II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 288

16.1. Lebendige Stunden zyklus
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Stunden“ in das wiener allgemeine Krankenhaus ein, dort sind sie
als der Letzte, der sich ihrer erinnert. Es ist nicht der schlechteste
unter Lungenschwindsucht gänzlich in ihrem Element. Ein Journalist
Beruf, solchen Stunden Dauer zu verleihen, über ihre Zeit hinaus.
wird bei Actschluß niedergemäht. (Schlagt ihn nieder, den Hund,
Ihr Schmerz gibt Ihnen heute noch das Recht, mich mißzuverstehen.
und schon war er ein Recensent.) Im ketzten Bilde stirbt ein
Im Frühjahr, wenn Ihr Garten auf's Neue blüht, sprechen wir
Roman. Denn über ihn schlagen die Flammen zusammen. Und das
uns wieder.“ Auch Heinrich wird seinen Garten pflegen, seinen
sind die „lebendigen Stunden“. Was versucht der Dichter mit ihnen
Garten der Erinnerung. Gemahnt wird man an ein gutes Wort:
zu erreichen? Tantièmen.
Et tonjours cultivez votre jardin! Aber das weitläufige
IV.
Citiren hilft gar nichts. Es sollte nur gezeigt werden, daß Schön¬
Man wird vielleicht bemerken, daß ich den Poeten nicht mit
heiten verborgen sind. Die Stücke sind nicht zu halten. Die Nummern
jener Zartheit behandle, auf die er für einige glänzende erste Acte
1, 2 und sind blaß, langweilig, zäh; Nummer 4 hat etliche
Anspruch erheben dürfte. Arthur Schnitzler ist nämlich der Dichter
unbedenkliche Witze, die in einem wiener Stadtcafé zum „Mocca“
der ersten Acte. Aus „ Selei“, „Freiwild“, „Vermächtnis“ stehen
gratis servirt werden. Man kann der Meinung sein, dies sei für
sie lebendig und glanzu# in der Erinnerung. Aber die Kraft ist
ein literarisches Lustspiel doch ein wenig zu wenig. Aus Mocca¬
nicht in ihm, auszubauen und zu vollenden. Wenn das Schicksal
scherzen macht man eben eine Operette. Das Aeußerste: man macht
zwei Operetten daraus.
auf seine Helden zuschreitet und sie auruft, legen sie sich platt hin
V.
wie Zinnsoldaten, an die ein kleiner Finger tippt. Lebendige Ge¬
stalten zu schaffen vermag er also nicht? Ja, doch. Aber sie sind
Mar Reinhardt. Habe ich schon gesagt: „Mar Rein¬
die lebendigen Gestalten nur insolange, als sie der Dichter an rosigen
hardt?“ Da hätten wir einen Abschnitt; einen neuen und einen
und feinen Stimmungen vorüberführt, vorüber an den kleinen und
ganzen. Er war so sehr das Um und Auf dieser schnoddrigen Vor¬
gelassenen Begebenheiten des Alltags. Wenn das Schicksal aber auf
stellung, daß man nur diese Bemerkung machen kann: Débäcle der
sie zuschreitet, verschwinden sie im Nu und an ihre Stelle pflanzt
schauspielerischen Wurstigkeit, die dem Deutschen Theater die Marke
er leere Theaterpuppen auf, von Coulissenluft aufgeblasen, die sich
gab. Mit der Wurstigkeit scheint es übrigens in Berlin nicht mehr
platt hinlegen, wenn ein kleiner Finger an sie tippt. — Hübsche
zu gehen; man ersehnt dort momentan stärker gebaute Naturen,
Stimmungen und ein paar echte Worte, die erblühen, sollen nicht
Persönlichkeiten, schauspielerische Potenzen ersehnt man; man arrangirt
vergessen werden. Gleich im ersten Bilde die Erschütterung des
dort momentan die „Meisterspiele.“ Wird da Herr Friedrich
Allen: „Heinrich! Vor einem Monat hat Deine Mutter noch ge¬
Kayßler mitthun dürfen, Herr Albert Bassermann (brüler
lebt, und Du kannst so reden? Für Dich hat sie sich umgebracht,
les planches heißt es französisch; wissen Sie, wie man „Coulissen¬
und Du gehst hin und schüttelst es von Dir ab? Und in ein paar
reißen“ auf französisch ausspricht, oh Herr Albert Bassermann?),
Tagen nimmst Du's vielleicht hin, als wär' es ihre Schuldigkeit
wird Herr Haus Fischer mitthun dürfen? Keiner, keiner. Aber
gewesen? Was ist denn Deine ganze Schreiberei, und wenn Du
Frl. Irene Triesch wird dann dabei sein, deren Seele heute
das größte Genie bist, was ist sie denn gegen so eine Stunde,
friert im Ensemble der schauspielerischen Wurstigkeit. Und Herr
eine lebendige Stunde, in der Deine Mutter hier auf dem Lehnstuhl
Director Otto Brahm wird auch dabei sein; denn es wird
gesessen ist und zu uns geredet hat oder auch geschwiegen —
aber
wieder ein Geschäft ..
da ist sie gewesen — da! und hat gelebt, gelebt!" Und darauf
W.
dieser Sohn: „Lebendige Stunden? Sie leben doch nicht länger;