II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 523

Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater.
„Lebendige Stunden.“ Von Arthur Schnitzler.
Schnitzler's „Lebendige Stunden“, die ge¬
stern im Volkstheater gegeben wurden, sind be¬
reits vor ungefähr Jahresfrist im Carl=Theater
durch das Ensemble des Berliner Deutschen Thea¬
ters zur Aufführung gelangt. Da inzwischen
schon ein anderes Stück Schnitzler's seine Pre¬
miere — in Berlin gehabt hat. bekommen wir
Für 50
jetzt endlich die „Lebendigen Stunden“ auch im
100
inclusive

Repertoire eines Wiener Theaters zu sehen. Viel¬
200
Porto.
500
leicht kriegen wir, wenn Schnitzler's nächstes
Zahlbar
„ 1000
Stück wird — in Berlin gegeben worden sein,
im Voraus.
dann auch seinen „Schleier der Beatrice“ in Wiellgitte ist das
Abonnemen
vorgeführt. Man muß nur warten können. Das gteht es den
Abonnenter ist alles.
indern.
Ueber die Stücke selbst und ihren inneren Zu¬
Der sammenhang habe ich schon in der Wochenschrift #sthaltend die
Inhaltsang „Die Zeit“ vom 10. Mai vorigen Jahres berichtet. Morgen¬
blätter Auch im Volkstheater fanden wie seinerzeit im ner Zeitung")
wodurch e Carl=Theater die vier Einacter mit ihrer von der rthschaftliche
Leben des Tragik und Phantastik zur Tragikomit und Sa. Diese Mit¬
theilungen
tire laufenden Scala lebhaften Beifall. Auch hier
hat allem Anschein nach nicht das beste Stück,
„Die tragischen Masken“, sondern das lustige
Stück
— der Superlativ wäre den drei anderen
gegenüber nicht wohl angebracht — am besten
gefallen.
Die Darstellung konnte den Vergleich mit jener
der Berliner Gäste ganz wohl vertragen; in
einzelnem war sie freilich schwächer, in anderem
dafür wieder besser. Gut brachte Martinelli
in dem ersten Stücke, das der Serie den Namen
gab, die bittere Resignation des alten Mannes
zum Ausdruck, dessen Freundin und Gefährtin
sich getödtet hatte
— um ihrem Sohne das
Dichten zu erleichtern. Herr Geisendörfer
aber blieb uns mit seinen gequetschten Garde¬
lieutenantstönen nicht nur das Wienerisch
schuldig, das die Rolle des jungen Dichters nach
der ganzen Anlage der Dichtung fordert, sondern
er blieb uns in der Art seiner Darstellung auch
den jungen Dichter selbst schuldig, an dem
Schnitzler das Verhältniß des Künstlers zum
Leben als Bedingung und Gegenstand seiner
Kunst dialektisch behandelt. Trefflich brachte
Fräulein Sandrock in der „Frau mit dem
Dolche“ das phantastische, visionäre, man möchte
fast sagen gruselige Moment zum Aus¬
4.
druck, das von Pauline, der Gattin des
Tragödiendichters, dem die Lebensschicksale seiner
Frau zu Dramen werden, hinüberführt zu
Paola, der Gattin des Malers, dem die Lebens¬
schicksale seiner Frau zu — Bildern werden. Wenn
in den „Letzten Masken“ bei den Berlinern
Albert Bassermann in der Rolle des Dichters
Alexander Weihgast den Vogel abgeschossen hatte,
stellte bei uns Herr Brandt durch seine
glänzende Darstellung die Figur des lungen¬
kranken Komikers Florian Jackernoth in den
Vordergrund. So schauerlich Herr Brandt ist,
wenn die Direction ihn und das Publicum dazu
verurtheilt, daß er Liebhaber spielen muß,
Treffliches leistet er in Charakterrollen. Wie er
diesen heiseren, hustenden, nach Athem ringenden
Todescandidaten spielt, ist nicht nur technisch
vollendet, es liegt auch eine echt künstlerische
Leistung darin, wie er die Wirkung des Komischen
mit der des Rührenden, des Ergreifenden ver¬
bindet. Sehr geschickt gab Herr Wierth die
unscheinbare Rolle des Arztes; Menschen, welche
still durch das Stück gehen und discreter Einfach¬
heit bedürfen, das scheinen seine Rollen zu sein;
nicht die Kosinskys.
In dem Schlußstück „Literatur“ konnten jene,
welche es etwa trotz der „Kameraden“ und der
de
„Wildente“ noch nicht wissen sollten, wiever sehen,
vas für eine ausgezeichnete Kraft auch für Lust¬
piel und Satire in Adele Sandrock — brach!.
liegt. Von drastischer Komik waren auch Herr
Kutschera als Kaffeehausliterat Gilbert und
Herr Kramer als Sportsman Clemens. In
dieser übermütigen Satire war die Wiener Dar¬
stellung der Berliner entschieden über. Sie wäre
vielleicht noch besser gewesen, wenn zum Schluß
nicht an Stelle der Satire die Parodie getreten
Max Burckhard.
wäre.