II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 121

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16.1. Lebendige Stunden Zyklus
Zeitungs-Aussehnitte
Ausschnilt
En Nr. 20
berichte u. Personalnachriechtes
Instrasse 17.
„Figyelö“ —
a. Nenyork, Paris, Rom, Stockhols.
ee Wane
—.—


Kein Zweifel, Schnitzler muß dieses Capitel im Kopfe einen Wunsch vor dem Sterben: er will seinen Todfeind, den
gehabt haben, als er „Die Frau mit dem Dolche“ gestaltete. Das berühmten Dichter Weihgast, sehen, um ihm zu sagen, daß er ihn
leion.
Stückchen hat nicht so gewirkt, wie es sollte, aber es ist ent= verachtet, daß er ein Hohlkopf ist, daß er nur mehr Glück im
schieden das tiefste und feinste unter den vieren. In einer Bilder= Leben gehabt hat, als er, der arme Teufel, daß er ihn mit seiner
kheaterbrief.
galerie trifft Frau Paula ihren Verehrer Leonhard. Sie liebt ihn Frau betrogen hat. Und Weihgast kommt, doch von dieser auf¬
chnitler: „Lebendige Stunden",
nicht, aber sie hat den Wunsch, einmal seine Liebe zu genießen, geblasenen Lächerlichkeit bringt er kein Wort über die Lippen;
Die letzten Masken“, „Literatur“.)
In jedem Weibe regt sich dieses Begehren zuweilen nach einem wozu auch. Was gehen ihn, den Sterbenden, die Leute denn
Berlin, 5. Jänner.
bestimmten Mann; an ihm ist es, diesen Augenblick zu ergreifen. an, die morgen noch leben.
„Lebendige Stunden“.
Der Act ist rein theatralisch; eine Scene, die Generalprobe
er Erinnerung; „sie leben nicht Er kehrt nie wieder. Frau Paula will sich dem Galan nicht mehr
ihrer erinnert“ und es ist „nicht hingeben; da erblickt sie an der Wand das Bild eines un= der Abrechnung, die der Kranke mit seinem Feinde halten will,
tunden Dauer zu verleihen über bekannten Meisters „Die Frau mit dem Dolche". Es ähnelt nach der Manier bewährter Possentries angelegt. Der Sterbende
spielt einem Schauspieler vor, wie er dem Manne entgegentreten
jähr hat Arthur Schnitzler seine ihr, Zug um Zug. Sie wähnt, sie habe das Bild erlebt; sie
n gestern im Deutschen Theater sinnt und sinnt, ihre Gedanken verlieren sich. Sie sinkt will. Aber die Figur des Dichters Weihgast ist Gold werth.
herum
den Vorhang gerufen und alle zusammen und nun erscheint ihr der Seelentraum. Sie ist jetzt Man wird sie erkennen; diese Leute laufen unter uns
herum¬
„Literatur“
Aber auch die Typen, die im Einacter
folges durfte der Wiener vor dem Paola in Florenz, die Gattin Remigio's, des Malers, und sie
gepflegten Händen
Der Baron mit den
Doch äußerlich allein ist der hat in einer wilden Liebesnacht sich einem Schüler des Meisters, wimmeln.
der sich
ungepflegten
Hirn,
dem
hat der Dichter an die Seelen ge= Leonardo, hingegeben. Sie gesteht dem Gatten ihre Schuld, doch und
Schriftstellerin verlobt hat, die ihre Werke
Regungen des Innenlebens nach= Remigio will ihn nicht tödten und so greift sie nach dem Dolche und einer
nur „erfunden“ und nicht erlebt haben will. Solche Sachen läßt
sticht den Geliebten nieder. Und Remigio schreitet an die Staffelei,
idem etwas haften geblieben wäre,
man nicht drucken — das ist die Meinung des adeligen Herrn;
um dieses Bild, das seine Seele aufrüttelt, festzuhalten. Ein
gt hätte. Vier Einacter, grund¬
und doch mit einem gemeinsamen kurzer Traum, und die Seene zeigt wieder die Bildergalerie und man entblößt sich nicht vor der Menge. Und nun kommt ein
reizendes Zwischenspiel: ein früherer Geliebter, Literat seines
öendig, Augenblicke vielleicht nur, davor Frau Paula uns Leonhard. Nur sie hat geträumt, er
daß sie Abends zu ihm
Zeichens, taucht bei der Braut des Herr Barons auf; er hat
sen der Gegenwart die Rosen der nicht. Und da sagt sie ihm
einen Roman geschrieben, der die Geschichte ihrer gemeinsamen
kommen wird.
Die Traumscene ist ein bißchen mißrathen, nicht sinnfällig
Liebe enthält und auch die Briefe, welche gewechselt
ehmüthigen Capitels aus Heine,
wurden. Diesen selben Roman hat aber auch die ehemalige
in dem Custoden durch die Säle genug, um dem feinen Gedanken des Vor= und Nachspiels Aus¬
Freundin geschrieben und Idieselben Briefe eingefügt. Nun,
er schönen Genueserinnen sah und druck zu leihen. Aber es ist ein Dichterwerk.
Der erste Einacter ist ein Feuilleton. Man kann es schwerder ahnungslose Baron kauft aber den noch nicht zur Ausgabe
8 in seiner Seele einen Sturm
Maria? Der Aufseher meinte erzählen; zwei Welten treten sich gegenüber. Der Dichterjüngling gelangten Roman seiner Braut auf und läßt ihn einstampfen.
Jeder Satz dieses Schwankes bringt eine entzückende literarische
ogin von Genua vor, aber der mit dem feinen Kunstverstand, der sich vom Seelenleid in das
Pointe. Ee ist die famoseste Verhöhnung der literarischen Bo¬
In Sie gut sein, das Bild ist gut Reich der Phantasic hinüberrettet, und der hausbackene Bürgers¬
heme aus dem Café Griensteidl und anderswo.
paar Jahrhunderte im Voraus! mann mit dem kalten, eiskalten Kopf, dem warmen Herzen zwar,
Die Zeichnung ist richtig, die doch ohne Seele. Das Stückchen fiel leise ab.
Man lachte und lachte. Es war der größte Erfolg
Viel besser erging es dem Schauspiel „Die letzten Masken“.
kas Bild gewiß für ihn gemalt.
des Abends.
Menschenkinder nicht einmal als Es spielt im Wiener Krankenhaus (und ich fürchte, es wird sich
Leop. Jacobson.
als Körper von längst ver= die Aerztekammer durch einige Worte und einen Typus ein bißchiät
astloses Wiederholungsspiel spielen. entrüsten). Der todkranke Journalist Rademacher hat nur noch