II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 409

box 21//3
16.1. Lebendige Stunden zukius
F
Münchner Rundschau.
43
sollten. Die Stadt hat aber darauf erklärt, ihre Sammlung ebenso gut anderswo unter¬
bringen zu können. Nun höre ich mit wirklichem Erstaunen, von einer Seite wo
wenigstens der Verdacht auf böswillige Unterschiebung nicht aufkommen kann: „es sei
nicht ausgeschlossen, daß später einmal das großherzogliche Hoflager statt nach Schloß
Baden gelegentlich auf Schloß Heidelberg verlegt werde“ — so daß am Ende hinter dem
projektierten Wiederaufbau des Schlosses Absichten steckten die überhaupt nicht genannt
worden sind?
Dem sei nun wie ihm wolle, von den Standpunkten aus die einstweilen
maßgebend sind, können Eingriffe die etwas Anderes bezwecken als die
Erhaltung der Ruinen, nicht verantwortet werden. Und unter Erhaltung
ist zu verstehen, daß man vor Allem da läßt. Hat diese demokratische Zeit
alles Gefühl für Abstand, allen Anstand verloren? Was einem teuer ist,
sollte einem doch unantastbar sein. Aber diese Zeit nimmt Toten den
Kopf weg weil sie sie verehrt. Ist der Art nicht auch was am Heidelberger
Schloß vorgeht? Oder soll man annehmen, daß uns der Ruhm Ludwigs XIV.
nicht schlafen läßt? Der Feind hätte unsern Fürstensitz nur zur Ruine
gemacht; wir, das eigene Volk selber, unternähmen es ihn von der Stelle
zu tilgen, ja haben den ersten Schritt darin schon gethan!
Die Entscheidung ist hinaus geschoben worden; es wird aber gesagt, man denke
nicht daran das Projekt fallen zu lassen. Sollte es so kommen, möchte dann, wenn
wirklich alle höheren Stellen sich entgehen ließen das erlösende Wort zu sprechen das der
Nation genug thäte, möchte denn dann die Sache in letzter Stunde daran scheitern daß
der badische Landtag mit den aufzuwendenden Milliones Rechtlicheres anzufangen wüßte.
A

Münchner Rundschau.
In freier Tagebuch=Form — vom „Münchner Kindl“, gen. enfant terrible.
(eben Andere ein Stück in Stücken, so giebt uns Anatol — oder heißt er: Arthur?
— Schnitzler gern ein Drama in Schnitzeln. Seit er auf „Freiwild“ gejagt
hat, ist er der Schnitzeljagd=Dramatiker kat’ exochen der „Liebeleien“, und seit einem
gewissen „grünen Kakadu“ obendrein zum „Epigrammatiker“ der modernen Bühnenlitteratur
geworden, über welche wir schon kein Danteskes Höllengericht mehr ergehen zu lassen
brauchen, sondern mild=barmherzig einfach „Beatricens Schleier“ des liebenden Vergessens
decken wollen. „Lebendige Stunden“ nennt er sein neuestes „buntes Theater“=Variété
lebendige Stunden, die uns, ungeachtet aller geistreichen Feuilleton=Plauderei darinnen,
beinahe zu recht toten und langweiligen Stunden geworden sein würden, wäre nicht der
Schlußwitz „Litteratur“ zu guter Letzt noch gewesen, der wenigstens den ersten Dreh¬
krankheits=Schrecken einer rabiaten „Frau mit dem Dolche“ wieder einigermaßen ausglichen