II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 425

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* Den biederen, alten Gärtner gab Gura sehr treuherzig. Die
schwierige Rolle der Pauline=Paola („Frau mit dem Dolche“) spielte
Frl. Dandler recht gut. Salfner's Leonhard befriedigte,
weniger der Lionardo der Renaissance. Stury's Remigio, eine
schlimme Rolle, war gewandt gespielt. Es ist, meines Erachtens, das
schwächste Stück; denn: predigt hier Schnitzler die indisch=Nietzsche'sche
„Wiederkehr aller Dinge“ oder ist die Mordscene nur ein
hysterisches Gankelspiel von Paulinens Phantasie? Häusser gab
den todtkranken Journalisten („letzte Masken“) in seinem letzten
höhnischen Aufbäumen gegen das Schicksal, wie in der Resignation
des Sterbens erschütternd, den schwindsüchtigen Schauspieler stellte
Pindo mit viel Charakteristik und Beweglichkeit dar. König gab
den berühmten Schriftsteller in all seiner kleinlichen Erbärmlichkeit
sehr lebensecht und discret. Der Arzt Waldau's und die Kranken¬
pflegerin Frl. Schwarz' entsprachen völlig den Anforderungen.
Mit Verve und seinem drastischen Styl entsprechend, wurde das Lust¬
spiel „Literatur“ gespielt. Famos gab Frl. Swovoda die schrift¬
stellernde Frau, die schon manchen Sturm erlebte, Waldau den
etwas dümmlichen Aristokraten und Basil den Schriftsteller und
einstigen Freund Margaretheus; besonders der discrete Humor des
Letzteren wirkte manchmal überwältigend. Die sorgsame Regie des
Abends ist Savits' Verdienst. Mit dieser Aufführung collidirte eine
Vorstellung der „Zauberflöte“ im großen Hause, welche zwei Gäste
brachte. Frl. Bossenberger (Frankfurt) bewährte, wie mir von
maßgebenden Seiten erzählt wird, als Königin der Nacht ihre statt¬
lichen, stimmlichen Vorzüge, und eine hier neue Erscheinung,
Frl. Hedwig Weingarten (Bremen) fand wegen ihres aus¬
giebigen, klangreinen Soprans als Pamina günstige Aufnahme.
Darstellerisch bleibt der sehr jungen Künstlerin noch mancherlei aus¬
zubauen und zu vertiefen. Ebenfalls sehr freundlich wurde ein stra߬
burger Gast, Frieda Langen, aufgenommen, welche Frl. Frem¬
stad während deren zweimonatlicher Gastspielreise vertreten soll.
Ihre Fides im „Propheten“ war besonders in den Höhenlagen sehr
gut gesungen, ihre Darstellung dramatisch belebt. — Nach füns¬
jähriger Pause erschien neu einstudirt der Verdi'sche „Othello“ und
erwies sich unter Fischer's zielbewußter und musikalischer Direction
als eine glückliche Wahl. Die einst von Vogl gesungene Nolle des
Mohren gab Knote. Sein prächtiges Organ kam zur glanzvollsten
Geltung. In die Darstellung des „Othello“ hat er sich im Ganzen
sehr erfreulich vertieft, Manches gelang ausgezeichnet, das Andere
zeigte sich klug angelegt und wird sich noch bei weiteren Aufführungen
vertiefen. Frl. Breuer sang die Desdemona sehr gut, auch ihre
Darstellung war meist vorzüglich. Als Jago hatte man für den er¬
krankten Feinhals, Herrn Breitenfeld=Cöln herbeigerufen, der
darstellerisch und sanglich recht befriedigte. Ob ein näheres Vertraut¬
sein mit der Akustik unseres großen Hauses seine Stimme ganz aus¬
reichend machen würde, läßt sich bei einem Gastspiel nicht sagen.
Clara Ziegler betrat, wie schon angekündigt, als Isabella
in der „Braut von Messina“ die Bühne, an die sie so viele stolze
Erinnerungen knüpfen. Die Jubilarin wurde schon beim Betreten;
der Bretter von stürmischem Applaus begrüßt. Ihre Stimme hat
noch nichts von ihrem Metall verloren. Die stylsichere Anlage ihrer
Gestaltung erheischte wieder die volle Bewunderung Aller, zumal
wir wissen, daß diese Kunst keine Nuchfolgerinnen mehr besitzt.
Natürlich gab es einen Berg von Kränzen und Blumen; der
tosende Beifall zwang die Heroine zu Dankesworten, die in die
Bitte: „Bewahren Sie mir Ihre Liebe“ ausklangen. Die Vorstellung
unter Savits Regie war eine würdige. Frl. Swoboda gab
die Titelrolle sehr ergreifend, schlicht und empfindungstief; ausge¬
zeichnet war Schneider's Chorführer, gut Stury's Mannel;
den Don Cesar gab Herr Salfner, der sich gewiß mit der Rolle
sehr eingehend beschäftigt hat, und bei seiner Jugend allmälig in
diese seinem Können einstweilen noch zu große Aufgabe hinein¬
wachsen wird.
„Die Here von Boissy“ eine komische Oper von Karl Costa,
Musik von Joh. Nep. v. Zaytz fand am Theater am Gärtner¬
platz eine freundliche Aufnahme. Die Logik der Handlung ist nicht
immer sonnenklar, die Musik ohne besondere Originalität und, was
schlimmer ist, ohne Styl. Bald Oper, bald Operette, bot das Stück
dem Ensemble mancherlei Schwierigkeit, doch darf mun mit dem
Ergebnis zufrieden sein. Gisela Fischer hatte diesmal eine ernst
angelegte Rolle, eine sich als Here verkleidende Hosdame; ihr starkes
Charakterisirungsvermögen und ihre stimmlichen Vorzüge fanden mit
Recht starken Beifall. Sehr liebenswürdig sangen und spielten die
Damen A drée (Florence) und Leonardi (Page). Wallner
gab mit viel Komik einen trottelhaften Marquis, doch erfordert die
Rolle zu viel Gesang für ihn. Hans Koppe sang mit tüchtiger
Schulung den jungen Bauernburschen, der die Braut heimführt.
Horak's Orchesterleitung und Haas' Regie waren wieder flott
und gut.
Leopold Gustav.