II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 287

8
16.1. Lebendige Stunden Zuklus
box 21/3
rinnen ineinander. Der spielerische Komödiant wird zum Helden, zum
Beuillelon..
Rächer. Der Dichter läßt ein Spiel im Spiele darstellen und der
Komödiant aus dem einen, avancirt zum Helden in dem anderen.
Es wären demnach eine Komödie a), eine Komödie 5) zu unter¬
„Tebendige Stunden“
scheiden und eine dramatische Algebra zu versuchen; a und b und
von Arthur Schnitzler.
e könnten aufeinandergeschachtelt werden wie die hohlen Würfeln
in den Zauberkästen. Aber die hohlen Würfeln in den Zauberkästen
(Zum erstenmal aufgeführt im Carltheater am 6. Mai. Vorstellung des
berliner Deutschen Theaters.)
sind ein Spiel für Kinder. Und die Komödien des Herrn Arthur
Schnitzler sind kindisch. — In der geraumen Zeit, in der er sich
I.
mit der Poesie beschäftigt, ist er noch stets mit zwei Ideen aus¬
Haben Sie den „grünen Kakadu“ gesehen? Also nein. Auch
gekommen. Kennen Sie die „Liebelei“? Alsdann kennen Sie das
wenn Sie ihn gesehen hätten, nichts wüßten Sie mehr von ihm.
Thema „Süßes Mädel.“ Und ich habe Ihnen nicht mehr zu sagen,
Denn für ein Stück von Arthur Schnitzler bedeutet die nächste
was Sie im „Anatol“, im „Märchen“, im „Freiwilt“, was sich
Saison bereits die Nachwelt. Der Reserent muß aber bis an's Ende
im „Vermächtnis“ begibt. Vorausgesetzt, daß Sie wissen, daß man
seiner Theatergänge alle Stücke im Gehirn mit sich herumschleppen:
Frühjahrskleider dreimal färben kann. (Aber man muß mit zarten
die bitteren und die süßen, die schrecklichen und die lieblichen, die
hellen Farben beginnen und allmählich mit dunkleren und schweren
donnernden und die säuselnden, die geistvollen und die blöden. Alle,
decken. Man muß zuerst den „Anatol“ schreiben, Duft und Hauch,
alle. Denn ihm ist das Amt geworden, aufzupassen wie ein Wächter,
und die dicke Tragik der „Liebelei“ erst später auftragen, denn die
daß ein Dichter dem anderen sich nicht mit allzu langen Fingern
letzte Farbe, die deckt, ist Schwarz.) Kennen Sie den Par#eelsus“
nähert. Seine Mission auf Erden ist es, auf der Hut zu sein, daß
den „Grünen Kakadn?“ Alsdann kennen Sie das Thema: Spiel
ein Dichter seine abgelegenen Ideen und Gedanken nicht plündert,
und Wirklichkeit, Schein und Sein, Trug und Wahrheit, Komödie
wenn ihm nichts Neues mehr einfäilt. Und darum frage ich Sie:
a) und Komödie 1), das System der hohlen Würseln. Dann fordere
„Haben Sie den „grünen Kakadu“ gesehen?“ Denn es ist mein Amt,
die Dichter zu erwischen.
ich Sie auf, mit mir in die vier Einacter „Lebendige Stunden“
einzutreten. Also, wenn ich bitten darf, treten wir ein.
II.
III.
Im „grünen Kakadn“ spielt der Schauspieler Heuri die Tra¬
Was sind das, „Lebendige Stunden?“ Darauf ist zu ant¬
gödie seines Lebens. In einer wüsten Spelunke, in der aristokratische
worten: „Lebendige Stunden“ sind ein geistvoller Titel. Dagegen
Cretins und aristokratische Dirnen das letzte Futter für ihre Nerven
darf die Bemerkung nicht unterdrückt werden, daß es für einen
finden, die sich schon mit allen Sensationen angefressen haben bis
Cyclus der „lebendigen Stunden“ in den kleinen Stücken des Herrn
zum Ekel. Hat er den Herzog ermordet oder nicht, fragen sie vor
Arthur Schnitzler doch auffallend viele Todte gibt! Bevor noch die
der Wahrheit seines Spiels, und ihre leere und stumpfe Visage füllt
„lebenden Stunden“ eingeläutet werden, ist bereits eine Mutter ge¬
sich mit Entsetzen und Grausen. Hat er den Herzog ermordet?!
storben. Sie starb an Hysterie und Morphium, drei Wochen vorher.
Einen Augenblick später tritt der Herzog ein. Und im nächsten
In der zweiten „lebendigen Stunde“ läßt Paola den Spender einer
Augenblick streckt ihn das Messer des Komödianten zu Boden.
süßen Nacht sterben, weil er bei Rückkehr des Gatten nicht übel
Wahrheit und Trug, Schein und Sein, Wirklichkeit und Spiel Lust verspürt, allzu lebendig zu werden. Dann treten die „lebendigen