II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 527

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16.1. Lebendige Stunden zyklus
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
„OBSERWEP“
Nr. 9
alos
*
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrickten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus: Geatsch Bachcan, Eien
vom:
61 Lo
Runst und Wissenschaft.
Deutsches Volkstheater. Gestern wurde hie
Arthur Schnitzlers Einakterzyklus „Lebendige
Stunden“ zum erstenmale gegeben. Für Wien sind
die vier kleinen Literaturstücke keine Neuheit mehr.
Man kennt sie vom vorjährigen Gastspiel des Berliner
Deutschen Theaters. Es knüpfen sich daran so frische
Erinnerungen an die vorzügliche Darstellung der
Stücke durch die norddeutschen Gäste, daß das
Deutsche Volkstheater gestern harte Mühe hatte, den
spärlichen Rest von gegenständlichem und künstlerischem
Interesse im Kampfe mit den literaturfeindlichen
Hustenreizungen, die im Publikum epidemisch um sich
griffen, wach zu erhalten. „Lebendige Stunden“, so 15.—
deutet der erste Einakter den gemeinsamen Titel aus, 28.— Iuclusive
Porto.
50.—
sind solche, die durch die Kunst Dauer erhalten. Unt110.—( Zahlbar
den Sohn nicht durch Sorgen um ihre Krankheit von 200..] im Voraus.
seiner schriftstellerischen Lebensarbeit abzulenken, hat sich jsschnitte ist das
eine Mutter den Tod gegeben. Der eitle Junge er= guch sieht es den
fährt dies später von einem alten Hausfreunde und jzu ändern.
er tut so, als nähme er sich ernstlich vor, sich dieses
Opfers würdig zu erweisen, obgleich ihm innerlich
hg enthaltend die
das Bewußtsein aufdämmert, daß der Opfertod
ner Morgen¬
umsonst dargebracht worden war. Noch mehr als in Wiener Zeitung")
d wirthschaftliche
der Darstellung der Berliner roch gestern die kleine
wird. Diese Mit¬
literarische Tragik nach Studierlampenpetroleum,
zumal Herr Geisendörfer für den Helden der
Feder nicht einen einzigen Ton fand, der aus dem
Gemüte kommt. Natuwahr und ergreifend wirkte
dagegen Herr Martinelli als sein unliterarisches
Widerspiel. Auch das zweite Stück, „Die Frau
mit dem Dolche“, dreht sich bekanntlich um die
Kunst. Ein eingeschobenes Traumbild, das Fäden
spinnt zwischen der Gegenwart und der Renaissance,
ersucht den Ehebruch einer mondänen Frau ins
kystische hinüberzuspielen. Es ist aber nicht mehr als
die Talmimystik Hofmannsthalscher Treibhausphantasie,
die dabei herauskommt und die durch szenische Unzuläng¬
keiten um jeden geheimnisvollen Schimmer gebracht
wurde. Daß man bei der Verwandlung durch die Wolken¬
schleier hindurch die Leute ab= und auflaufen sieht,
könnte-ber der heutigen Entwicklung der Bühnen¬
technik doch sicherlich vermieden werden. Frl. Adele
Sandrock hatte im Traumbilde schöne und große
Momente. Gegenständlich interessanter wäre das dritte
Stück, „Die letzten Masken“, eine Szene
aus dem Allgemeinen Krankenhaus. Ein ehrlicher
Journalist, darum natürlich ein armer Teufel, der an
Lungenschwindsucht dahinsiecht, will seinem einstigen
Freunde, einem emporgeschwindelten Modeschriftsteller,
die Maske vom Gesicht reißen, bevor ihn der Tod
ereilt. Als aber der Freund als unverbesserlicher
Phraseur und Poseur vor ihn hintritt da verschlägt's
dem sterbenden Wahrheitsapostel die Rede, sein Haß
Mode¬
löst sich in Mitleid auf, und der
dichter bleibt unentlarvt. Herr Weisse glaubte
„bril¬
mit einer naturalistischen Sterbeszene
lieren“ zu müssen, und indem er die satirischen
Sentenzen mit realistischen Kunstpausen durchschoß,