Telephon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 31
„OBSERYER
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 12.
- Filiale in Budapest: „Figyelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
V. 110 T.
vom:
(Brünner Stadttheater.) Ein großes Sterben
fand gestern Abends auf unserer Schaubühne statt.
Die Leute starben ratenweise: in vier Einaktern. Im
ersten Akte stirbt eine ältere hypochondrische Frau frei¬
willig, um dem Sohne, der Dichter ist, die Disposition
zum Schaffen wiederzugeben. Im zweiten Akte fällt
ein junger Mann unter dem Dolchstiche seiner hysterischen
Geliebten, einer verheirateten Frau. Der dritte Ein¬
akter versetzt uns ins allgemeine Krankenhaus, wo wir j#
50 Ze
Für
Lungentranke dem Tode geweiht sehen; ein Journalist 9.
100
ar
200
beschließt hier vor unseren Augen sein verfehltes aus.
500
Leben. Im vierten einaktigen Stücke endet ein Roman
„ 1000
in Liebesbriefen sein Dasein, indem die ganze Auflaget das
vernichtet wird. Dieses große Sterben in vier Ein= s den
Abonnement
gaktern nennt deren Verfasser Arthur Schnitzler nicht
Abonnenten
etwa „Morituri“ oder „Mortui“ sondern „Lebendigend die
Der „Stunden“. Der Autor versteht darunter Stunden, inrgen¬
Inhaltsangaldenen man das Recht auf dus Leben voll geltenditung")
blätter (macht oder in welchen das Leben sein Recht bean=#ttliche
wodurch ein
sprucht. Der gemeinsame Titel ist etwas gekünstelt,se Ait¬
Leben des
gesucht. Doch auf den Namen käme es uns nicht an,
theilungen
wenn der Inhalt bei all seinem Geistreichtum nicht
so unerquicklich, cynisch und frivol, jedes feinere
Gefühl verletzend, wäre. Von den vier Einaktern ist
nur der letzte, betitelt: „Literatur“, ein echter Schnitzler;
dieses Stückchen hat einen witzsprühenden, keck ausge¬
lassenen Dialog, der allerdings nicht für junge
Mädchen geschrieben ist. Die Aufführung der Novität
in unserem Theater machte den Eindruck des Ueber¬
hasteten; etliche Proben mehr würden der Darstellung
nicht geschadet haben. Die Première glich fast einer
Generalprobe vor geladenen Gästen. In dem Ein¬
leitungsstücke waren die Herren Ott (Hausdorfer),
Recke (Heinrich) und Teller (Borromäus)
beschäftigt. Das zweite Stück: „Die Frau mit dem
Dolche“, wurde von Frau Foerster und den Herren
Werner=Eigen (Leonhard) und Albin (Remigio)
dargestellt. „Die letzten Masken“ kamen nicht zur vollen
Wirkung, da Herr Teller (Journalist) nicht ganz
auf seinem Platze war. Herr Frank als Schauspieler
that seine volle Schuldigkeit, Herr Albin genügte.
In den kleineren Rollen wirkten die Herren Rittig
(Dr. Halmschläger) und Recke (Dr. Tann), sowie Frau
Wiesner mit Erfolg. Das letzte Stück, aufgeführt
von Frau Foerster (Margarete) im Vereine mit den
Herren Werner=Eigen Klemens) und Charlé
(Gilbert), gefiel am besten. In die Regie teilten sich
die Herren Direktor Lechner und Haller. Das
zahlreich versammelte Publikum verfolgte mit Interesse
die Vorgänge auf der Szene und spendete den Haupt¬
H.
darstellern Beifall.
Filiale in Budapest: „Figyel5“-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Gent, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
iernitt aus:
X10 9790 L.
— Arthur Schnitzler ist ein Künstler literarischer
Filigranarbeit: alle seine Schauspiele zeigen neben
glücklicher Erfindung und geschicktem Aufbau feine,
jauber=gefällige Durchführung und blendenden Dialog. i!
Diesen für die Beurteilung eines Dramatikers wichtigen
Eigenschaften verdankt Schnitzler den Bühnenerfolg
so mancher Composition, von denen wir nur „Anatol“,
„Liebelei" und „Freiwild“ als Beispiele anführen
wollen. Donnerstag stellte sich der Dichter mit vier
Einaktern ein, die zwar nicht alle von dem gleichen selnsive
literarischen Werte sind, deren jeder jedoch ein Porto.
wärmeres Interesse heanspruchen kann; namentlich hulbar
gilt dies von dem Schauspiele „Die letzten Masken“|Voraus.
und dem Lustspiele „Literatur". Das erste Stück
ist das
„ „Lebendige Stunden“ hat eigentlich mehr epischenst es den
Fals dramatischen Charakter: Bericht und Reflexion.
überwuchern die Handlung. In einfach hingeworfenen
Umrissen erfahren wir von dem Opfer, das die Mutterstend die
geines Dichters bringt, um die erlahmende Kraft deshrgen¬
Sohnes zu neuem Schaffensdrange anzufeuern. Das eitung")
haftliche
e1Opfer — der Selbstmord — soll also stimulierend wirken,
ese Mit¬
ganz so, wie es in Wirklichkeit im Jahre 1834 die
Gattin des von krankhaftem Ehrgeiz verzehrten Dichters
Heinrich Stieglitz mit ihrer unglückseligen Tat be¬
absichtigte. Herr Recke gab den Dichter „Heinrich“
in schlichter, aber sehr zutreffender Weise, Herr Ott
(Anton Hausdorfer) brachte die Anklage gegen den
Sohn in ruhiger, aber darum umso eindringlicherer
Hiede. Herr Teller vervollständigte als der brave,
treu ergebene, alte Diener „Borromäus“ glücklich dass#
Ensemble. — Das zweite Schauspiel „Die Frau
mit dem Dolche“ arbeitet mit den Mitteln der ?##
Momantiker; ein Bild einer Gemäldegallerie wird
evendig und greift in eine Liebesaffaire entscheidend 5
sein. Frau Forster (Pauline) entfaltete besonders
während der Vision leidenschaftliches Feuer. Herr
Werner=Eigen (Leonhard) war anfangs viel zu
kalt und überstürzte sich dann in der Traumszene, so
daß er oft ganz unverständlich war. Herr Rittig?
(Remigio) gab seinen Part recht kraftvoll. — Das
dritte Schauspiel „Die letzten Masken“ bringt
einen von der Menge hochgefeierten Schriftsteller ansk
das Sterbelager eines armen Journalisten, der das
huhle Wesen des von der getäuschten Welt Be¬
Hunderten kar durchschaut. Dieses Schauspiel verrät
ungemein feine psychologische Beobachtung; es bietet
auch eine treffliche Detailmalerei der einzelnen
Charaktere. Herr Teller bot als der sterbende
Journalist „Karl Radmacher“, dem das Schicksal übel
mitgespielt hat, eine treffliche Leistung; ebenso lobend
sei des Herrn Frank (Jackwerth) gedacht. Herr
„
Albin schuf mit dem Dichter „Alexander Weihgast,
per mit seinem geringen Pfunde in geschickter Weise
zu wuchern versteht, eine glänzende Gestalt, die be¬
sonders durch die Beschränkung, deren sich der Dar¬
steller befliß gewann. Sonst seien noch Herr Rittig
(Dr. Halmschläger) und Frau Wiesner (Wärterin)
genannt. Das Schlußstück, das Lustspiel „Literatur“
geißelt mit Humor die Bemühung gewisser Dichterinnen
„von heute“, die sich abquälen, so viel Lascivität als
möglich aufzubringen, um Erfolg zu haben. Sollten
wir uns täuschen, wenn wir vermuten, die Satire
sichte sich gegen eine bestimmte „Margarete“? Der
ame scheint uns nicht absichtslos gewählt. Gespielt
urde das Lustsoiel vortrefflich. Frau Förster war
eine temperamentvolle „Margarethe“. Herr Werner¬
Eigen fand sich mit der Rolle des beschränkten
kurfhelden und Gecken „Clemens“ in erfreulicher
Weise ab und charakterisierte denselben richtig. Eine
höchst ergötzliche Bühnenfigur schuf Herr Charlé
mit seinem „Gilbert". Das Publikum nahm die vier
Stücke mit großem Beifall auf, an dem besonders
Frau Förster und die Herren Teller, Frank,
Charlé und Rittig Anteil hatten. Nach dem
zweiten Stücke mußte auch der Regisser Herr Haller
für den gespendeten Beifall danken.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 31
„OBSERYER
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 12.
- Filiale in Budapest: „Figyelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
V. 110 T.
vom:
(Brünner Stadttheater.) Ein großes Sterben
fand gestern Abends auf unserer Schaubühne statt.
Die Leute starben ratenweise: in vier Einaktern. Im
ersten Akte stirbt eine ältere hypochondrische Frau frei¬
willig, um dem Sohne, der Dichter ist, die Disposition
zum Schaffen wiederzugeben. Im zweiten Akte fällt
ein junger Mann unter dem Dolchstiche seiner hysterischen
Geliebten, einer verheirateten Frau. Der dritte Ein¬
akter versetzt uns ins allgemeine Krankenhaus, wo wir j#
50 Ze
Für
Lungentranke dem Tode geweiht sehen; ein Journalist 9.
100
ar
200
beschließt hier vor unseren Augen sein verfehltes aus.
500
Leben. Im vierten einaktigen Stücke endet ein Roman
„ 1000
in Liebesbriefen sein Dasein, indem die ganze Auflaget das
vernichtet wird. Dieses große Sterben in vier Ein= s den
Abonnement
gaktern nennt deren Verfasser Arthur Schnitzler nicht
Abonnenten
etwa „Morituri“ oder „Mortui“ sondern „Lebendigend die
Der „Stunden“. Der Autor versteht darunter Stunden, inrgen¬
Inhaltsangaldenen man das Recht auf dus Leben voll geltenditung")
blätter (macht oder in welchen das Leben sein Recht bean=#ttliche
wodurch ein
sprucht. Der gemeinsame Titel ist etwas gekünstelt,se Ait¬
Leben des
gesucht. Doch auf den Namen käme es uns nicht an,
theilungen
wenn der Inhalt bei all seinem Geistreichtum nicht
so unerquicklich, cynisch und frivol, jedes feinere
Gefühl verletzend, wäre. Von den vier Einaktern ist
nur der letzte, betitelt: „Literatur“, ein echter Schnitzler;
dieses Stückchen hat einen witzsprühenden, keck ausge¬
lassenen Dialog, der allerdings nicht für junge
Mädchen geschrieben ist. Die Aufführung der Novität
in unserem Theater machte den Eindruck des Ueber¬
hasteten; etliche Proben mehr würden der Darstellung
nicht geschadet haben. Die Première glich fast einer
Generalprobe vor geladenen Gästen. In dem Ein¬
leitungsstücke waren die Herren Ott (Hausdorfer),
Recke (Heinrich) und Teller (Borromäus)
beschäftigt. Das zweite Stück: „Die Frau mit dem
Dolche“, wurde von Frau Foerster und den Herren
Werner=Eigen (Leonhard) und Albin (Remigio)
dargestellt. „Die letzten Masken“ kamen nicht zur vollen
Wirkung, da Herr Teller (Journalist) nicht ganz
auf seinem Platze war. Herr Frank als Schauspieler
that seine volle Schuldigkeit, Herr Albin genügte.
In den kleineren Rollen wirkten die Herren Rittig
(Dr. Halmschläger) und Recke (Dr. Tann), sowie Frau
Wiesner mit Erfolg. Das letzte Stück, aufgeführt
von Frau Foerster (Margarete) im Vereine mit den
Herren Werner=Eigen Klemens) und Charlé
(Gilbert), gefiel am besten. In die Regie teilten sich
die Herren Direktor Lechner und Haller. Das
zahlreich versammelte Publikum verfolgte mit Interesse
die Vorgänge auf der Szene und spendete den Haupt¬
H.
darstellern Beifall.
Filiale in Budapest: „Figyel5“-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Gent, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
iernitt aus:
X10 9790 L.
— Arthur Schnitzler ist ein Künstler literarischer
Filigranarbeit: alle seine Schauspiele zeigen neben
glücklicher Erfindung und geschicktem Aufbau feine,
jauber=gefällige Durchführung und blendenden Dialog. i!
Diesen für die Beurteilung eines Dramatikers wichtigen
Eigenschaften verdankt Schnitzler den Bühnenerfolg
so mancher Composition, von denen wir nur „Anatol“,
„Liebelei" und „Freiwild“ als Beispiele anführen
wollen. Donnerstag stellte sich der Dichter mit vier
Einaktern ein, die zwar nicht alle von dem gleichen selnsive
literarischen Werte sind, deren jeder jedoch ein Porto.
wärmeres Interesse heanspruchen kann; namentlich hulbar
gilt dies von dem Schauspiele „Die letzten Masken“|Voraus.
und dem Lustspiele „Literatur". Das erste Stück
ist das
„ „Lebendige Stunden“ hat eigentlich mehr epischenst es den
Fals dramatischen Charakter: Bericht und Reflexion.
überwuchern die Handlung. In einfach hingeworfenen
Umrissen erfahren wir von dem Opfer, das die Mutterstend die
geines Dichters bringt, um die erlahmende Kraft deshrgen¬
Sohnes zu neuem Schaffensdrange anzufeuern. Das eitung")
haftliche
e1Opfer — der Selbstmord — soll also stimulierend wirken,
ese Mit¬
ganz so, wie es in Wirklichkeit im Jahre 1834 die
Gattin des von krankhaftem Ehrgeiz verzehrten Dichters
Heinrich Stieglitz mit ihrer unglückseligen Tat be¬
absichtigte. Herr Recke gab den Dichter „Heinrich“
in schlichter, aber sehr zutreffender Weise, Herr Ott
(Anton Hausdorfer) brachte die Anklage gegen den
Sohn in ruhiger, aber darum umso eindringlicherer
Hiede. Herr Teller vervollständigte als der brave,
treu ergebene, alte Diener „Borromäus“ glücklich dass#
Ensemble. — Das zweite Schauspiel „Die Frau
mit dem Dolche“ arbeitet mit den Mitteln der ?##
Momantiker; ein Bild einer Gemäldegallerie wird
evendig und greift in eine Liebesaffaire entscheidend 5
sein. Frau Forster (Pauline) entfaltete besonders
während der Vision leidenschaftliches Feuer. Herr
Werner=Eigen (Leonhard) war anfangs viel zu
kalt und überstürzte sich dann in der Traumszene, so
daß er oft ganz unverständlich war. Herr Rittig?
(Remigio) gab seinen Part recht kraftvoll. — Das
dritte Schauspiel „Die letzten Masken“ bringt
einen von der Menge hochgefeierten Schriftsteller ansk
das Sterbelager eines armen Journalisten, der das
huhle Wesen des von der getäuschten Welt Be¬
Hunderten kar durchschaut. Dieses Schauspiel verrät
ungemein feine psychologische Beobachtung; es bietet
auch eine treffliche Detailmalerei der einzelnen
Charaktere. Herr Teller bot als der sterbende
Journalist „Karl Radmacher“, dem das Schicksal übel
mitgespielt hat, eine treffliche Leistung; ebenso lobend
sei des Herrn Frank (Jackwerth) gedacht. Herr
„
Albin schuf mit dem Dichter „Alexander Weihgast,
per mit seinem geringen Pfunde in geschickter Weise
zu wuchern versteht, eine glänzende Gestalt, die be¬
sonders durch die Beschränkung, deren sich der Dar¬
steller befliß gewann. Sonst seien noch Herr Rittig
(Dr. Halmschläger) und Frau Wiesner (Wärterin)
genannt. Das Schlußstück, das Lustspiel „Literatur“
geißelt mit Humor die Bemühung gewisser Dichterinnen
„von heute“, die sich abquälen, so viel Lascivität als
möglich aufzubringen, um Erfolg zu haben. Sollten
wir uns täuschen, wenn wir vermuten, die Satire
sichte sich gegen eine bestimmte „Margarete“? Der
ame scheint uns nicht absichtslos gewählt. Gespielt
urde das Lustsoiel vortrefflich. Frau Förster war
eine temperamentvolle „Margarethe“. Herr Werner¬
Eigen fand sich mit der Rolle des beschränkten
kurfhelden und Gecken „Clemens“ in erfreulicher
Weise ab und charakterisierte denselben richtig. Eine
höchst ergötzliche Bühnenfigur schuf Herr Charlé
mit seinem „Gilbert". Das Publikum nahm die vier
Stücke mit großem Beifall auf, an dem besonders
Frau Förster und die Herren Teller, Frank,
Charlé und Rittig Anteil hatten. Nach dem
zweiten Stücke mußte auch der Regisser Herr Haller
für den gespendeten Beifall danken.