box 21/3
16. 1. Lebendige Stunden zyklus
zu neuem künstlerischen Schaffen entnimmt. Als Eitelkeit und Heuchelei 1 des „Schleiers der Beatrice“ gegenüber ein schweres, einzig von ihrI macht. Nun,
erscheint es ihm, aus dem tiefsten Schmerze Anregung für künst¬
verschuldetes Unrecht wieder gut zu machen hätte, aufs neue so die papierne
lerische Arbeit schöpfen zu wollen, und so treten sich der junge Dichter
übel ihre Pflicht vernachlässigt, daß bei der ersten Aufführung Ge¬ strömende Dich
und der alte, schmerzerregte Geliebte seiner Mutter als Verfechter
lächter der Zuschauer den Erfolg des Stückes in Frage stellte.
deren würdige
des Wortes von Kunst und Lebengegenüber. Werhat recht? Der Prolog
Wie unsere Theaterleitung im vorigen Jahre sich nicht entschließen
geschiedene, jetz
läßt die Frage unentschieden, und schärfer formulirt tönt uns nun
konnte, für Hartleben's „Rosenmontag“ ein anständiges Bild ins
lobte Frau M#
im zweiten Stücke „Die Frau mit dem Dolche“ aus Leon¬
Offizierscasino zu stiften, so wurde auch für Schnitzler die Aus¬
keiner daran si
hards (Herr Schlaghammer) Werbung um des Dichters Gattin
gabe gescheut, ein erträgliches Bild der Frau mit dem Dolche,
ans Kreuz schla
Pauline (Frl. Illing) die Frage entgegen: hat der Dichter ein Recht
dem doch mehr Wichtigkeit als einem bloßen Ausstattungsgegen¬
Bildhauerlegen
ausgeübt oder einen Frevel begangen, als er aus Erlebnissen und
stande zukommt, anzuschaffen. Erst das Hohngelächter, welches am
fertigen ihre g
Leiden seiner Frau ein Drama schuf, das ihm Bewunderung er¬
Sonnabend entstand, veranlaßte zu einer nachträglichen kleinen
Abschriften, um
zwingt? Wie im ersten Stücke die Mutter für das Künstlerthum
Besserung, sodaß am Sonntage das störende Lachen nicht allgemein
können. Die
des Sohnes, scheint sich hier die Frau für das ihres Mannes zu
wurde. Freilich bleibt die ganze Bildergalerie noch immer von
ihre Lüderlich
opfern. Wie der alte Hausdorfer ist der junge verliebte Leonhard
einer Beschaffenheit, daß eine umherziehende arme Wandertruvpe!
Intriguen anst
empört, daß Pauline und ihr ganzes Schicksal für den Dichter
sich ihrer schämen müßte.
dichterisch zu
„nichts anderes zu bedeuten hat als eine Gelegenheit, seinen Witz
Wenn das zweite Stück des Cyklus das wirkungsvollste ist,
almanach berli
oder meinethalben sein Genie zu zeigen“ während Pauline selbst
so erscheint das dritte der Anlage nach als das bedeutendste.
lichen Seite h
die Antwort findet: „Vielleicht hat mein ganzes Leben gar keinen
Allein es ist Schnitzler hier nicht geglückt, seine Gedanken voll¬
finden. Das
anderen Sinn gehabt." Mit ebenso überraschender als genialer
kommen deutlich herauszuarbeiten. Der sein nahes Ende nicht
Gilbert ganz
Wendung versetzt uns Schnitzler nun aus der zahmen Gegenwart
ahnende Schauspieler (Herr Marx), der die schwindenden Kräfte
an sich höchst
in jene sturmbewegten Tage, in denen die Kunst ihre höchsten
eines Sterbenden gewissenlos anstrengt, um bei diesen „Letzten
ganz vortreffli
Triumphe feierte. Der scharfe, realistische Zeichner seiner modernen
Masken“ Studien für seinen Beruf zu machen, ist zwar dem
schöngeistige u
Umgebung hebt den bergenden Schleier# geheimnißvoll mystischen
Dichter so prächtig wie unserem vorzüglichen Darsteller gelungen.
Humor, daß
Fragen. In einer Gemäldesammlung haben Pauline und
Allein bei der Gegenüberstellung der beiden ehemaligen Genossen,
Botz und Ma
Leonhard sich getroffen, und hier wird Pauline vor dem
des in Armuth sterbenden Journalisten Rademacher (Herr Ziegel)
blos Fräulein
Bilde eines unbekannten Meisters aus dem 16. Jahrhunderte
und des erfolggekrönten Dichters Weihgüst (Herr Botz), werden
Paola und de
von der Macht der Rückerinnerung ergriffen. Wir aber erleben,
Schnitzler's Absichten nicht sofort verständlich. Wie Rademacher
abends ihre #
was ihrem in Wiedergeburt zu ähnlichem Schicksal wieder bestimmten
im letzten Augenblick nicht seinen bösen Willen, den glücklichen
minder haben
Seele beim Anblicke des Bildes der den Dolch schwingenden Frau
Nebenbuhler zu stürzen, zur That machen kann, so mag ihm stets
Ziegel, der
aus ihrer früheren Dasein erinnerungsvoll auftaucht. Wir sehen
im Leben die nöthige Rücksichtslosigkeit gefehlt haben, durch die der
ausführte, sich
des hochberühmten Meisters Remigio (Herr Ziegel) schöne Gattin
einst ihm gleichstehende Weihgast groß geworden ist. Konnte der
seinen verschie
Paola, die in wilder Sinnenlust die Entfernung ihres Mannes
Gescheiterte wirklich nichts leisten oder sind die Handschriften in
kleinen Nebenr#
nicht verträgt und sich für eine Nacht seinem kraftvollen Schüler
seinem Schreibtische Zeugnisse seines Talentes, Meisterwerke, wie
linge
Lionardo hingiebt, aber nicht minder stolz als lustbegierig dem
der Sterbende meint? Jedenfalls hat die lebende Stunde, in der
ei
zurückkehrenden geliebten Gatten die Schuld bekennt und zur
es bei ihm stand, den beneideten, glücklichen Mitbewerber zu ver¬
w
Rettung des Gemahls selber das Werkzeug ihrer Lust, den drohen¬
nichten, ihm die Ueberzeugung gelehrt: „Nachwelt giebt's auch nur
den Lionardo, ersticht. Remigio aber greift beim Anblicke der den
für die Lebendigen“. Was helfen ihm die Meisterwerke in seinem
Dolch schwingenden Frau zum Pinsel; als Künstler will er den
Pulte, wenn er selbst nicht mehr zu den Leuten gehört, „die morgen
E
ungeheuren Eindruck im Bilde für ewig festhalten, ehe er als
noch auf der Welt sein werden“? Die Wirkung der tief angelegten
F1
Mann die Schuldige tötet.
„Letzten Masken“ wird durch das allzu Peinliche dieser Spital¬
ant.
Es gehörte keine geringe dichterische Kraft dazu, um dieses
scenen geschädigt. So discret Herr Ziegel auch die Krankheits¬
Regis
Operetten
farbengreile Renaissancebild zugleich als Vision und mit realistisch
symptome des sterbenden Rademach# andeutete, so hilft doch keine
schweige denn
packender Gewalt in die zwei modernen, epigrammatisch schließenden
Kunst dem Darsteller und der Regie ganz über das Quälende
dürfen uns jed
Rahmenscenen derart einzufügen, daß die Zuschauer nicht blos in
hinweg. Es ist gut, daß Schnitzler seine Zuhörer nicht mit diesem
zum ersten M#
athemloser Spannung dem Doppelvorgange, dem Ereigniß gewordenen
peinlichen Eindrucke entläßt, sondern der Tragödie das übermüthige,
im Lobetheater
Stücke Seelenwanderung folgen, sondern das Doppelstück auch als
lustige Satyrspiel nachschickt.
diente und v
einheitliches Kunstwerk empfinden. Mit feinem stilistischen Empfinden
Nicht um ernste Fragen der Kunst und Dichtung handelt es
holungen lohn
hat Schnitzler den Vers zu Hülfe gerufen, und mit nicht minder
sich zwischen der schriftstellernden Frau Margarete (Frl. Illing)
daß unter den
künstlerischem Feingefühl hat Fräulein Illing die wundersame
mit dem reichen Vorleben und dem gleich eitlen Schriftsteller
Plätze — wen
Doppelgestalt verkörpert, so leidenschaftlich und großzügig, mit
Gilbert (Herr Botz), dem auseinander gegangenen und beinahe sich
haupt den erst
geheimnißvollem Zauber und zwingender Wahrheit, daß für unsere
aufs neue vereinigenden Liebespaare. Richard Wagner soll einmal
Bühne ein langanhaltender, großer Erfolg des Cyklus damit ent= gesagt haben, Gott hätte uns Musik und Poesie gegeben, der
schieden war. Freilich hat unsere #eaterleit, die dem Dichter Teufel aber darane Cone
nund den Buchhandel ge=1
16. 1. Lebendige Stunden zyklus
zu neuem künstlerischen Schaffen entnimmt. Als Eitelkeit und Heuchelei 1 des „Schleiers der Beatrice“ gegenüber ein schweres, einzig von ihrI macht. Nun,
erscheint es ihm, aus dem tiefsten Schmerze Anregung für künst¬
verschuldetes Unrecht wieder gut zu machen hätte, aufs neue so die papierne
lerische Arbeit schöpfen zu wollen, und so treten sich der junge Dichter
übel ihre Pflicht vernachlässigt, daß bei der ersten Aufführung Ge¬ strömende Dich
und der alte, schmerzerregte Geliebte seiner Mutter als Verfechter
lächter der Zuschauer den Erfolg des Stückes in Frage stellte.
deren würdige
des Wortes von Kunst und Lebengegenüber. Werhat recht? Der Prolog
Wie unsere Theaterleitung im vorigen Jahre sich nicht entschließen
geschiedene, jetz
läßt die Frage unentschieden, und schärfer formulirt tönt uns nun
konnte, für Hartleben's „Rosenmontag“ ein anständiges Bild ins
lobte Frau M#
im zweiten Stücke „Die Frau mit dem Dolche“ aus Leon¬
Offizierscasino zu stiften, so wurde auch für Schnitzler die Aus¬
keiner daran si
hards (Herr Schlaghammer) Werbung um des Dichters Gattin
gabe gescheut, ein erträgliches Bild der Frau mit dem Dolche,
ans Kreuz schla
Pauline (Frl. Illing) die Frage entgegen: hat der Dichter ein Recht
dem doch mehr Wichtigkeit als einem bloßen Ausstattungsgegen¬
Bildhauerlegen
ausgeübt oder einen Frevel begangen, als er aus Erlebnissen und
stande zukommt, anzuschaffen. Erst das Hohngelächter, welches am
fertigen ihre g
Leiden seiner Frau ein Drama schuf, das ihm Bewunderung er¬
Sonnabend entstand, veranlaßte zu einer nachträglichen kleinen
Abschriften, um
zwingt? Wie im ersten Stücke die Mutter für das Künstlerthum
Besserung, sodaß am Sonntage das störende Lachen nicht allgemein
können. Die
des Sohnes, scheint sich hier die Frau für das ihres Mannes zu
wurde. Freilich bleibt die ganze Bildergalerie noch immer von
ihre Lüderlich
opfern. Wie der alte Hausdorfer ist der junge verliebte Leonhard
einer Beschaffenheit, daß eine umherziehende arme Wandertruvpe!
Intriguen anst
empört, daß Pauline und ihr ganzes Schicksal für den Dichter
sich ihrer schämen müßte.
dichterisch zu
„nichts anderes zu bedeuten hat als eine Gelegenheit, seinen Witz
Wenn das zweite Stück des Cyklus das wirkungsvollste ist,
almanach berli
oder meinethalben sein Genie zu zeigen“ während Pauline selbst
so erscheint das dritte der Anlage nach als das bedeutendste.
lichen Seite h
die Antwort findet: „Vielleicht hat mein ganzes Leben gar keinen
Allein es ist Schnitzler hier nicht geglückt, seine Gedanken voll¬
finden. Das
anderen Sinn gehabt." Mit ebenso überraschender als genialer
kommen deutlich herauszuarbeiten. Der sein nahes Ende nicht
Gilbert ganz
Wendung versetzt uns Schnitzler nun aus der zahmen Gegenwart
ahnende Schauspieler (Herr Marx), der die schwindenden Kräfte
an sich höchst
in jene sturmbewegten Tage, in denen die Kunst ihre höchsten
eines Sterbenden gewissenlos anstrengt, um bei diesen „Letzten
ganz vortreffli
Triumphe feierte. Der scharfe, realistische Zeichner seiner modernen
Masken“ Studien für seinen Beruf zu machen, ist zwar dem
schöngeistige u
Umgebung hebt den bergenden Schleier# geheimnißvoll mystischen
Dichter so prächtig wie unserem vorzüglichen Darsteller gelungen.
Humor, daß
Fragen. In einer Gemäldesammlung haben Pauline und
Allein bei der Gegenüberstellung der beiden ehemaligen Genossen,
Botz und Ma
Leonhard sich getroffen, und hier wird Pauline vor dem
des in Armuth sterbenden Journalisten Rademacher (Herr Ziegel)
blos Fräulein
Bilde eines unbekannten Meisters aus dem 16. Jahrhunderte
und des erfolggekrönten Dichters Weihgüst (Herr Botz), werden
Paola und de
von der Macht der Rückerinnerung ergriffen. Wir aber erleben,
Schnitzler's Absichten nicht sofort verständlich. Wie Rademacher
abends ihre #
was ihrem in Wiedergeburt zu ähnlichem Schicksal wieder bestimmten
im letzten Augenblick nicht seinen bösen Willen, den glücklichen
minder haben
Seele beim Anblicke des Bildes der den Dolch schwingenden Frau
Nebenbuhler zu stürzen, zur That machen kann, so mag ihm stets
Ziegel, der
aus ihrer früheren Dasein erinnerungsvoll auftaucht. Wir sehen
im Leben die nöthige Rücksichtslosigkeit gefehlt haben, durch die der
ausführte, sich
des hochberühmten Meisters Remigio (Herr Ziegel) schöne Gattin
einst ihm gleichstehende Weihgast groß geworden ist. Konnte der
seinen verschie
Paola, die in wilder Sinnenlust die Entfernung ihres Mannes
Gescheiterte wirklich nichts leisten oder sind die Handschriften in
kleinen Nebenr#
nicht verträgt und sich für eine Nacht seinem kraftvollen Schüler
seinem Schreibtische Zeugnisse seines Talentes, Meisterwerke, wie
linge
Lionardo hingiebt, aber nicht minder stolz als lustbegierig dem
der Sterbende meint? Jedenfalls hat die lebende Stunde, in der
ei
zurückkehrenden geliebten Gatten die Schuld bekennt und zur
es bei ihm stand, den beneideten, glücklichen Mitbewerber zu ver¬
w
Rettung des Gemahls selber das Werkzeug ihrer Lust, den drohen¬
nichten, ihm die Ueberzeugung gelehrt: „Nachwelt giebt's auch nur
den Lionardo, ersticht. Remigio aber greift beim Anblicke der den
für die Lebendigen“. Was helfen ihm die Meisterwerke in seinem
Dolch schwingenden Frau zum Pinsel; als Künstler will er den
Pulte, wenn er selbst nicht mehr zu den Leuten gehört, „die morgen
E
ungeheuren Eindruck im Bilde für ewig festhalten, ehe er als
noch auf der Welt sein werden“? Die Wirkung der tief angelegten
F1
Mann die Schuldige tötet.
„Letzten Masken“ wird durch das allzu Peinliche dieser Spital¬
ant.
Es gehörte keine geringe dichterische Kraft dazu, um dieses
scenen geschädigt. So discret Herr Ziegel auch die Krankheits¬
Regis
Operetten
farbengreile Renaissancebild zugleich als Vision und mit realistisch
symptome des sterbenden Rademach# andeutete, so hilft doch keine
schweige denn
packender Gewalt in die zwei modernen, epigrammatisch schließenden
Kunst dem Darsteller und der Regie ganz über das Quälende
dürfen uns jed
Rahmenscenen derart einzufügen, daß die Zuschauer nicht blos in
hinweg. Es ist gut, daß Schnitzler seine Zuhörer nicht mit diesem
zum ersten M#
athemloser Spannung dem Doppelvorgange, dem Ereigniß gewordenen
peinlichen Eindrucke entläßt, sondern der Tragödie das übermüthige,
im Lobetheater
Stücke Seelenwanderung folgen, sondern das Doppelstück auch als
lustige Satyrspiel nachschickt.
diente und v
einheitliches Kunstwerk empfinden. Mit feinem stilistischen Empfinden
Nicht um ernste Fragen der Kunst und Dichtung handelt es
holungen lohn
hat Schnitzler den Vers zu Hülfe gerufen, und mit nicht minder
sich zwischen der schriftstellernden Frau Margarete (Frl. Illing)
daß unter den
künstlerischem Feingefühl hat Fräulein Illing die wundersame
mit dem reichen Vorleben und dem gleich eitlen Schriftsteller
Plätze — wen
Doppelgestalt verkörpert, so leidenschaftlich und großzügig, mit
Gilbert (Herr Botz), dem auseinander gegangenen und beinahe sich
haupt den erst
geheimnißvollem Zauber und zwingender Wahrheit, daß für unsere
aufs neue vereinigenden Liebespaare. Richard Wagner soll einmal
Bühne ein langanhaltender, großer Erfolg des Cyklus damit ent= gesagt haben, Gott hätte uns Musik und Poesie gegeben, der
schieden war. Freilich hat unsere #eaterleit, die dem Dichter Teufel aber darane Cone
nund den Buchhandel ge=1