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16.1. Lebendige StundenZuklus
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
62
Nr. 99
„OBSERVER“
725
I. österr. behördl. oonc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus: Tagesbote aus Müiiren u. Schlesien
Brünn.
vom: 5
Einakter.
Wiener Theaterbrief von Willy v. Wymetal.
Der Einakter ist in den letzten Jahren sehr in Mode:
###ekommen. Nicht als ob mit dieser Beobachtung gegen ernst¬
shafte Künstler wie Schnitzler oder Hartleben der
Vorwurf erhoben werden sollte, sie bequemten sich einer mo¬
mentanen Laune des Publikums an und wählten diese Form
nicht aus innerstem Bedürfnis. Diese knappe Dramenform
scheint vielmehr unserer knappen Zeit, für welche das
##eime is money“ mehr als für frühere Epochen gilt, be¬
inclusive
ssonders zu entsprechen. Der Einakterbazillus segelt in jedem
Porto.
Winde lustig einher und verschont keinen Poeten. Dreyer,
Zahlbar
Hartleben, Hirschfeld, Sudermann, Schnitzler, Wedekind,
im Voraus.
(Frau Baumberg und Fräulein delle Grazie, in Frankreich
Weber, Bernard, Courteline — nur demonstrativ, nicht taxa= itte ist das
steht es den
tiv sind diese paar Namen herausgegriffen — haben die judern.
Bühnen mit einzelnen Einattern oder ganzen Zyklen bedacht.
Daß sich Schnitzlers stille, traumversonnene Muse in gthaltend die
einem Lande, wo man in wenige Worte ein ganzes Leben: Morgen¬
drängt, besonders wohl fühlte, fügt sich gut zu ihrem meist ner Zeitung“
irthschaftliche
leisen, nachdenklichen und gewaltsamer Tragik abholden We= 1. Diese Mit¬
sen. So kam es, daß dieser prächtige Wiener Dichter seine
Freunde mit zwei Zyklen von zusammen sieben Einaktern
beschenkte. Noch hafteten die perlenden Verse des „Para¬
celsus“ in Roberts geheimnisvollen Tönen in unserer
Erinnerung, da erklangen uns schon die glockenreinen Qui¬
mare der „Frau mit dem Dolche", von Irene Trieschens
biegsamem Organe gejauchzt und geflüstert, noch umwehte
uns die dunkle Melancholie der „Gefährtin“ und schon
bannten uns die „lebendigen Stunden“ in dieselbe wehmut¬
volle Stimmung, noch stand die Predigt des „grünen Kaka¬
du": „Das Leben ein Spiel“ mit Feuerschrift in unsere Seele,
und schon erscholl aus den düsteren „letzten Wasken“ und
aussder kollen „Literatur“ flammenzüngig dieselbe Lehre.—
Schnitzler hat sich in Form und Inhalt seiner Werke
#hzute zu einer Reife emporgearbeitet, die jedes neue Werk
Zaus seinem Pult wirklich zu einer Festgabe für den Kunst¬
Freund stempelt. Nichtsdestoweniger wollen gerade in Wien,
wo seine Kunst wurzelt und mehr als irgendwo nachgefühlt
werden kann, die Schnitzler=Affären nicht alle werden. Nichts¬
destoweniger sind es gerade die Wiener Theaterleiter,
denen Schnitzler herzlich wenig Dank schuldet. Mag der
„Schleier der Beatrice“ ein teilweiser Fehlgriff sein oder nicht,
jedenfalls ist es Pflicht der ersten österreichischen Bühne, die
lersten Dramatiker Österreichs mit ihren Novitäten zu Wort
kommen zu lassen. Auch die „lebendigen Stunden“, deren
Erstaufführung am 14. März im Volkstheater stattfand
(nachdem sie vom Gastspielensemble des Berliner deutschen
Theaters schon im Juni des Vorjahres hier gespielt worden
waren), hätten besser ins Burgtheater gepaßt. Und wenn das
Volkstheater schon in diese Bresche treten wollte, dann hätte
es das früher, nicht erst am Ende der Saison, tun müssen.
Es hätte auch, gerade wegen der meisterhaften Darstellung
durch die Berliner, die Aufführung besanders gut vorbereiten
müssen. Das ist leider nicht geschehen. In den weiblichen l
16.1. Lebendige StundenZuklus
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
62
Nr. 99
„OBSERVER“
725
I. österr. behördl. oonc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus: Tagesbote aus Müiiren u. Schlesien
Brünn.
vom: 5
Einakter.
Wiener Theaterbrief von Willy v. Wymetal.
Der Einakter ist in den letzten Jahren sehr in Mode:
###ekommen. Nicht als ob mit dieser Beobachtung gegen ernst¬
shafte Künstler wie Schnitzler oder Hartleben der
Vorwurf erhoben werden sollte, sie bequemten sich einer mo¬
mentanen Laune des Publikums an und wählten diese Form
nicht aus innerstem Bedürfnis. Diese knappe Dramenform
scheint vielmehr unserer knappen Zeit, für welche das
##eime is money“ mehr als für frühere Epochen gilt, be¬
inclusive
ssonders zu entsprechen. Der Einakterbazillus segelt in jedem
Porto.
Winde lustig einher und verschont keinen Poeten. Dreyer,
Zahlbar
Hartleben, Hirschfeld, Sudermann, Schnitzler, Wedekind,
im Voraus.
(Frau Baumberg und Fräulein delle Grazie, in Frankreich
Weber, Bernard, Courteline — nur demonstrativ, nicht taxa= itte ist das
steht es den
tiv sind diese paar Namen herausgegriffen — haben die judern.
Bühnen mit einzelnen Einattern oder ganzen Zyklen bedacht.
Daß sich Schnitzlers stille, traumversonnene Muse in gthaltend die
einem Lande, wo man in wenige Worte ein ganzes Leben: Morgen¬
drängt, besonders wohl fühlte, fügt sich gut zu ihrem meist ner Zeitung“
irthschaftliche
leisen, nachdenklichen und gewaltsamer Tragik abholden We= 1. Diese Mit¬
sen. So kam es, daß dieser prächtige Wiener Dichter seine
Freunde mit zwei Zyklen von zusammen sieben Einaktern
beschenkte. Noch hafteten die perlenden Verse des „Para¬
celsus“ in Roberts geheimnisvollen Tönen in unserer
Erinnerung, da erklangen uns schon die glockenreinen Qui¬
mare der „Frau mit dem Dolche", von Irene Trieschens
biegsamem Organe gejauchzt und geflüstert, noch umwehte
uns die dunkle Melancholie der „Gefährtin“ und schon
bannten uns die „lebendigen Stunden“ in dieselbe wehmut¬
volle Stimmung, noch stand die Predigt des „grünen Kaka¬
du": „Das Leben ein Spiel“ mit Feuerschrift in unsere Seele,
und schon erscholl aus den düsteren „letzten Wasken“ und
aussder kollen „Literatur“ flammenzüngig dieselbe Lehre.—
Schnitzler hat sich in Form und Inhalt seiner Werke
#hzute zu einer Reife emporgearbeitet, die jedes neue Werk
Zaus seinem Pult wirklich zu einer Festgabe für den Kunst¬
Freund stempelt. Nichtsdestoweniger wollen gerade in Wien,
wo seine Kunst wurzelt und mehr als irgendwo nachgefühlt
werden kann, die Schnitzler=Affären nicht alle werden. Nichts¬
destoweniger sind es gerade die Wiener Theaterleiter,
denen Schnitzler herzlich wenig Dank schuldet. Mag der
„Schleier der Beatrice“ ein teilweiser Fehlgriff sein oder nicht,
jedenfalls ist es Pflicht der ersten österreichischen Bühne, die
lersten Dramatiker Österreichs mit ihren Novitäten zu Wort
kommen zu lassen. Auch die „lebendigen Stunden“, deren
Erstaufführung am 14. März im Volkstheater stattfand
(nachdem sie vom Gastspielensemble des Berliner deutschen
Theaters schon im Juni des Vorjahres hier gespielt worden
waren), hätten besser ins Burgtheater gepaßt. Und wenn das
Volkstheater schon in diese Bresche treten wollte, dann hätte
es das früher, nicht erst am Ende der Saison, tun müssen.
Es hätte auch, gerade wegen der meisterhaften Darstellung
durch die Berliner, die Aufführung besanders gut vorbereiten
müssen. Das ist leider nicht geschehen. In den weiblichen l