II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 103

ten Stücke
Vorjahre
antastischen
Revolution
gelungen,
und Nach¬
Einakter¬
der Ab¬
virtuosen
so breit
und der
sicht immer
wenn der
ug, welche
Man
t gewesen,
ch wirklich
beitetes zu
Und wie
gegriffenen
ontine ge¬
an Stelle
Unsinn zu
bei welchem
kter — ein
#rden, ent¬
Das erste
hinter den
II
box 21/2
16. 1. Lebendige Stunden—ykrug
folgenden bedeutend zurück. Es wirkt durch den Ernst und die Tiefe Spitale stirbt, will vor dem Tode noch einen alten Schulfreund
der angeschlagenen Probleme, aber die Figuren bleiben allzusehr sprechen, einen hohlen, flachen Streber, dem alle die Erfolge, nach
Schattenriß, um lebhafter zu interessieren. Eine Frau, die von töd= denen er selbst gerungen, mühelos in den Schoß gefallen sind.
lichem Siechtum befallen ist, hat heimlich Gift genommen, nicht weil Wilder Neid und ziellose Bosheit schütteln den Sterbenden. Er will
sie selbst ihr Leiden nicht länger ertragen mag — denn noch immer
sich rächen, und da er selbst nicht hat glücklich sein können,
findet sie Stunden der Tröstung in der treuen Liebe eines alten
das Glück des andern in Trümmer schlagen. Jener soll
Freundes
—, sondern weil ihr Leiden als furchtbarer und
hören, daß seine Frau ihn betrogen, daß er,
der
entnervender Gram auf der Seele ihres Sohnes lastet.
Arme und Verachtete, ihre Liebe genossen hat. Aber
Er ist ein Künstler, aber seit ihre Krankheit die furchtbare Wendung
wie nun der Gehaßte erscheint, wie er mit oberflächlich ge¬
nahm, ist seine Schaffenskraft, von der die Freunde viel, das über¬
heuchelter Teilnahme zu reden anhebt, und im selbstzufriedenen
schwenglich liebende Mutterherz alles erwartet hat, gebrochen. So
singenden Tone am Lager des Sterbenden all seine armseligen
reifte der Eutschluß eines stillen, vor aller Welt verborgenen Opfer¬
kleinen Eitelkeiten wohlgefällig zur Schau stellt, da bringt der kranke
todes in ihr. Nur dem alten Freunde hat sie in der letzten Stunde
Mann kein Wort über die Lippen. Wie aus unendlicher Entfernung
geschrieben, daß sie freiwillig, daß sie aus Liebe für den Sohn ein
klingt das fade Gerede an sein Ohr. So jammervoll und kleinlich
Ende machen wolle; er soll das als unverbrüchliches Geheimnis be¬
ist das alles, daß fast ein Mitleid mit dem andern sich ihm im Herzen
wahren. Und nun stößt

das ist der Inhalt des Schnitzlerschen
regt. Das Gefühl der Majestät und der befreienden Größe des
Dramoletts — die abgrundtiefe Verzweiflung und der zornige Gram
Todes erwacht bei diesem Anblick zum erstenmal in ihm; und
des Alten, dem jene Frau das höchste Gut des Lebens war,
Stannen faßt ihn, daß er so hat hassen können. Er schweigt; und
mit dem jugendlich leichteren Schmerz des Jünglings zusammen.
ahnungslos, welch' tödliche Verwundung ihm zugedacht war,
Ein unbezwingliches Bedürfnis packt ihn, an dem, den er als
trollt das bedrohte Glückskind — Bassermann war schlechthin
ahnungslosen Mörder jenes Höchsten haßt, furchtbare Strafe zu
meisterhaft in dieser Rolle — selbstgefällig weiter.
vollziehen. So giebt er ihm den Brief der Mutter. Ihre Opferthat
Noch lauter als dieser Erfolg war der des kleinen Schwankes
soll dem, für welchen sie gebracht ward, zum Fluche werden. Aber der
„Litteratur“, mit dem der Abend abschloß. Der Dialog sprühte
lehnt mit der Kraft des Lebens sich dagegen auf. In den engen Formen
und funkelte von Munterkeit. Es war der leicht tändelnde, etwas
des Einakters konnte die psychologische Fülle des Stoffes naturgemäß
frivole Stil der „Anatol"scenen, aber durch einen völlig neuen Inhalt
nicht zur freien Entwicklung kommen. Die Hauptperson, die Mutter,
weit über das frühere Niveau herausgehoben. Ein Dämchen und
deren Charakteristik erst alles Weitere lebendig und verständlich hätte
ein Herr, die einen Liebesroman mit einander erlebt, haben,
machen können, schied hier von vornherein aus. Gespielt wurde, vor
jeder für
sich, ihre Sensationen, samt allen dazumal
allem von Reinhardt, der die Rolle des Alten hatte, vor¬
gewechselten Liebesbriefen zum Roman verarbeitet. Da die
trefflich.
Poetendame jetzt einen aristokratischen Liebhaber und Bräutigam
in Spa gewonnen hat, ergeben sich bei dem Zusannnentreffen
Schon viel mehr dramatischen Nerv hatte das zweite Stück:
der beiden Romanciers die lustigsten Situationen. Launiger ist die
„Die Dame mit dem Dolche.“ In ihm lebt etwas von jener
liebe Litteraten=Eitelkeit kaum jemals von der Bühne herab ver¬
eigentümlichen Phantastik, von jenem Ineinanderspielen von Schein
spottet worden. Gespielt wurde auch hier wieder ganz vortrefflich. —
und Wirklichkeit, wodurch der „bunte Kakadit“ so eigenartige Stimmungs¬
Conrad Schmidt.
reize erzielte. Freilich reichte auch hier, wie in den „lebendigen
Stunden“, die Ausführung nicht an die Größe der Idee heran. —
Traumbilder find schon oft dem Rahmen eines größeren dramatischen!
Ganzen eingefügt, aber wohl noch nie mit jener eigen¬
artig pointierten Wendung, wie in diesem Schnitzlerschen Stücke.
Das Tramnbild erscheint hier wie eine Rückerinnerung an frühere
Existenzformen der Seele. Wein wäre es nicht schon einmal be¬
gegnet, daß ihm in irgendwelchen Situationen plötzlich der Gedanke
aufdämmerte, das Gegenwärtige sei nicht ein Neues sondern irgend¬
wann und irgendwo schon einmal durchlebt? So lächerlich es wäre,
aus solchen nervösen Zuständen, die eine ganz natürliche Erklärung
zulassen, im Ernste mystische Folgerungen ziehen zu wollen, so wenig
kann es doch der dichterischen Phantasie verwehrt sein, dem Zauber dieses
Geheimnisvollen nachzugehen, und dabei die dunklen und uralten Ge¬
danken der Seelenwanderung und eines Vorausbestimmtseins alles
unsres Thuns durch frühere Geschlechter leis mitanklingen zu lassen. —
Vorzüglich stimmungsvoll war die Umrahmung der Vision, die schwüle
Liebesscene in dem Kunstsalon und dann der Schluß. Ein junger
Mann wirbt um die Gattin eines großen Künstlers. Sie weist ihn ab,
ihr Gatte würde sie töten, wenn sie die Treue ihm bräche, und mit
allen Fasern, ob er sie auch hundertmal betrüge, hängt ihr Herz an
ihm. Nur eine flüchtige Wallung war es, wenn sie in dieses Stell¬
dichein gewilligt hat. Da fällt ihr Blick auf die alten Florentiner
Bilder. In Florenz ist sie geboren und plötzlich in der nervösen
Erregung, in welche sie das Drängen ihres Begleiters bringt, kommt
es über sie, sie müsse die Gestalten dort alle schon gesehen haben
und die eine Figur, „Die Frau mit dem Dolche“, das sei sie selbst.
Erschöpft sintt sie auf einen Sessel. Und nun zieht die Vision
einer um Jahrhunderte entlegenen Vergangenheit an ihr vorüber.
Der kleine helle Salon verwandelt sich in einen alten Florentiner
Prunksaal. Sie selbst, ihr Werber, ihr Gatte sind alte Florentiner.
Aber das veränderte Kostüm birgt gleiche Leidenschaften. Sie sieht¬
sich, wie sie den jungen Liebhaber in der flüchtigen Lust eines Augen¬
blicks erhört, und wie sie dann, von ihrem Manne kalt zurück¬
gestoßen, den Jüngling in grenzenloser Wut der Verzweiflung mit
dem Dolche — so wie das alte Bild es darstellt — niedersticht.
Wieder hebt sich der Vorhang und zeigt die verfängliche Scenerie.
Langsam erwacht sie aus der Ohnmacht. Der Traum hat ihre Kraft
gebrochen; die Vergangenheit, die sie in wenigen Sekunden geschaut hat,
birgt eine fatalistische Vorausbestimmung ihres eignen Schicksals in sich.
Besinnungslos, in unerklärlichem Drange, wie jene Florentinerin, ihr
andres Ich, verspricht sie dem ungeliebten Anbeter Erhörung. Was
war, muß in dem Ringe des Geschehens wiederkehren mit unerbitt¬
licher Notwendigkeit. — Dem wunderbaren Spiele von Irene
Triesch gelang es, all die feinen Uebergänge einander wider¬
streitender Empfindungen und so auch diesen letzten, aus den Tiefen
eines rätselhaft Unbewußten hervorquellenden Entschluß völlig
natürlich erscheinen zu lassen. Freilich hätte, wenn die rechte
spukhaft=phantastische Wirkung festgehalten werden sollte, in dem
visionären Zwischenspiel noch viel geändert und
stark gestrichen
werden müssen. In seiner jetzigen Gestalt fehlt ihm die über¬
zeugende Kraft.
Ein voller Erfolg aber waren die „ letzten Masken“. Da
gab es keine toten Stellen. Idee und Ausführung deckten einander.
Die schneidende Ironie, die verhaltene Spannung, das schwermütig
Grüblerische in diesen Scenen rief fast eine Erinnerung an Ibsensche
Kunst wach. Ein armer Teufel von Journalist, der einsam
e