II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 318

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16.1. Lebendige Stunden zuklus
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Ausschuitt
„OBSERYER“
Nr. 33
L. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Tüinkenstrasse 12.
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Ausschnitt aus:
Pester Lloyd
vom:
0187 90 7
eine abendliche Stimmungsszeue ohne eigentliche Pointe, eine Art Pzeburt d# #ire P
Feuilleton.
dialogisirter Entschuldigungsgrund für die drei folgenden Einakter.
Aute alt. 1 Ne 3
In allen dienen erlebte, lebendige Siunden als Rohstoff für
elung der nömi
formanden Künstlertrieb.
etellt musde
Berliner in Wien.
In dem Stücke: „Die Frau mit dem Dolche“ wird das Motiv d gelenas dem S##
(Gastspiel des „Deutschen Theaters“. — „Lebendige Stunden“, vier
isogar zweimal bearbeitet. In einer Bildergalerie hängt ein alt¬
en gut vor Hu
Einakter von Arthur Schnitzler.)
Für
italienisches Bild von unbekanntem Meister, Datum etwa 1030. Es Kenuissangr so n
Wien, 6. Mai.
stellt eine schöne Frau mit gezücktem Dolche vor, die seitwärts auf den ##ückes waren
L. H—I. Das Ensemble des Berliner „Deutschen Theaters“ hat
Boden niederstarrt. Bei dem Bilde haben Pauline und Leonhard ###twachsen, obwob
gestern im Carl=Theater ein Gastspiel eröffnet und gleich einen großen
2
ein Rendezuous. Pauline ist mit einem Dichter verheiratbet, der mit
jed nortrestlich,
Erfolg gehabt. Es brachte eine richtige Wiener Première, nämlich die
der Offenherzigkeit eines D'Annunzio sein Verhältniß zu ihr auf der
Zir larbige Pum
Abon neue Tetralogie unseres Schnitzler, der seit dem spießigen Briefwechsel
Bühne behandelt. Die ganze Welt spricht davon. Er verwerthet die
##stände, die
Abon mit Direktor Schlenther, wegen des „Schleiers der Beatrice“, mit dem
llebendigen Stunden, die sie ihm geschenkt, und sie glaubt, das sei ihre
Burgtheater überworfen ist. Den Schaden davon haben Beide, Direktor
Bestimmung. Oder sie redet sich's nur ein, wie so manches Andere

1
Brahm aber kann, wenn er nichts Dringenderes zu thun hat, sich ins
Inha
sauch. Sie findet z. B., daß die Frau mit dem Dolche ihr eigenes
Zichse
b1 à Fäusichen lachen. „Lebendige Stunden“ ist hochinteressant, zum Theil
Porträt sein könnte. Sie hat das Gefühl, als habe sie schon im Jahre
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wodt ganz hervorragend, der äußere Ersolg war rauschend, und zwar beim
1530 gelebt und damals ihren Liebhaber Lionardo erdolcht, damit
Lebe schönsten Publikum, das Wien zu stellen hat.
dieser ihren Gatten, den berühmten Maler Remigio nicht er¬
theil
Der Grundgedanke der vier Einakter ist in dem ersten Stückchen
dolchen könne. Und sie sieht den Erdolchten sogar deutlich
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(„Lebendige Stunden“) entwickelt, wenn auch etwas zu dunkel für das
im Bilde zu Füßen der Dame liegen. Sie ist so visionär.
an Ausdrücklichkeit gewöhnte Theaterpublikum. Die Mutter eines
Sie hat plötzlich eine ganze Halluzination der Mordszene, wie sie um 11#
jungen Dichters, seit Jahren schwer leidend, vergiftet sich insgeheim,
das Jahr 1530 sich zugetragen. Und diese hypnotische Vision wird

um ihrem Sohne durch ihr Leiden nicht länger Stimmung und Kraft
auf der Bühne thatsächlich aufgeführt, bei verwandelter Szenerie und

zur Arbeit zu rauben. Ihr alter Freund macht dem jungen Manne
verwandeltem Kostüm, in jambischen Versen. Man sieht Remigio
Vorwürse darüber. Eine einzige lebendige Stunde, die sie etwa noch
zurückkehren und Lionardo=Leonhard von Paola=Pauline erdolchen.
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hier in seinem Garten verbringen könnte, wäre mehr werth als alle
Und was thut Remigio? Er behandelt den Vorfall sofort als „Motiv“,
seine noch so genialen Zukunftswerke. Er werde das „abschütteln“ und
als lebendige Stunde, und seine Frau muß mit dem Dolch in der Hand
wohlgemuth we##erdichten. Das ganze Künstlervolk sei ja nicht anders.
als Modell stehen bleiben, bis er das angefangene Bild so vollendet hat.
Und Sie werden auch weiterleben und Ihren Garten, in dem die
War dies der Sinn? Ist mein Gebet erhört,
Freundin nicht mehr sitzen wird, weiterpflegen, antwortet der
Daß für mein Bildniß mir Erleuchtung werde?
Dichter. Da stehen zwei Egoismen einander gegenüber und der
Ja, so vollend' ich's!“
bürgerliche wirft dem poetischen das Nämliche vor, was er selbst in seiner
Es ist immer und zu allen Zeiten der nämliche Prozeß; dem Künstler
Weise auch thut. Der pensionirte Beamte begreift nicht, daß ein Dichter,
gestaltet sich das Erlebniß sofort zum Kunstwerk. Und als die
sobald die Störung vorüber, wieder dichtet. Daß einer seiner
Hypnose vorüber ist, ergibt sich Pauline dem Werben Leonhard's.
Freunde, ein Musiker, während sein Büblein im Zimmer aufgebahrt
Es scheint, daß sie es bereits satt ist, immer wiedergeboren zu werden,
lag, am Klavier eine Melodie probirte („für den Buben“), die ihm
um immer einem anderen Dichter oder Künstler als lebendige Stunde
soeben eingefallen war. Die Erschütterung der Nerven setzt sich in
für seine Arbeit zu dienen. Als Rohstoff für seine Phantasmen. Nun
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ein Lied, in ein Gedicht um, wie der passionirte Blumenzüchter seine
gestattet sie sich wenigstens auch einmal eine kleine Phantasmagorie
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Thränen dazu verwendet, die Rosen zu begießen, die der Verstorbenen
und läßt ihrerseits den Rohstoff zu Worte kommen.
„fuf
so viel Freude gemacht. Jeder gibt seinem Erlebniß, dem freudigen
Das Stück ist eine interessante, spannende Dichtung, das
Wien
wie dem leidigen, eine Form mit den Mitteln, die ihm seine Natur zur
ungemein schwierige Thema gewandt ein= und ausgesädelt. Auf den
Zeit alle Verwand
Verfügung gestellt. Der Dichter begreift es beim Gärtner, der
ersten Blick scheint die Romantik darin nicht gerade modern zu sein;
Publikums bewert
Gärtner will es beim Dichter nicht begreisen, weil das Dichten ihm
dieses Hazardspiel um den Tod, wobei das Leben wie eine werthlose
zenn die hell erleu
nicht als etwas Bürgerliches vorkommt, sondern als private Spielerei,
Spielmarke auf den Tisch geworfen wird und von Hand zu Hand
und dieser rapide
als eine Form des Nichtsthuns. Der Dichter aber meint: hat sie sich
geht, verloren, wiedergewonnen, wiederverloren, erinnert an Hernani¬
Sekunden dermaß
für mich getödtet, so muß ich mich selbst tödten oder versuchen zu
Zeiten. Die Geberden könnten Vittor Hugo gehören, die Farben
Zicht verfolgen kon
beweisen, daß sie sich nicht umsonst getödtet hat . .. Das ganze ist Delgeroir. Aber die Ideen sind doch modern. Die eingebildete Wieder- #Angen der Zusche