II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 164

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16.1. Lebendige stunden ZyK1.2
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERYER“
Nr. 8
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Ausschnitt aus: Vögemese uns musten u. Serabian
vom:
ERSATZ
1120U
Theater und Kunst.
(Lebendige Stunden.) (Vier Einacier [Lebendige
Stunden. Die Frau mit dem Dolche, Die letzter
Masken, Literatur] von Arthur Schnitzler. Erstauf¬
führung'im Deutschen Theater zu Berlin am 4. Jän¬
ner 1902.) Vor ungefähr Jahresfrist war der Name Arthur
Schnjslers in aller Munde. Sechs Wiener Kritiker hatten in An¬
1v
gelegenheit seines „Schleiers der Beatrice“ einen offenen Briefs!
anDirector Schleuther gerichtet, der nicht verfehlte, in den weite¬
bar
sten Kreisen veinliches Aufsehen zu erregen. Der Erfolg dieser
Action war vorauszusehen und blieb auch nicht aus: nicht Arthur#aas.

Schnitzler, wohl aber Hermann Bahr wurde im Burgtheater auf=t das
geführt. So mufste er denn seine neueste Schöpfung, die „Leben=s den
Abonne
digen Stunden", fern der Heimat, in Berlin, zur ersten Auf¬
Abonne
führung bringen. Hier ist er kein Fremder. „Freiwild", „Liebelei“
und der „Grüne Kakadn“ wurden bereits im Deutschen Theater,g die
aufgeführt, und an dem Erfolge, den sein jüngster Cyklus vorigengen¬
Inhalt:
Samstag an dieser Stätte errang, kann man mit Befriedigung##ng")
blät
ermessen, dass er auch hier dem Verständnis begegnet, das ertliche
wodur
verdient. Die Berliner sind im allgemeinen mit Beifallsbezei=, Mit¬
Leben
gungen recht sparsam. Applaus bei offener Scene, ein Hervor¬
theilur
rufen einzelner Schauspieler kennt man hier nicht. Der Vorhang
sentt sich und damit Schluss. Nur bei Premièren quittiert Antor
oder Regisseur im kleinen Ausschnitt des Zwischenvorhanges den
Beifall des Publicums Schnitzler aber wurde nicht nur bei der
Premiere mehr als zehnmal, sondern auch am nächsten Abend
nicht weniger als siebenmal hervorgerufen. Der Erfolg war wohl¬
verdient. Die vier Einacier sind aus einer eigenthümlichen Stim¬
mung beraus entstanden. Die Inspiration des Künstlers durch
den Tod, den leiblichen oder seelischen Tod des ihm Liebsten,
das Wiedererwachen künstlerischen Schaffens aus Seelenerschütte¬
rungen, die andere Menschen niederwerfen würden, der Sieg der
Kunst über das Leben, das ist's, was Schnitzler uns zeigen wollte.
Er hat es an sich selbst erlebt. Seine Braut war plötzlich gestor¬
ben und er konnte weiter leben und weiter — schaffen. Diese
anscheinende Gefühllosigkeit, diese Brutalität des Künstlers der
Materie gegenüber hat er zu rechtfertigen unternommen: so wur¬
den die „Lebendigen Stunden". Das dem Cyklus den Namen
gebende Schauspiel ist gleichsam als Prolog gedacht. Die Mutter
eines Künstlers ist alt und krank. Langsam, aber unrettbar
siecht sie dahin, eine Lebendig=Todte, fühlt sie, dass ihr Zustand
die Schaffenskraft des Sohnes unterbindet. Um ihn zu befreien,
gibt sie sich den Tod. Der einzige, der darum weiß, ein alter
Freund der alten Frau, verräth das Geheimnis dem Sohne, und
wirft ihm vor, er sei mit seiner Schreiberei der Mörder seiner
Mutier. Da baumi sich der Künstler in dem jungen Menschen
auf, von neuer Gestaltungskraft durchdrungen, eilt er weg; denn
nicht das sind die lebendigen Stunden, die mit dem Tode#des
letzten, der sich ihrer erinnert, ins Grab sinken: im Kunstwerke
will er ihnen die Ewigkeit erringen. Das zweite Stück führt uns
in eine Bildergallerie. Hier hat die Frau eines Dichters ein
Rendezvons mit einem jungen Manne. Ihr Gatte, den sie liebt,
hatte gestern einen großen Bühnenerfolg, indem er in seinem'
Stücke die intimsten Beziehungen zwischen ihm und seiner Frau
der Oeffentlichteit preisgab. Diese Handlungsweise hält ihr der
junge Mann vor und bestürmt sie, sich von dem Menschen, dem
sie nur Modell ist, abzuwenden und die Seine zu werden. Sie
antwortet, es habe wohl einen Augenblick gegeben, da sie seine
Geliebte hätte werden können, geliebt jedoch habe sie ihn nie.
sie gehöre ihrem Manne. Da treten sie vor das Bild der „Frau
mit dem Dolche". Es hat eine auffallende Aehnlichkeit mit der
jungen Frau, sie erkennt sich in ihm wieder. Und plötzlich komment
ihr all die alten Florentiner ringsum an den Wänden so seltsam