach in der Rekonvalescenz
Rademacher aus. Und Weihgast vergleicht ihre Loose
Lust und Laune an die Erfolge
und etwas wie Neid spricht aus seinen Worten. Der
kkeit denkt, mit kleinem nörgeln¬
Sterbende aber schweigt. Noch einmal flackert die
Fritikern und
seinen Feinden —
Wuth in iym auf — aber dann stockt er und erklärt,
Dieser vorzüglich beobachtete
er habe nur Abschied nehmen wollen von dem alten
ohlen Pathos, seiner Schauspieler¬
Freunde. Die zugemessene Zeit ist abgelaufen, der
ganz angefüllt mit dummen
Arzt holt Weihgast ab, und der neugierige Schauspieler
eben in das trübe Krankenhaus¬
kommt wieder herein. Im Hinausgehen erzählt der Arzt
sogar durch eine hingeworfene
Weihgast, daß er dem Schauspieler so viel Freiheit
hisch im Lehnstuhl gelagerten, er¬
gewähre, weil er höchstens noch eine Woche zu
fallenen Journalisten Rademacher
Kranken
leben habe. Dann sind die beiden
Interessen dieser Welt zurückzu¬
wieder allein. Und nun kommt eine wunder¬
bittet den amtirenden Arzt den
box 21/2
Sae
volle Szene: Rademacher stellt sich vor, wie
Weihgast hinunter geht, zum Leben zurück, und er hier
sterben muß. Was hat er noch gemein mit dem Manne,
der dem nächsten Tag noch leben wird? Was hat er
überhaupt mit dieser rastlosen, kämpfenden, neidischen
und ungerechten Welt gemein? Die Erhabenheit des
Todes verklärt sein Gesicht, löst seine Gedanken von
Erdenhaß und von den Sehnsuchten der Irdischkeit.
Die Briefe sollen verbrannt werden, die Meisterwerke
sollen ins Feuer wandern, alles ist gleichgültig; es
giebt keine Gemeinschaft zwischen der heiligen Ruhe##
des Todes und den Forderungen des Lebens. Ruhm,
Nachruhm, Erfolg, Glück — im Augenblick des Todes
ist alles eitel . . . Und er stirbt.
das Wort ist zu arm, um die unsichtbaren
Schwingungen, die das Stück in den Seelen der Zu¬
schauer auslöste, zu schildern. Nichts ist neu in diesen
Gedanken. Aber die unendlich sensitive Art mit der
Schnitzler die alten Gedanken vorträgt, oft nur ange¬
deutet, halbverschleiert, ist von bestrickender Wirkung.
Das Leben ist ein ewiger Maskenball, nie zeigt
sich das wahre Gesicht der Dinge. Konvention, Pietät,
Gefühl und wie alle die Ausreden gegen die brutale
Wahrheit sich nennen mögen, halten uns vom ersten
Tage dämmernden Bewußtseins bis zum letzten Röcheln
gefangen. Die letzten Masken hebt nur der Tod selbst,
das gebrochene Auge ist wahr, das schauende aber und
der sprechende Mund lügen. Alle in diesem Stücke
täuschen sich selbst und den anderen etwas vor, und
dieses Täuschen ist ein ehernes Muß, dem auch
Rademacher's Wuth unterliegt. Mit einer höflichen
Täuschung, einer verbindlichen Lüge geht er in die
Ewigkeit, aber er erkennt noch, daß diese Unwahr¬
haftigkeit aller gegen alle das Leben selbst ist.
Ein melancholischer Skeptizismus. Er ist auch
über das erste Schauspiel, das dem Cyklus auch den
Gesammtnamen gegeben hat: „Lebendige Stunden“,
gebreitet. Eine Mutter hat ihr Leben und Leiden
freiwillig geendet, um dem Sohne, den ihre Krankheit
ähmt, Raum und freie Bahn zum dichterischen Schaffen
zu geben. In erregter Auseinandersetzung theilt der alte
Freund der Mutter dem Sohne das mit. Er macht
ihm einen Vorwurf daraus, daß er mit seinem Trachten
nach der Kunst die lebendigen Stunden seiner Mutter
verkürzt hat. Er will den Hochmuth nicht gelten
lassen, dem jedes Erleben nur unter dem Gesichtspunkt
der künstlerischen Intuition von Bedeutung ist. Sie
gehen auseinander; der alte Mann, um der Toten
Goldschy,
Bureau für 4.
9
gusschnitte und Verlag
nschaftlichen Revue.
Auguststr. 87 part.
i Amt III. No. 3051.
Ausschnitt
P
MER
berühmten Schriftsteller Weihgast zu holen, er fühlt,
daß seine Minuten gezählt sind, und er hat dem vom
Glück begünstigten ehemaligen Freunde noch etwas zu
sagen. Während Weihgast geholt wird, erzählt Rade¬
macher dem Schauspieler, was er noch auf dem Herzen
dige Stunden.
hat. Er haßt diesen Weihgast, der nicht mehr kann
rthur Schuitler.
als er, und doch zur Höhe kam, während er
Berlin, den 5. Januar.
selbst immer tiefer sank. Die ganze schmerzliche
Ohnmacht des Proletariers der Kunst, der in seiner
glogie, die gestern Abend im
eErstaufführung erlebte, ist in
Schreibtischschublade die seiner unsicht nach unsterblichen
I mit dem Satyrspielzum Schluß
Meisterwerke begraben mußte zusammen mit tausend toten
irthig. Aber ein Stück ist darunter,
Hoffnungen, konzentrirt sich in giftiger Wuth gegen den
das so überragend gegenüber
alten Freund. Seine Hohlheit und Schaumschlägernatur
hat nicht nur er selbst erkannt, nein, auch Weihgast's
der letzten Jahre ist, daß man um
Frau, die in den Armen des verkannten Zeilenschinders
ichtes in den Kauf nehmen könnte.
ob „Die letzten Masken“ überall
zwei Jahre lang Rettung suchte vor der verzweifelten
zen gleichen, tief ergreifenden Ein¬
Erkenntniß der inneren Unbedeutendheit ihres Mannes.
Das wird er ihm ins Gesicht schleudern — und wenn
wie gestern bei dem Publikum,
er es nicht glaubt, dann soll der Schauspieler ihm die
ist, auf die feinsten Intentionen
ischen Theaters zu achten. Es ist
beweisenden Briefe zeigen, die im Schreibtisch liegen
bei den Meisterwerken. Zum Dank dafür soll er Erbe
b irgendwo zur Zeit noch ein
dieser Werke werden, „für deren Anerkennung vielleicht
Ahardt existirt, der über die
nichts fehlt, als daß ich sterbe .
ficke mit seiner großen mimischen
Weberall aber, wo nachdenkende
Weihgast kommt. Er begrüßt den Sterbenden mit
süßer Freundlichkeit. Er macht ihm Vorwürfe, daß er
in stillen Stunden lesen werden,
sich nicht an ihn gewandt hat. Aber wenn er wieder
dem Geist verspüren, der über
Abt und der den Menschen befreit,
gesund ist, was ja bald der Fall sein werde, dann
Land
vollen
gehen.
0
t der Erdenfesseln erweist.
zusammen aufs
eine Frau wird sich freuen, die Kinder,
por seinem Eintritt in die Lite¬
Spital war und in der fein¬
die schon ganz fertige Menschen sind, auch. Und
irben“ schon einmal aus seiner
der Sterbende sieht ihn an, kämpft mit sich, setzt an,
ihm alles zu sagen, und schweigt noch. und dann spricht
keit ein Motiv darstellte, führt
Weihgast von sich, seinen Erfolgen und Enttäuschungen,
des Wiener Allgemeinen Kranken¬
##er, ##st der Führer der Jungen, jetzt selbst schon
ende Wärterin schreibt an einem
en Eisen geworfen wird. Preßklatsch und
von einem lungenkranken Schau¬
Klignewesen, der Inhalt seiner Tage, breitet sich vor
sicht nach in der Rekonvalescenz
Rademacher aus. Und Weihgast vergleicht ihre Loose
Lust und Laune an die Erfolge
und etwas wie Neid spricht aus seinen Worten. Der
kkeit denkt, mit kleinem nörgeln¬
Sterbende aber schweigt. Noch einmal flackert die
Fritikern und
seinen Feinden —
Wuth in iym auf — aber dann stockt er und erklärt,
Dieser vorzüglich beobachtete
er habe nur Abschied nehmen wollen von dem alten
ohlen Pathos, seiner Schauspieler¬
Freunde. Die zugemessene Zeit ist abgelaufen, der
ganz angefüllt mit dummen
Arzt holt Weihgast ab, und der neugierige Schauspieler
eben in das trübe Krankenhaus¬
kommt wieder herein. Im Hinausgehen erzählt der Arzt
sogar durch eine hingeworfene
Weihgast, daß er dem Schauspieler so viel Freiheit
hisch im Lehnstuhl gelagerten, er¬
gewähre, weil er höchstens noch eine Woche zu
fallenen Journalisten Rademacher
Kranken
leben habe. Dann sind die beiden
Interessen dieser Welt zurückzu¬
wieder allein. Und nun kommt eine wunder¬
bittet den amtirenden Arzt den
box 21/2
Sae
volle Szene: Rademacher stellt sich vor, wie
Weihgast hinunter geht, zum Leben zurück, und er hier
sterben muß. Was hat er noch gemein mit dem Manne,
der dem nächsten Tag noch leben wird? Was hat er
überhaupt mit dieser rastlosen, kämpfenden, neidischen
und ungerechten Welt gemein? Die Erhabenheit des
Todes verklärt sein Gesicht, löst seine Gedanken von
Erdenhaß und von den Sehnsuchten der Irdischkeit.
Die Briefe sollen verbrannt werden, die Meisterwerke
sollen ins Feuer wandern, alles ist gleichgültig; es
giebt keine Gemeinschaft zwischen der heiligen Ruhe##
des Todes und den Forderungen des Lebens. Ruhm,
Nachruhm, Erfolg, Glück — im Augenblick des Todes
ist alles eitel . . . Und er stirbt.
das Wort ist zu arm, um die unsichtbaren
Schwingungen, die das Stück in den Seelen der Zu¬
schauer auslöste, zu schildern. Nichts ist neu in diesen
Gedanken. Aber die unendlich sensitive Art mit der
Schnitzler die alten Gedanken vorträgt, oft nur ange¬
deutet, halbverschleiert, ist von bestrickender Wirkung.
Das Leben ist ein ewiger Maskenball, nie zeigt
sich das wahre Gesicht der Dinge. Konvention, Pietät,
Gefühl und wie alle die Ausreden gegen die brutale
Wahrheit sich nennen mögen, halten uns vom ersten
Tage dämmernden Bewußtseins bis zum letzten Röcheln
gefangen. Die letzten Masken hebt nur der Tod selbst,
das gebrochene Auge ist wahr, das schauende aber und
der sprechende Mund lügen. Alle in diesem Stücke
täuschen sich selbst und den anderen etwas vor, und
dieses Täuschen ist ein ehernes Muß, dem auch
Rademacher's Wuth unterliegt. Mit einer höflichen
Täuschung, einer verbindlichen Lüge geht er in die
Ewigkeit, aber er erkennt noch, daß diese Unwahr¬
haftigkeit aller gegen alle das Leben selbst ist.
Ein melancholischer Skeptizismus. Er ist auch
über das erste Schauspiel, das dem Cyklus auch den
Gesammtnamen gegeben hat: „Lebendige Stunden“,
gebreitet. Eine Mutter hat ihr Leben und Leiden
freiwillig geendet, um dem Sohne, den ihre Krankheit
ähmt, Raum und freie Bahn zum dichterischen Schaffen
zu geben. In erregter Auseinandersetzung theilt der alte
Freund der Mutter dem Sohne das mit. Er macht
ihm einen Vorwurf daraus, daß er mit seinem Trachten
nach der Kunst die lebendigen Stunden seiner Mutter
verkürzt hat. Er will den Hochmuth nicht gelten
lassen, dem jedes Erleben nur unter dem Gesichtspunkt
der künstlerischen Intuition von Bedeutung ist. Sie
gehen auseinander; der alte Mann, um der Toten