II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 468

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die sich bewußt dem Leben entfremdet, haben Harmonien lauscht, hat die Empfindung für
Diese
den Laut des Herzens verloren.
wir in unseren Tagen miterlebt, und es ist
Lebendige Stunden.
Ironie gegenüber der Hohlheit gespielter
kein Zweifel, daß Schnitzler, der selbst zu Be¬
Vier Einacter von Arthur Schnitzler.
Empfindung erhält einen tragischen Schauer in
ginn seiner literarischen Thätigkeit nicht übel
Das Schaffen des Dichters und Künstlers
dem Einacter „Die letzten Masken“, den
Lust zeigte, nach dieser Seite thinzuneigen, im
überhaupt besteht aus zwei Momenten, die
bedeutendsten Stück im Cyclus. & Zwei arme
Widerspruch zu dieser Richtung auch seinerseits
freilich in der Wirklichkeit nicht logisch scharf
Kerle, ein Journalist Karl Rademacher und ein
bekennen wollte, daß ihm der Mensch höher
geschieden sind, in dem Aufnehmen des Welt¬
Schauspieler Florian Jackwerth, sind auf der
stehe als der Dichter.
bildes und dem Wiedergeben desselben. Dieses
letzten Station angekommen, in einem Extra¬
Es geht eine herbe Ironie durch die vier
doppelte Sein birgt einen Conflict in sich, dem
zimmer des Wiener Krankenhauses, das sie nicht
Einacter, aber gerade sie ist das Kennzeichen
kein Schaffender entgeht. Er muß auf einer
mehr gesund verlassen sollen. Der Schauspieler
der männlichen Weltauffassung, zu der sich
Seite der lebende, fühlende Mensch, auf der
phantasirt von seinen zukünftigen Erfolgen und
Schnitzler durchgerungen hat. Alle Stücke haben
anderen Seite der beobachtende Zuschauer sein,
lädt schon alle Spitalspersonen zu seinem ersten
eine epigrammatische Spitze, die fast allzusehr
##uch da, wo es sich um eigene Erlebnisse han¬
Wiederauftreten. Bitterer ist das Herz Rade¬
hervortreten würde, wenn nicht Schnitzler mit
dels, und gerade da am schärfsten. Das volle
machers gestimmt. Er hat Großes gewollt und
feinem künstlerischem Sinn sein Motiv zu vollen
richgewicht zwischen Erleben und Gestalten
wenig erreicht, und alle seine Talente sind der
Gemälden ausgestaltet hätte. Am härtesten tritt
beszustellen ist nur besonders Auserlesenen be¬
Welt verborgen geblieben. In seinem Pult
noch die Spitze in dem ersten Stücke hervor,
schieben, und wer weiß, ob es selbst bei dem
liegen die Zeugnisse eines aufwärts ringenden
das dem Cyklus den Namen gegeben hat,
harmonischesten der Menschen, bei Goethe aus¬
Geistes und in den letzten Momenten denkt er
„Lebendige Stunden“. Da steckt noch die Ver¬
geglichen war. Auch er wird oft genug die
daran, wie er nach seinem Tode sein Andenken
bitterung drin über das verzärtelte Wesen, den
Pein empfunden haben, daß sich zwischen das
noch zu rehabilitiren vermag. Aber in dieser
blutlosen Stimmungsucher. Aber gerabe dieser
heißeste Empfinden der kühle Beobachter drängt,
Sorge um den Nachruhm mischt sich noch ein
Zorn hat Schnitzler die innigsten Worte ein¬
und in sich den Contrast durchgemacht haben,
anderes heftigeres Gefühl. Der Haß gegen
gegeben, die je über den Zwiespalt zwischen
wie er dem Auge zuweilen auffällt, wenn
den Dichter Weihegast, seinen Collegen von
Mensch und Dichter gesprochen worden sind.
irgend eine rasche, heiße That geschehen ist
ehemals, den die Welt überaus verehrt und
Der junge Dichter Heinrich ist vor Kurzem
und die neugierige Menge sich kalt herzudrängt.
verwaist. Seine Mutter, die lange krank ge= den er im Innersten verachtet. Aber nicht nur
Man hat es oft als besonderen Vorzug des
wesen, ist plötzlich gestorben und Heinrich ists er, auch die Frau des Dichters Weihegast hat
Dichters gepriesen, daß er es vermag, sich über
hinaus in die Welt, um sich Trost zu holen, die innere Leere des gefeierten Poeten erkannt
das Leben emporzuschwingen und das, was
und ist mit ihrem übervollen Herzen in die
Aber es treibt ihn wieder zurück in die Hei¬
Andere nur dumpf mitmachen, in feste, bleibende
Arme des Journalisten Rademachers geflohen.
math und sein erster Besuch gilt dem vertrauten
Form zu gießen. „Und wenn der Mensch in
Weihegast, der Dichter in seiner Nebelsphäre,
Freunde seiner Mutter, der die letzten Jahre
seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu
hat nichts davon gewußt. Und nun brennt
mit ihr in herzlichem Beisammensein verbracht
sagen, was ich leide.“ Dieser Vorzug, der sich
in dem armen, sterbenden Journalisten der
hat, dem pensionirten Beamten Anton Haus¬
gar oft in den überschwänglichen Ausdrücken
Wunsch, die letzte Maske von dem Gesichte
dorfer. Hausdorfer war der alten Frau, die
leines Gottesgnadenthums gespiegelt hat, ver¬
Weihegast's herabzureißen, und ihm, den Be¬
sich schon lange zuvor von ihrem Ehegatten
liert allgemach an Werth für eine Zeit,
rühmten, noch vor seinem Sterben ins Gesicht
hat scheiden lassen müssen, die einzige Stütze
in welcher die Poesie nicht mehr unbedingt als
zu sagen, daß Weihegast's Frau seine Ge¬
und ihr Sohn Heinrich war ihre einzige Hoff¬
der Herold der Zeit gilt, und da der Tichter
Er ersucht dringend den
nung. Aber das Leiden zog sich durch Jahre liebte gewesen.
nicht mehr die große Macht über die Menschen
Secundärarzt, ihm noch eine Unter¬
hin und die Mutter erforderte mehr Geduld
hat, die er vor dem besessen, besinnt er sich um
als ihr selbst recht war. Namentlich schmerzte redung mit Weihegast zu vermitteln, und der
so früher auf sich selbst und fragt sich, ob die
es sie, als der Sohn ihr Leiden als Stö= Doctor, der Mitleid mit dem armen Teufel
Einbuße, die der Meusch erleidet, durch den
rung in seinen dichterischen Arbeiten em= hat, bewilligt seinen Wunsch und holt selbst
Gewinn als Künstler immer aufgewogen
pfand, und so faßte sie eines Tages den den Dichter. In der Zwischenzeit vertraut
wird. Dieser Conflict klingt ergreifend in Ib¬
Rademacher seinem Collegen, dem Schauspieler,
Entschluß, das Hinderniß aus dem Wege
sens Epilog „Wenn wir Todten erwachen“
was ihn quält, und hält an ihn „probeweise“.
zu räumen. Nur ihr Freund Hausdorfer
durch. Und wenn Irene den Professor Rubek
wie der Schauspieler es gewollt, die Ansprache,
mit einem harten Ton Dichter nennt, so er= sollte es wissen; sie verrieth es ihm in einem
die für den Weihegast bestimmt ist. Und unn
letzten Brief und beschwor ihn, dem Sohne
widert sie auf die Anfrage, warum sie ihn so
kommt der Dichter, vornehm, freundlich, herab¬
bezeichnet: „weil Du ohne Kraft und Willen nichts davon zu sagen. Aber als Hausdorser
lassend und Rademacher — sagt ihm nichts.
merkt, wie „objectiv“ Heinrich sich zum Tode
bist und voll Absolution für alle Deine Hand¬
Die letzten Masken herunterreißen? Wozu?
seiner Mutter stellt, kann er sich nicht zurück
lungen und Gedanken. Zuerst hast Du meine
Was geht ihn das noch an, der im Sterben#
halten und theilt Heinrich mit, was seine
Seele gemordet und dann modellierst Yu Dich
liegt? Er findet nur noch die Menschen arm¬
selbst in Reue und Buße und Selbstanklage Mutter gethan hat. Heinrich antwortet im
selig, die auch morgen noch leben und — die
ersten Augenblick erschreckt, schon im zweiten
und damit, meinst Du dann, ist Dein
Komödie mitspielen müssen! Die kleine Tra¬
mit einer Phrase, die zeigt, daß ihm die unge¬
Conto beglichen.“ Vor Rubek stand das
gödie ist in ihrer Art ein Meisterstück, und
schöne, jugendliche, glühende Weib, das ihm heuere Selbstopferung der Mutter als selbst¬
nur in der freilich nicht leicht vermeidbaren
verständlich erscheint, die ihm den Weg zum
mit ihrem schön geformten Körper das höchste
Weise, wie die Ansprache Rademachers an den
geistigen Fortschritt bahnt. „Mir bleibt nichts
Opfer gebracht, und nachdem er das große,
Schauspieler motivirt ist, empfindet man ein
anderes übrig als mich selbst zu tödten oder
seither berühmte Werk geschaffen, was sagt nun
wenig die Maschine. In dem engen Rahmen spielt
den Beweis zu versuchen, daß meine Mutter
der Künstler zu seinem hingebenden Modell?
sich ein volles Leben ab, und ein echter Schauer
nicht vergeblich gestorben ist.“ Und Hausdorfer
„Ich danke Dir vom ganzen Herzen, Irene. Dies
tragischer Größe weht durch den resignirten
antwortet ihm jene schönen Worte, die allein
ist eine segensreiche Episode für mich ge¬
Ausklang des Stückes. Hier vergißt man voll¬
wesen.“ Auf der einen Seite die vollständige geeignet sind, dem ganzen Abend die Weihe zu
ständig die Pointe über der mächtigen Stim¬
Hingabe, auf der anderen Seite die kühle Con= geben: „Heinrich! Vor einem Monat hat Deine
mung. Minder geglückt ist dies in dem zweiten
statirung eines künstlerischen Erfolges. Es ist Mutter noch gelebt, und Du kannst so reden?
Stücke „Die Frau mit dem Dolche“, das selbst
der Riß zwischen m Menschen und Künstler, Für Dich hat sie sich umgebracht, und Du
mit dem Aufwand eines interessanten scenischen
gehst hin und schüttelst es von Dir ab? Und
der hier ausgesprochen ist. Zu diesem tief¬
Experimentes die Kühle der Reflexion nicht
in ein paar Tagen nimmst Du's vielleicht hin,
greifenden tragischen Gegensatz hat sich zu allen
als wär' es ihre Schuldigkeit gewesen? Habe ganz überwunden hat. Pauline, die Frau eines
Zeiten ein zweiter komischer hinzugesellt. Der
Dichters, hat Beziehungen mit dem jungen
ich nicht recht? seid Ihr nicht Einer wie der
Dichter mochte gar nicht mehr im Leben stehen
Leonhard angeknüpft, die sie vergeblich in den
Andere? Hochmüthig seid Ihr — das ist es:
und fühlte sich nur in seiner erträumten Welt
Schranken zu halten sucht. Sie verehrt noch
wohl, in der er Alleinherrscher war. In den hochmüthig, Alle, die Großen wie die Kleinen!
ihren Mann und versteht Leonhard nicht, da
Was ist denn Deine ganze Schreiberei, und
Poeten stieg ein ungemessener Hochmuth auf,
er ihr die Kühle auseinandersetzt, mit welcher
wenn Du das größte Genie bist, was ist sie
der nur ihre abstracte Welt gelten lassen
denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige der Dichter die intimsten Erlebnisse seiner
wollte, und während sie alles Geschehen um
Frau in seinen Werken dem Pöbel zum
Stunde, in der Deine Mutter hier auf dem
sich her ausschließlich als eine unbequeme, über¬
Besten gibt. Aber sie soll ihn verstehen.
Lehnstuhl gesessen ist und zu uns geredet hat,
flüssige Störung ihrer Träume empfanden,
lernen. Vor einem Bilde in der Galerie „Die¬
oder auch geschwiegen — aber da ist sie ge¬
hegten und pflegten sie um so inniger ihre Ge¬
Frau mit dem Dolche“ aus der Renaissancezeit
wesen — da! und sie hat gelebt, gelebt!“
fühle und Gefühlchen, von denen uns auch nicht
Und Heinrich? Er antwortet wieder mit einer sind sie zusammengekommen und das Gesicht der
die Schwingung einer Secunde erspart ge¬
blieben ist. Beispiele dieser Selbstgefälligkeit, Phrase, sein Ohr, das auf angeblich höhere! Dame erinnert so lebhaft an das Paulineus,