1902.
3. Mai.
zur Bohemia Nr. 121.
Beilage
Mn
—
Leitrige meit mmn an de Kocknetlon, Angeizen an de Acäminlstention und Vemider an die Brpoälitlon der „Behentn sender
eme
S
die sich bewußt dem Leben entfremdet, haben] Harmonien lauscht, hat die Empfindung für
Diese
wir in unseren Tagen miterlebt, und es ist den Laut des Herzens verloren. —
Lebendige Stunden.
Ironie gegenüber der Hohlheit gespielter
kein Zweifel, daß Schnitzler, der selbst zu Be¬
Vier Eingcler von Arthur Schnitzler.
Empfindung erhält einen tragischen Schauer in
ginn seiner literarischen Thätigkeit nicht übel
Das Schaffen des Dichters und Künstlers
dem Einacter „Die letzten Masken“, dem
Lust zeigte, nach dieser Seite (hinzuneigen, im
überhaupt besteht aus zwei Momenten, die
bedeutendsten Stück im Cyclus. & Zwei arme
Widerspruch zu dieser Richtung auch seinerseits
freilich in der Wirklichkeit nicht logisch scharf
Kerle, ein Journalist Karl Rademacher und ein
bekennen wollte, daß ihm der Mensch höher
geschieden sind, in dem Aufnehmen des Welt¬
Schauspieler Florian Jackwerth, sind auf der
stehe als der Dichter.
bildes und dem Wiedergeben desselben. Dieses
letzten Station angekommen, in einem Extra¬
Es geht eine herbe Ironie durch die vier
doppelte Sein birgt einen Conflict in sich, dem
zimmer des Wiener Krankenhauses, das sie nicht
Einacter, aber gerade sie ist das Kennzeichen
kein Schaffender entgeht. Er muß auf einer
mehr gesund verlassen sollen. Der Schauspieler
der männlichen Weltauffassung, zu der sich
Seite der lebende, fühlende Mensch, auf der
phantasirt von seinen zukünftigen Erfolgen und
Schnitzler durchgerungen hat. Alle Stücke haben
anderen Seite der beobachtende Zuschauer sein,
lädt schon alle Spitalspersonen zu seinem ersten
eine epigrammatische Spitze, die fast allzusehr
auch da, wo es sich um eigene Erlebnisse han¬
Wiederauftreten. Bitterer ist das Herz Rade¬
hervortreten würde, wenn nicht Schnitzler mit
delt, und gerade da am schärfsten. Das volle
machers gestimmt. Er hat Großes gewollt und
feinem künstlerischem Sinn sein Motiv zu vollen
Gleichgewicht zwischen Erleben und Gestalten
wenig erreicht, und alle seine Talente sind der
Gemälden ausgestaltet hätte. Am härtesten tritt
herzustellen ist nur besonders Auserlesenen be¬
Welt verborgen geblieben. In seinem Pult
noch die Spitze in dem ersten Stücke hervor,
schieden, und wer weiß, ob es selbst bei dem
liegen die Zeugnisse eines aufwärts ringenden
das dem Cyklus den Namen gegeben hat,
harmonischesten der Menschen, bei Goethe aus¬
Geistes und in den letzten Momenten denkt er
„Lebendige Stunden“. Da steckt noch die Ver¬
geglichen war. Auch er wird oft genug die
daran, wie er nach seinem Tode sein Andenken
bitterung drin über das verzärtelte Wesen, den
Pein empfunden haben, daß sich zwischen das
noch zu rehabilitiren vermag. Aber in dieser
blutlosen Stimmungsucher. Aber gerade dieser
heißeste Empfinden der kühle Beobachter drängt,
Sorge um den Nachruhm mischt sich noch ein
Zorn hat Schnitzler die innigsten Worte ein¬
und in sich den Contrast durchgemacht haben,
anderes heftigeres Gefühl. Der Haß gegen
gegeben, die je über den Zwiespalt zwischen
wie er dem Auge zuweilen auffällt, wenn
den Dichter Weihegast, seinen Collegen von
Mensch und Dichter gesprochen worden sind.
irgend eine rasche, heiße That geschehen ist
ehemals, den die Welt überaus verehrt und
Der junge Dichter Heinrich ist vor Kurzem
und die neugierige Menge sich kalt herzudrängt.
den er im Innersten verachtet. Aber nicht nur
verwaist. Seine Mutter, die lange krank ge¬
Man hat es oft als besonderen Vorzug des
er, auch die Frau des Dichters Weihegast hat
wesen, ist plötzlich gestorben und Heinrich ist
Dichters gepriesen, daß er es vermag, sich über
die innere Leere des gefeierten Poeten erkannt
hinaus in die Welt, um sich Trost zu holen.
das Leben emporzuschwingen und das, was
und ist mit ihrem übervollen Herzen in die
Aber es treibt ihn wieder zurück in die Hei¬
Andere nur dumpf mitmachen, in feste, bleibende
Arme des Journalisten Rademachers geflohen.
math und sein erster Besuch gilt dem vertrauten
Form zu gießen. „Und wenn der Mensch in
Weihegast, der Dichter in seiner Nebelsphäre,
Freunde seiner Mutter, der die letzten Jahre
seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu
hat nichts davon gewußt. Und nun brennt
mit ihr in herzlichem Beisammensein verbracht
sagen, was ich leide.“ Dieser Vorzug, der sich
in dem armen, sterbenden Journalisten der
hat, dem pensionirten Beamten Anton Haus¬
gar ost in den überschwänglichen Ausdrücken
Wunsch, die letzte Maske von dem Gesichte
dorfer. Hausdorfer war der alten Frau, die
leines Gottesgnadenthums gespiegelt hat, ver¬
Weihegast's herabzureißen, und ihm, den Be¬
liert allgemach an Werth für eine Zeit, sich schon lange zuvor von ihrem Ehegatten
rühmten, noch vor seinem Sterben ins Gesicht
in welcher die Poesie nicht mehr unbedingt als hat scheiden lassen müssen, die einzige Stütze
zu sagen, daß Weihegast's Frau seine Ge¬
und ihr Sohn Heinrich war ihre einzige Hoff¬
der Herold der Zeit gilt, und da der Dichter
Er ersucht dringend den
liebte gewesen.
nung. Aber das Leiden zog sich durch Jahre
nicht mehr die große Macht über die Menschen
ihm noch eine Unter¬
Secundärarzt,
hin und die Mutter erforderte mehr Geduld
hat, die er vor dem besessen, besinnt er sich um
rebung mit Weihegast zu vermitteln, und der
als ihr selbst recht war. Namentlich schmerzte
so früher auf sich selbst und fragt sich, ob die
Doctor, der Mitleid mit dem armen Teufel
es sie, als der Sohn ihr Leiden als Stö¬
Einbuße, die der Mensch erleidet, durch den
hat, bewilligt seinen Wunsch und holt selbst
rung in seinen dichterischen Arbeiten em¬
Gewinn als Künstler immer aufgewogen
den Dichter. In der Zwischenzeit vertraut
pfand, und so faßte sie eines Tages den
wird. Dieser Conflict klingt ergreifend in Ib¬
Rademacher seinem Collegen, dem Schauspieler,
Entschluß, das Hinderniß aus dem Wege
sens Epilog „Wenn wir Todten erwachen“
was ihn quält, und hält an ihn „probeweise“.
zu räumen. Nur ihr Freund Hausdorfer
durch. Und wenn Irene den Professor Rubek
wie der Schauspieler es gewollt, die Ansprache,
sollte es wissen; sie verrieth es ihm in einem
mit einem harten Ton Dichter nennt, so er¬
die für den Weihegast bestimmt ist. Und nun
letzten Brief und beschwor ihn, dem Sohne
widert sie auf die Anfrage, warum sie ihn so
kommt der Dichter, vornehm, freundlich, herab¬
nichts davon zu sagen. Aber als Hausdorfer
bezeichnet: „weil Du ohne Kraft und Willen
lassend und Rademacher — sagt ihm nichts.
merkt, wie „objectiv“ Heinrich sich zum Tode
bist und voll Absolution für alle Deine Hand¬
Die letzten Masken herunterreißen? Wozu?
seiner Mutter stellt, kann er sich nicht zurück
lungen und Gedanken. Zuerst hast Du meine
Was geht ihn das noch an, der im Sterben
halten und theilt Heinrich mit, was seine
Seele gemordet und dann modellierst Du Dich
liegt? Er findet nur noch die Menschen arm¬
Mutter gethan hat. Heinrich antwortet im
selbst in Reue und Buße und Selbstanklage
selig, die auch morgen noch leben und — die
ersten Augenblick erschreckt, schon im zweiten
und damit, meinst Du dann, ist Dein
Komödie mitspielen müssen! Die kleine Tra¬
mit einer Phrase, die zeigt, daß ihm die unge¬
Conto beglichen.“ Vor Rubek stand das
gödie ist in ihrer Art ein Meisterstück, und
heuere Selbstopferung der Mutter als selbst¬
schöne, jugendliche, glühende Weib, das ihm
nur in der freilich nicht leicht vermeidbaren
verständlich erscheint, die ihm den Weg zum
mit ihrem schön geformten Körper das höchste
Weise, wie die Ansprache Rademachers an den
geistigen Fortschritt bahnt. „Mir bleibt nichts
Opfer gebracht, und nachdem er das große,
Schauspieler motivirt ist, empfindet man ein
anderes übrig als mich selbst zu tödten oder
seither berühmte Werk geschaffen, was sagt nun
wei die Maschine. In dem engen Rahmen spielt
den Beweis zu versuchen, daß meine Mutter
der Künstler zu seinem hingebenden Modell?
sich ein volles Leben ab, und ein echter Schauer
nicht vergeblich gestorben ist.“ Und Hausdorfer
„Ich danke Dir vom ganzen Herzen, Irene. Dies
tragischer Größe weht durch den resignirten
antwortet ihm jene schönen Worte, die allein
ist eine segensreiche Episode für mich ge¬
Ausklang des Stückes. Hier vergißt man voll¬
geeignet sind, dem ganzen Abend die Weihe zu
wesen.“ Auf der einen Seite die vollständige
ständig die Pointe über der mächtigen Stim¬
geben: „Heinrich! Vor einem Monat hat Deine
Hingabe, auf der anderen Seite die kühle Con¬
mung. Minder geglückt ist dies in dem zweiten
Mutter noch gelebt, und Du kannst so reden?
statirung eines künstlerischen Erfolges. Es ist
Stücke „Die Frau mit dem Dolche“, das selbst
Für Dich hat sie sich umgebracht, und Du
der Riß zwischen dem Menschen und Künstler,
mit dem Aufwand eines interessanten scenischen
gehst hin und schüttelst es von Dir ab? Und
der hier ausgesprochen ist. Zu diesem tief¬
Experimentes die Kühle der Reflexion nicht
in ein paar Tagen nimmst Du's vielleicht hin,
greifenden tragischen Gegensatz hat sich zu allen
ganz überwunden hat. Pauline, die Frau eines
als wär' es ihre Schuldigkeit gewesen? Habe
Zeiten ein zweiter komischer hinzugesellt. Der
Dichters, hat Beziehungen mit dem jungen
ich nicht recht? seid Ihr nicht Einer wie der
Dichter mochte gar nicht mehr im Leben stehen
Leonhard angeknüpft, die sie vergeblich in den
Andere? Hochmüthig seid Ihr — das ist es:
und fühlte sich nur in seiner erträumten Welt
Schranken zu halten sucht. Sie verehrt noch
hochmüthig, Alle, die Großen wie die Kleinen!
wohl, in der er Alleinherrscher war. In den
ihren Mann und versteht Leonhard nicht, da
Was ist denn Deine ganze Schreiberei, und
Poeten stieg ein ungemessener Hochmuth auf,
er ihr die Kühle auseinandersetzt, mit welcher
wenn Du das größte Genie bist, was ist sie
der nur ihre abstracte Welt gelten lassen
der Dichter die intimsten Erlebnisse seiner¬
denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige
wollte, und während sie alles Geschehen um
Frau in seinen Werken dem Pöbel zum
Stunde, in der Deine Mutter hier auf dem
sich her ausschließlich als eine unbequeme, über¬
Besten aibe ###er sie sall ihn verstehen¬
HH11
3. Mai.
zur Bohemia Nr. 121.
Beilage
Mn
—
Leitrige meit mmn an de Kocknetlon, Angeizen an de Acäminlstention und Vemider an die Brpoälitlon der „Behentn sender
eme
S
die sich bewußt dem Leben entfremdet, haben] Harmonien lauscht, hat die Empfindung für
Diese
wir in unseren Tagen miterlebt, und es ist den Laut des Herzens verloren. —
Lebendige Stunden.
Ironie gegenüber der Hohlheit gespielter
kein Zweifel, daß Schnitzler, der selbst zu Be¬
Vier Eingcler von Arthur Schnitzler.
Empfindung erhält einen tragischen Schauer in
ginn seiner literarischen Thätigkeit nicht übel
Das Schaffen des Dichters und Künstlers
dem Einacter „Die letzten Masken“, dem
Lust zeigte, nach dieser Seite (hinzuneigen, im
überhaupt besteht aus zwei Momenten, die
bedeutendsten Stück im Cyclus. & Zwei arme
Widerspruch zu dieser Richtung auch seinerseits
freilich in der Wirklichkeit nicht logisch scharf
Kerle, ein Journalist Karl Rademacher und ein
bekennen wollte, daß ihm der Mensch höher
geschieden sind, in dem Aufnehmen des Welt¬
Schauspieler Florian Jackwerth, sind auf der
stehe als der Dichter.
bildes und dem Wiedergeben desselben. Dieses
letzten Station angekommen, in einem Extra¬
Es geht eine herbe Ironie durch die vier
doppelte Sein birgt einen Conflict in sich, dem
zimmer des Wiener Krankenhauses, das sie nicht
Einacter, aber gerade sie ist das Kennzeichen
kein Schaffender entgeht. Er muß auf einer
mehr gesund verlassen sollen. Der Schauspieler
der männlichen Weltauffassung, zu der sich
Seite der lebende, fühlende Mensch, auf der
phantasirt von seinen zukünftigen Erfolgen und
Schnitzler durchgerungen hat. Alle Stücke haben
anderen Seite der beobachtende Zuschauer sein,
lädt schon alle Spitalspersonen zu seinem ersten
eine epigrammatische Spitze, die fast allzusehr
auch da, wo es sich um eigene Erlebnisse han¬
Wiederauftreten. Bitterer ist das Herz Rade¬
hervortreten würde, wenn nicht Schnitzler mit
delt, und gerade da am schärfsten. Das volle
machers gestimmt. Er hat Großes gewollt und
feinem künstlerischem Sinn sein Motiv zu vollen
Gleichgewicht zwischen Erleben und Gestalten
wenig erreicht, und alle seine Talente sind der
Gemälden ausgestaltet hätte. Am härtesten tritt
herzustellen ist nur besonders Auserlesenen be¬
Welt verborgen geblieben. In seinem Pult
noch die Spitze in dem ersten Stücke hervor,
schieden, und wer weiß, ob es selbst bei dem
liegen die Zeugnisse eines aufwärts ringenden
das dem Cyklus den Namen gegeben hat,
harmonischesten der Menschen, bei Goethe aus¬
Geistes und in den letzten Momenten denkt er
„Lebendige Stunden“. Da steckt noch die Ver¬
geglichen war. Auch er wird oft genug die
daran, wie er nach seinem Tode sein Andenken
bitterung drin über das verzärtelte Wesen, den
Pein empfunden haben, daß sich zwischen das
noch zu rehabilitiren vermag. Aber in dieser
blutlosen Stimmungsucher. Aber gerade dieser
heißeste Empfinden der kühle Beobachter drängt,
Sorge um den Nachruhm mischt sich noch ein
Zorn hat Schnitzler die innigsten Worte ein¬
und in sich den Contrast durchgemacht haben,
anderes heftigeres Gefühl. Der Haß gegen
gegeben, die je über den Zwiespalt zwischen
wie er dem Auge zuweilen auffällt, wenn
den Dichter Weihegast, seinen Collegen von
Mensch und Dichter gesprochen worden sind.
irgend eine rasche, heiße That geschehen ist
ehemals, den die Welt überaus verehrt und
Der junge Dichter Heinrich ist vor Kurzem
und die neugierige Menge sich kalt herzudrängt.
den er im Innersten verachtet. Aber nicht nur
verwaist. Seine Mutter, die lange krank ge¬
Man hat es oft als besonderen Vorzug des
er, auch die Frau des Dichters Weihegast hat
wesen, ist plötzlich gestorben und Heinrich ist
Dichters gepriesen, daß er es vermag, sich über
die innere Leere des gefeierten Poeten erkannt
hinaus in die Welt, um sich Trost zu holen.
das Leben emporzuschwingen und das, was
und ist mit ihrem übervollen Herzen in die
Aber es treibt ihn wieder zurück in die Hei¬
Andere nur dumpf mitmachen, in feste, bleibende
Arme des Journalisten Rademachers geflohen.
math und sein erster Besuch gilt dem vertrauten
Form zu gießen. „Und wenn der Mensch in
Weihegast, der Dichter in seiner Nebelsphäre,
Freunde seiner Mutter, der die letzten Jahre
seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu
hat nichts davon gewußt. Und nun brennt
mit ihr in herzlichem Beisammensein verbracht
sagen, was ich leide.“ Dieser Vorzug, der sich
in dem armen, sterbenden Journalisten der
hat, dem pensionirten Beamten Anton Haus¬
gar ost in den überschwänglichen Ausdrücken
Wunsch, die letzte Maske von dem Gesichte
dorfer. Hausdorfer war der alten Frau, die
leines Gottesgnadenthums gespiegelt hat, ver¬
Weihegast's herabzureißen, und ihm, den Be¬
liert allgemach an Werth für eine Zeit, sich schon lange zuvor von ihrem Ehegatten
rühmten, noch vor seinem Sterben ins Gesicht
in welcher die Poesie nicht mehr unbedingt als hat scheiden lassen müssen, die einzige Stütze
zu sagen, daß Weihegast's Frau seine Ge¬
und ihr Sohn Heinrich war ihre einzige Hoff¬
der Herold der Zeit gilt, und da der Dichter
Er ersucht dringend den
liebte gewesen.
nung. Aber das Leiden zog sich durch Jahre
nicht mehr die große Macht über die Menschen
ihm noch eine Unter¬
Secundärarzt,
hin und die Mutter erforderte mehr Geduld
hat, die er vor dem besessen, besinnt er sich um
rebung mit Weihegast zu vermitteln, und der
als ihr selbst recht war. Namentlich schmerzte
so früher auf sich selbst und fragt sich, ob die
Doctor, der Mitleid mit dem armen Teufel
es sie, als der Sohn ihr Leiden als Stö¬
Einbuße, die der Mensch erleidet, durch den
hat, bewilligt seinen Wunsch und holt selbst
rung in seinen dichterischen Arbeiten em¬
Gewinn als Künstler immer aufgewogen
den Dichter. In der Zwischenzeit vertraut
pfand, und so faßte sie eines Tages den
wird. Dieser Conflict klingt ergreifend in Ib¬
Rademacher seinem Collegen, dem Schauspieler,
Entschluß, das Hinderniß aus dem Wege
sens Epilog „Wenn wir Todten erwachen“
was ihn quält, und hält an ihn „probeweise“.
zu räumen. Nur ihr Freund Hausdorfer
durch. Und wenn Irene den Professor Rubek
wie der Schauspieler es gewollt, die Ansprache,
sollte es wissen; sie verrieth es ihm in einem
mit einem harten Ton Dichter nennt, so er¬
die für den Weihegast bestimmt ist. Und nun
letzten Brief und beschwor ihn, dem Sohne
widert sie auf die Anfrage, warum sie ihn so
kommt der Dichter, vornehm, freundlich, herab¬
nichts davon zu sagen. Aber als Hausdorfer
bezeichnet: „weil Du ohne Kraft und Willen
lassend und Rademacher — sagt ihm nichts.
merkt, wie „objectiv“ Heinrich sich zum Tode
bist und voll Absolution für alle Deine Hand¬
Die letzten Masken herunterreißen? Wozu?
seiner Mutter stellt, kann er sich nicht zurück
lungen und Gedanken. Zuerst hast Du meine
Was geht ihn das noch an, der im Sterben
halten und theilt Heinrich mit, was seine
Seele gemordet und dann modellierst Du Dich
liegt? Er findet nur noch die Menschen arm¬
Mutter gethan hat. Heinrich antwortet im
selbst in Reue und Buße und Selbstanklage
selig, die auch morgen noch leben und — die
ersten Augenblick erschreckt, schon im zweiten
und damit, meinst Du dann, ist Dein
Komödie mitspielen müssen! Die kleine Tra¬
mit einer Phrase, die zeigt, daß ihm die unge¬
Conto beglichen.“ Vor Rubek stand das
gödie ist in ihrer Art ein Meisterstück, und
heuere Selbstopferung der Mutter als selbst¬
schöne, jugendliche, glühende Weib, das ihm
nur in der freilich nicht leicht vermeidbaren
verständlich erscheint, die ihm den Weg zum
mit ihrem schön geformten Körper das höchste
Weise, wie die Ansprache Rademachers an den
geistigen Fortschritt bahnt. „Mir bleibt nichts
Opfer gebracht, und nachdem er das große,
Schauspieler motivirt ist, empfindet man ein
anderes übrig als mich selbst zu tödten oder
seither berühmte Werk geschaffen, was sagt nun
wei die Maschine. In dem engen Rahmen spielt
den Beweis zu versuchen, daß meine Mutter
der Künstler zu seinem hingebenden Modell?
sich ein volles Leben ab, und ein echter Schauer
nicht vergeblich gestorben ist.“ Und Hausdorfer
„Ich danke Dir vom ganzen Herzen, Irene. Dies
tragischer Größe weht durch den resignirten
antwortet ihm jene schönen Worte, die allein
ist eine segensreiche Episode für mich ge¬
Ausklang des Stückes. Hier vergißt man voll¬
geeignet sind, dem ganzen Abend die Weihe zu
wesen.“ Auf der einen Seite die vollständige
ständig die Pointe über der mächtigen Stim¬
geben: „Heinrich! Vor einem Monat hat Deine
Hingabe, auf der anderen Seite die kühle Con¬
mung. Minder geglückt ist dies in dem zweiten
Mutter noch gelebt, und Du kannst so reden?
statirung eines künstlerischen Erfolges. Es ist
Stücke „Die Frau mit dem Dolche“, das selbst
Für Dich hat sie sich umgebracht, und Du
der Riß zwischen dem Menschen und Künstler,
mit dem Aufwand eines interessanten scenischen
gehst hin und schüttelst es von Dir ab? Und
der hier ausgesprochen ist. Zu diesem tief¬
Experimentes die Kühle der Reflexion nicht
in ein paar Tagen nimmst Du's vielleicht hin,
greifenden tragischen Gegensatz hat sich zu allen
ganz überwunden hat. Pauline, die Frau eines
als wär' es ihre Schuldigkeit gewesen? Habe
Zeiten ein zweiter komischer hinzugesellt. Der
Dichters, hat Beziehungen mit dem jungen
ich nicht recht? seid Ihr nicht Einer wie der
Dichter mochte gar nicht mehr im Leben stehen
Leonhard angeknüpft, die sie vergeblich in den
Andere? Hochmüthig seid Ihr — das ist es:
und fühlte sich nur in seiner erträumten Welt
Schranken zu halten sucht. Sie verehrt noch
hochmüthig, Alle, die Großen wie die Kleinen!
wohl, in der er Alleinherrscher war. In den
ihren Mann und versteht Leonhard nicht, da
Was ist denn Deine ganze Schreiberei, und
Poeten stieg ein ungemessener Hochmuth auf,
er ihr die Kühle auseinandersetzt, mit welcher
wenn Du das größte Genie bist, was ist sie
der nur ihre abstracte Welt gelten lassen
der Dichter die intimsten Erlebnisse seiner¬
denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige
wollte, und während sie alles Geschehen um
Frau in seinen Werken dem Pöbel zum
Stunde, in der Deine Mutter hier auf dem
sich her ausschließlich als eine unbequeme, über¬
Besten aibe ###er sie sall ihn verstehen¬
HH11