II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 429

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16.1. Lebendige Stunden zukius
S
B
E
Es Meinung Lebensentfaltung Heinrichs seine Freude haben, stattlsichten Paulinens ledigtiine hysterische Ueber=] Das pathetische Geschwätz eines Leidensgefährten im
erecht zuer= sie durch seine Eröffnung zu beeinträchtigen, ja viel= sparntheit erblicken und uber den Ausgang keine Krankenhause, eines im letzten Stadium schwind¬
Ehen den vier leicht zu zerstören. Immerhin nahm die melancholische Klarheit gewinnen. Aber offenbar meinte Schnitzlerl süchtigen Schauspielers, ruft' in dem sterbenden
die Reinkarnation Paolas und Lionardos durchaus Journalisten das undändige Verlangen wach, dem
nicht ersicht=Dichtung dank der eindringlichen schauspielerischen
Manne seiner Geliebten, dem schlechten Poeten und
ernst, und da ergeben sich denn freilich schwere Be¬
ige Stun= Wiedergabe durch die Herren Suske (Hausdorfer),
denken. Vegesehen davon, daß jedes Dogma auf der noch schlechteren Freunde, der ihn hilflos verderben
iederholt er=Monnard (Heinrich) und Cura (der einen alten
Bühne von Uebel ist, wenn es nicht anmittelbar ein= ließ, noch vor Thorschluß seinen Haß auszusprechen
Gärtner spielte) für sich ein und erntete unbestrittenen
das Leben
leuchtet, werden die Theosophen selbst mit dieser Ge= und ihm den Hahnrei an den Kopf zu werfen. Der be¬
Beifall.
Ferlust, wenn
Der zweite Einakter des Cyklus verräth, daß die staltung ihrer Lehre wenig zufrieden sein. Von einer handelnde junge Arzt holt ihm auf seine dringenden
re der Kunst
während des letzten Jahrzehnts in Deutschland und bloßen Wiederholung der Erlebnisse nach Jahr= Bitten mitten in der Nacht den verühmten Dichter
letztes Werk
hunderten steht wohl nichts in den Büchern der herbei. Aber, als er den Gegenstand seines Grimmes
— wenig= Oesterreich zu erstaunlicher Verbreitung gelangte
in ganzer Erbärmlichkeit und Verlogenheit vor sich
indischen Esoterik, noch weniger von einer ein¬
den Verlust indische Theosophie auch an Schnitzler nicht spurlos
fochen Wiederholung der Vornamen. Das Ganzestellt sicht, scheint er ihm keines Pathos mehr werth, wie
vorüberging. Die phantastischen Reize der Re¬
zu der späten
Inkarnations=Theorie haben es dem Dichter angethan, sichals gewaltsam gewolltes Phantasma eines Salon= der falsche Freund. behält auch der Sterbende eine
s Leben ver¬
planderers dar, der gewisse theosophische Behaupt= Maske vor dem Gesicht und heuchelt, daß es ihm nur
und so entstand das mysteriöse Schauspiel: „Die
mit Füßen
ingen allzu oberflächlich aufgriff und pikant zu ver= um die Freude des Wiedersehens zu thun gewesen
ich eine hoff=[Frau mit dem Dolche“. Pauline, die Gattin
werthen dachte. Der moderne Dialog des Stückes ist sei. Der Besuch empfiehlt sich mit viel schönen Re¬
h die qual= eines berühmten Dichters — von mehr oder minder
in Prosa, der traumhafte des Erinnerungsbildes in densarten, hinter welchen sich die Erleichterung ver¬
e Schaffens=namhaften Poeten wimmelt es in diesem Einakter¬
Blankversen geschrieben; die letzteren versteigen sich birgt, einen lebendigen Vorwurf los zu werden, und
talentvollen scyllus! —, hat ihr Herz halb und halb einem warm¬
n. Ein Herr blütigen, noch sehr jungen Manne, Namens Leon=gelegentlich in's Geschmacklose so beispielsweise, der Journalist stirbt. Dieses originelle Stimmungs¬
hard, geschenkt, ohne ihn ganz zu erhören. Ihr wenn Meister Remigio den Verführer seines Weibes bild ist wohl das lebensvollste des Cyklus, aber trotz
Geliebte der
ausgezeichneter Wiedergabe des Rademacher durch
Mann war ihr untreu, und hat sogar die Stirne, ein erbärmliches, zufälliges Instrument“ schilt.
unglücklicher
Häusser, trefflicher Verkörperung des Schauspie¬
hatfache nicht diese Untreue zum Gegenstand eines Theater= Das Publikum ging bei dieser seltsamsten Gabe des
elbst die hin= stücks zu machen, das in Paulinens und ihres Lieb=Abends von Anbeginn nicht recht mit, unheimliche lers durch Herrn v. Pindo ind des falschen Freun¬
des durch Herrn König, zuter Leistungen der
er unheilbar habers Gegenwart erfolgreich gegeben wird. Tags Heiterkeit begleitete die mit Verdunkelung und Dreh¬
Scheinschaffen darauf trifft sich die noch immer schwankende Gattin bühne bewerkstelligten geisterhaften Verwandlungen, Herren Waldau und Lintner als Aerzte und des
und als der Vorhang fiel, erhob sich kräftiger Wider= Frl. Schwarz als Wärterin, blieb der Beifall auch
Dder ersten Be= mit Leonhard ir einer Gemäldegalerie. Der junge
spruch gegen den Beifall. Freilich wurde gerade hier nicht unbestritten. Schuld trug wohl der er¬
ethan habe.“] Mann hat begründete Hoffnung, jetzt endlich an das
diesem Stück die Darstellung nicht ganz gerecht; müdend gedehnte Dialog und die passive Entsagung
nit philosoph= Ziel seiner Wünsche zu gelangen; da tritt ein tran¬
Fräulein Dandler lieh der Pauline ihr bestes des Helden, die zwar psychologisch recht fein ist, aber
änger als der szendentales Moment in Aktion. Ein aus dem sech¬
Können, aber für diese Rolle feh“ es ihr an hin= eine kräftige Schlußwirkung des Stückchens nicht
cht der schlech= zehnten Jahrhundert stammendes Bild der italien¬
reichender Einbildungskraft, un Herr Salfner aufkommen läßt.
zu verleihen, ischen Schule, das eine jugendschöne Frau mit
Mit dem letzten der Einakter, dem Lustspiel, richt¬
überschrie sich als Lionardo wiederholt in der un¬
E diese Aus= blutigem Dolch in erhobener Rechter zeigt, erweckt in
iger: dem Schwank „Literatur“, ist Schnitzler aus¬
iedene Welt= Pauline, die der Dame auffallend gleicht, die deutliche schönsten Weise. Recht gut und wirksam gab Herr
nahmsweise stark in's Triviale gerathen. Eine ge¬
noch keine Erinnerung an einen Vorgang, den sie einst in einer Stury den Remigio; daß der theatralische Abschluß
schiedene Frau und Abenteurerin ist, wie alle „Un¬
klar; doch früheren Verkörperung erlebt hat. Sie sieht sich als seiner Szene ganz unmöglich wirkte, war nicht seine,
verstandenen“, auf die Schriftstellerei verfallen, bei
bild genom= Paola, Gemahlin des florentinischen MalersRemigio, sondern Schnitzlere Schuld.
ihrer sehr bewegten Vergangenheit fehlt es ihr auch
Das dritte, „Die letzten Mosken“ betitelte
die Lionardo, dem jungen Farbenreiber des Meisters,
t überzeugen.
keineswegs an dankbarem Stoff. Mit einem Schrift¬
Stückchen führt in ein Wiener Krankenhaus, das
trotz aller Bewunderung ihres Gatten im Sinnen¬
orfer die Todte
steller von Beruf hat sie in München einen Liebes¬
rausche eine Liebesnacht gewährte, dann aber den Ver= dem verarmten und vor der Zeit gealterten Jour¬
ndelt er gegen
roman erlebt, sie schreibt diesen Roman und fügt
führer erdolchte. Der Auftritt im Atelier RemigiosInalisten Rademacher ein letztes Asyl bietet. Ein
en Sohn über
auch ihren Briefwechsel mit dem einstigen Geliebten #
wird szenisch vorgeführt um dann plötzlich wieder Jugendfreund des Herabgekommenen hat ale hohler
Enordes in Un¬
wußtsein zu er= der modernen Situation Platz zu machen. Imfatalist= Stieber Gold und Lorbern eingeheimst, ohne sich wörtlich ein, hat sie doch damals ihre eigenen Liebes¬
Ehen nicht auch ischen Banne der Anschauung, daß „Alles wieder um das immer tiefer hereinbrechende Elend seines briefe immer erst aufgesetzt und die Brouillons auf¬
Preis, wie sie kommen muß“, verspricht Pauline, sich Abends in der ehrlicheren und begabteren Genossen anders als mit bewahrt. Ihr neuester Galan und Bräutigam,
Wohnung Leonhards einzufinden; man weiß, daß hochmüthiger Herablassung zu bekümmern; seine ein äußerst naiver und höchst unliterarischer5
alten Realisten
sie ihren Lionardo zum zweiten Male ermorden wird. Frau, angewidert von der bald erkannten Nichtigkeit Wiener Sportsman, der von den früheren Aben¬
Anal todt, daran
Nimmt man die Entwicklung des sonderbaren des Gatten, hat sich heimlich Rademacher an den teuern seiner Margarethe nichts ahnt, läßt ihren be¬
s konsequenter
der ungestörten Stückchens einfach real, so kann man in den Ge= Hals geworfen und ist dessen Geliebte geworden. reits gedruckten Roman aus Schicklichkeitsgründen