II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 79

In
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16.1. Lebendige Stunden „vKiuS


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ah.urter Zeitung
6 : JAl 1902
dert, der Dialog sagt die Empfindungen direkt heraus, als spräche; seinem Jugendfreunde und glücklichen Rivalen, dem berühmten k#
man das, was man denkt, als bestände keine Scheu vor der Em¬Tichter, noch einmal all seinen Haß ins Gesicht schreien, will ihm
lagen, daß er seine Frau verführt, daß sie nur ihn geliebt habe.
pfindungswelt des Anderen.
Feuilleton.
In „Die Frau mit dem Dolche“ ist das Problem] Und der Andere kommt wirklich und — die Maske fällt nicht,
sie sprechen lieben ördig über „leichgiltige Dinge, und der
wiederholt, aber schon ist es tiefer angegriffen, etwas lebendiger
gefeierte Port sit in seiner kleinen Ichsucht behaglich lächelnd
gestaltet. Doch bleibt auch diesem Rahmenspiel ein theoretischer
neben dem Bett des sterbenden Mannes. Mit ganz einsachen
Beigeschmack. In einer Museumsgalerie gibt sich die Frau eines
Berliner Theater.
Mitteln ist das gestaltet, aber es ist auch alles in dramatische
Dichters mit ihrem Liebhaber ein Stelldichein; das Stück ihres
Entwicklung umgesetzt, jedes Geschehniß trägt zur Charakter¬
Berlin, 5. Januar.
Mannes, das gestern aufgeführt wurde, hat die Geheimnisse ihres
Offenbarung bei. Und hatte Schnitzler sich in „Lebendige Stun¬
Miteinanderlebens schonungslos enthüllt. Nun erkennt sie in dem
Schnitzler: „Lebendige Stunden (Deutsches Theater).
den“ und die „Frau mit dem Dolche“ als die seine, nachdenkliche
Bilde einer „Frau mit dem Dolche“ ihr eigenes Selbst wieder,
WEintehmmen n
Natur erwiesen, die erlesenen Stimmungen klüglich nachspürt, —
dunkle Erinnerungen an früher selbst Erlebtes werden wach. Die
und Abenteuer anderer Leute. sehe ich, wie sie ihre
so hier als einer unserer kraftvollsten Gestalter.
Scene wandelt sich —, der Zuschauer sieht das vor Augen, was
Die Aufführung des Deutschen Theaters war fast“
n.“ In diesem Wort Burtons, das Washington
jene Frau in dunklem Ahnen erschant. Das Atelier des Meisters
einem Skizzenbuch als Motto vorangesetzt hat, liegt
durchgängig gut. Es versagte nur Herr Hahn gänzlich, der
Remigio aus dem Venedig des 16. Jahrhunderts thut sich auf.
dElend des Künstlerthums beschlossen. Er steht
wohl nicht in dies Ensemble gehört. Gute Leistungen boten Herr
Meister Remigio ist verreist, und seine Frau, eben jene Frau mit
Rittner als Caféhauslitterat, Herr Reinhardt, Herr
nd das Leben hat keine Gewalt über ihn, denn seine
dem Dolche, hat ihrem Liebhaber, demselben Manne, der noch eben
in Herz gehören den Gebilben seiner Kunst. Er bleibt
Fischer. Herr Bassermann gab zwei außerordentlich
um sie warb, ihre Gunst gewährt. Aber ihr Herz weiß nichts von
ng, der ein volles Menschenloos nie auskostet, niemals
feine Charakteristilen, Frl. Triesch offenbarte ihr großes Können
dem, wonach ihre Sinne verlangten, und da Remigio heimkehrt,
in einer tragischen wie in einer komischen Rolle. Das Berliner
rf. Das Schicksal webt seine Netze auch um ihn und
sagt sie ihm, was sie gethan, und stößt den Buhlen mit ihrem
estehenden, aber das Leid, das er erfährt, wandelt sich
Publikum fängt an zu begreisen, was es an ihr besitzt. E. H.
Dolche nieder. Da Remigio sie so sieht, mit dem blutenden Dolch
off“ für seine Kunst. Man mag an Goethe denken,
in der Hand, tritt er an ihr halbvollendetes Porträt und malt und
Tod Derer, die seinem Herzen am nächsten stehen,
malt. Wieder wandelt sich die Scene, wieder stehen die beiden i
gewinnt ... Und wenn nun das Kunstwerk die Er¬
der Bildergalerie, und nun, unter dem Einbruck, daß sie ihrem
Künstlers ganz objektivirt widersviegelt, — was hat
Schicksal nicht entgehen kann, verspricht die Frau, dem Liebhabe
Schaffende dabei empfunden! Wie verhält sich die
zu Willen zu sein. Tiefer, ich sagte es schon, ist das Proble#
t, die er lebt, zu der Welt seiner Kunst, wie er selbst zu
erfaßt: etwas Bampyrhaftes ist in diesem Remigio, der aus der
Wie werden aus den großen Schmerzen die kleinen
Aufopferung seines Weibes und ihrer Schreckensthat nur eben
den Stoff saugt für seine Kunst. Wiederum aber läuft alle
Schnitzler's neue Einakter „Lebendige
Charakteristik und alle Phantastik auf ein kühles „fabula docet“)
“ geben Antwart auf diese Fragen. Neben die ge¬
hinaus, und über Jahrhunderte hinwea illustrirt die Schicksals¬
usammengehörigkeit tritt außerdem noch stoffliche Ver¬
fügung ohne feinere Psychologie ein psychologisches Theorem.
„Lebendige Stunden“ hat Schnitzler seine
In „Literatur“ hat Schnitzler selbst die Vorstellungswelt
er benannt, es ist dies gleichzeitig der Untertitel, den
des ersten Einakter kecklich parodirt, und was ihm im Ernst mi߬
ieser Stücke führt. „Lebendige Stunden? Sie leben
lang, vermochte er durchaus im heitren Spiele: da ist Leben und
änger als der Letzte, der sich ihrer erinnert. Es ist nicht
Laune und treffende Chatakteristik. Von den Dichtern und
este Beruf, solchen Stunden Dauer zu verleihen, über
Künstlern steigt man zu Caféhaus=Literaten hinab. Männlein
inaus.“ so spricht der Sohn, der seine Mutter verloren
und Fräulein hatten ein Verhältniß miteinander: die Liebesbriefe,
eser Sohn ist ein Dichter. Er hat die Krankheit der
die sie einander schrieben, haben beide zu je einem Roman ausge¬
enden mit ansehen müssen, und darüber die Fähigkeit,
schlachtet. Sie ist inzwischen ein anderes Verhältniß eingegangen,
verloren. Ihr Tod trägt etwas wie Erlösung für ihn
und das ergibt eine Verwicklung, die sich lustig abspinnt. Mußie
r weiß, nun wird er sich zu seiner Kunst zurückfinden
man den wahren Künstlern ihr Künstlerthum auf Schnitzler's
tritt er dem Mann gegenüber, der seine Mutter geliebt
Wort hin glauben: diese Caséhaus=Literaten überzeugen in sich.
it ihr lebendige Stunden lebendigen Glücks genoß. Und
Künstlerisch am belangvollsten aber ist „Die letzten Masken“.
em Leide empört es, wie der Sohn das Andenken seiner
Ursprüngliche Tragik ist mit überlegenem Humor gesehen, ein¬
ner Kunst zu opfern im Begriff steht, und er theilt ihm
fache, schlichte Charakteristik wächst sich eigenartig aus, in die
inetwegen, um dir deine Ruhe wiederzugeben, ist deie
Tiefe armer, menschlicher Herzen fällt ein Schein. An den
iwillig aus dem Leben geschieden.“ Aber auch das ver¬
„Grünen Kakadu“ fühlt man sich erinnert: das Spiel will Wirk¬
junge Dichter. — Nicht ganz ohne Stimmung ist dieser
lichkeit werden, und Wirklichkeit bringt es dennoch nur zu einem
organg gegeben. Aber so theoretisch, wie es hier stizzirt
Spiel. Im Allgemeinen Krankenhaus ist die Szene. Ein ver¬
sich die Scene auf der Bühne ab. Die Charaktere sind
oweit angedeutet, als es ihre theoretische Mission erfor¬ kommener Literat fühlt seine letzte Stunde nahe und da will er