II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 207

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16.1. Lebendige Stunden zyklus
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Im Gewinnrade verblieven:
Form entrollt. Alles in diesem Einacter klingt gemacht; es ist
Zorn und seine Verachtung ins Gesicht zu schleudern. Beide
der mißbrauchten Liebesbriefe in d
Schreibtisch=Problemdramatik schlimmster Sorte. Keine Spur
sind Literaten; der Sterbende verkannt und ohne Erfolg, der
schen Novelle, in der der schriftstellern
dichterischen Eingehens, liebevoller Vertiefung in die Charaktere,
Lebende, obwohl ein fader Geselle, von rauschendem Triumph
an seine Frau zu Novellenzwecken fah
verwöhnt. Ein Geheimniß ruht in der Brust des Sterbenden.
zwei hölzerne Figuren, mühsam herausgeschnitzelt und mit un¬
sind es Menschen, die geschildert
möglichen Farben bemalt.
Die eigene Frau des unverdient Berühmten hat dessen Werth¬#
Karrikaturen, die anwidern. Ein
losigleit erkannt und dem bescheidenen, aber bedeutenderen
Auf diese jammervollen Männergestalten folgt die „Frau
geistvolle Bonmots über die mod
mit dem Dolche". Sie ist der uralte Typus der Ehebrecherin
Freunde zwei Jahre lang angehört. Das soll nun der in Glanz
können den als Ganzes unwahren
nach französischem Muster. In einem Museum, das sie als
und Wonne Schwelgende jetzt erfahren, damit ein tiefer und
der Posse nicht erträglicher mache
Rendezvous=Platz benutzt, macht sie der Liebhaber auf die
unzerstörbarer Schatten auf sein Leben falle, und er den
über diese herz= und hirnlosen
Aehnlichkeit zwischen ihr selbst und einem alten Renaissance¬
Sterbenden beneide. Aber der Edel uth und die Größe siegen.
amüsiren. Von dem befreienden
bild: „Die Frau mit dem Dolch“ aufmerksam. Sofort schlägt
Als der arme Todescandidat den sogenannten großen Mann
jedes rechten Lustspiels sein soll, ist
es zwölf Uhr Mittags und sofort träumt die Dame einen
in seiner Erbärmlichkeit vor sich sieht, bleibt er stumm. Er, der
Schnitzlers Grazie, sein wien
Renaissancetraum, in welchem sie dem Gatten zu Liebe am
vom Leben Besiegte, fühlt sich Sieger. Auch in diesem Drama,
fortgeweht. Man muß annehmen,
Arnostrand den Geliebten erdolcht. Während es noch immer
welches in der Gestalt des „großen Schriftstellers“ die psycho¬
sein Höchstes und Bestes gegeben he
zwölf Uhr schlägt, wacht sie im Museum wieder auf und ver¬
logisch wahrste Figur der vier Einacter enthält, stören Incon¬
verzerrt im Ernst, clownartig im S
Andet trotz Dolch und Mord im Traume zu Florenz dem
sequenzen. Wird der Edelmüthige, innerlich so Großdenkende
Sphinx des gemeinsamen Titels
werbenden Geliebten an der Donau ein Stelldichein. Es wäre
jemals, besonders in der Stunde, da alles Vergängliche zum
demselben Recht könnte ein Schmier
lächerlich, diese Farce auch nur im Entferntesten mit den tief¬
Gleichniß wird, ein so aufbäumendes Rachegefühl empfinden?
„Als Verlobte em
sinnigen Gesetzen von der Seelenwanderung in Zusammenhang
Theatralisch und unwahr berührt auch ein Auftritt, in welchem
„Das erste Mittag
zu bringen. Das Stück, welches mit einem, übrigens schon
Schnitzler den Sterbenden, damit das Publikum das Geheimniß
und „Papa hat's erlau
von dem bekannten schweizerischen Dichter Widmann verwendeten
des alten Herrn erfahre, die ganze Rachescene, um sie nachher
unter der Gesammiflagge
Traum=Scenenwechsel zwischen Moderne und Renaissance
ordentlich executiren zu können, einem Spitalgenossen vorspielt.
„Ueberselige Stund
arbeitet, und dadurch einen Requisitenerfolg erzielt, ist vollständig
Wie kann der feinsinnige Mensch, der so lange geschwiegen und
vereinigen.
leer und inhaltlos. Die Figuren sind so unlebendig und
die Ehre der von ihm geliebten Frau des Anderen gehütet hat,
Die beiden letztgespielten Einack
wächsern, wie der Titel, der ans Panoptikum erinnert. Nicht,
einem beliebigen Schwätzer diese Ehre preisgeben? Das wirkt
publikum gefallen zu haben. Es
daß die Frau sündigt und gesündigt hat, ist interessant. Wie
direct widerwärtig, und bei dem vornehm geschilderten Naturell
den aus Wien herbeigekommenen
sie zur Sünde kommt, das allein ist für den Dichter und
des Redenden unglaublich. So wandelt sich selbst in diesem
der Rampe erscheinen. Ob der
Psychologen von Wertb.
Miniaturdrama, das ergreifend wirken konnte, die innere Wahr¬
Cyclus anhält, muß abgewartet wer
Gift und Dolch waren an dem Publikum des Deutschen
haftigkeit zum äußerlichen Effect, der Seelenvorgang zur Schau¬
sind Bassermann, Reinhardt und Ri¬
Theaters eindruckslos vorübergegangen. Im dritten Einacter
svielerei.
Irene Triesch, die aus Frankfurt
„Die letzten Masken“ wirkt Freund Hain auf natürliche Weise
Kraß und grell ist das Satyrspiel, welches den drei Todes¬
ans Melltsche Theater gekommene K
und erzielte einen stärkeren Erfolg. Die Scene spielt im Spital,
dramen angeklebt ist, der Schwank: „Literatur“. Verspottet
in der Doppelrolle der Pauline=Pa
welches Schnitzler, der Arzt von Beruf ist, genau studirt hat.
werden die Literaten, welche schreiben, wenn sie lieben, welche
Dolche. Dagegen karrikirte sie da
Ein armer, vom Leben zerbrochener Kerl hat in der Todesstunde
aus allen ihren feinsten und intimsten Erlebnissen nur Stoff
letzten Einacters so stark, daß sie no
das Bedürfniß, dem Todfeind und ehemaligen Freund seinen! für Lyrik, Epos und Drama zu gewinnen trachten. Das ThemaI Schnitzler.