Greichoien, od ihr als Shsiker sie und euch
selbst verspottet und höhnt, wie Gilbert, oder in
stupider Selbstgefälligkeit es verleugnen wollt,
wie der köstlich perfiflierte Baron Clemens.
Und daß es lachend endete, war gut. Denn
die zweite Nummer „Letzte Masken“ hätte einen
wirklich ernst stimmen können. Und doch ist dies
das beste Stück. Karl Rademacher, der sterbende
Journalist, sagt da bittere Wahrheiten genug
über das Mißgeschick, das so manchen edlen Geist
das ganze Leben hindurch niederdrückt, ihn mit
Ekel erfüllt ob all der Heuchelei und Lüge, der
er dienen muß um des täglichen Brotes willen,
während die Flachheit und Gemeinheit trium
phieren. Und neben ihm der ebenfalls ver¬
lorene Komödiant, über den wir noch lachen kön¬
nen, während ihn schon der Tod am Kragen hält.
So wenig „Literatur“ und „Letzte Masken“.
munden mögen, man konnte es verstehen, daß
jüngst Acthur Schnitzlers Preiskrönung einen
Sturm der Entrüstung wachrief. Die Charaktere
sind in beiden Nummern so scharf gezeichnet, so
vollendet gestaltet, daß man dem Dichter die Be¬
wunderung nicht versagen kann.
Verunglückt dagegen ist „die Frau mit dem
Dolche“, das histerische Weib, das seinem In¬
stinkte schließlich folgt und die Treue bricht,
während es denkt „ich könnte dich, meinen Ver¬
führer, mit Wollust erdolchen, wenn es sein
müßte“, kann uns weder Sympathie, noch Mit¬
leid, ja nicht einmal Verständnis abzwingen. Die
Verzückung vor dem Bilde, in dem sie ihr eigenes
Schicksal verkörpert sieht, ist eine Narretei, der
wir keinen Sinn abzugewinnen vermochten und
die auch ein Teil des Publikums mit Wider¬
spruch aufnahm. Der Zwischenakt, den Pauline
träumt, während sie vor der gemalten „Frau
mit dem Dolche“ sitzt, wird uns vorgespielt:
Die Frau des Malers hat mit dem Schüler
ihres Mannes die Ehe gebrochen und nun, da
der Mann zurückkehrt, erkennt sie, daß sie doch
nur diesen liebt und sie erdolcht den schöneren,
jüngeren Geliebten, den sie haßt, weil sie seiner
Gewalt in brünstiger Leidenschaft sich hingegeben.
Und trotz dieses Traumes muß und will sie all
das Schre#kliche nochmals erleben!
Auch vo. dem Spiele der drei übermäßig
schreienden Triumgestalten, die in überschweng¬
lichen Versen ihren Wahnsinn uns vorgaukeln,
konnten wir uns nicht befriedigt fühlen. Fräulein
Rabitow, unleugbar mit großen schauspiele¬
rischen Gaben, insbesondere mit einem herrlichen
Organe ausgestattet, spielt die Frau, ohne jedoch
zu erwärmen. In „Literatur“ konnte man wenig¬
stens über ihre Margarete lachen. Mehr jedoch
durfte man nicht verlangen.
Der Meister des Abendes war Herr Tre߬
ler, als der groteske Schauspieler im zweiten
Stücke, vor allem aber als der mit unnach¬
ahmlicher Kunst gezeichnete Aristekrat in „Lite¬
ratur“. Diese Spottgestalt mit der näselnden
Stimme, dem Wiener Turf=Gigerl=Jargon, dem
verzwickten Gesichte, war bis ins kleinste Detail
eine vollendete Kunstleistung. Wiederholt weckte
ssein Spiel stürmische Heiterkeit und lauten
Applaus.
Herr Heine war auch gestern groß als
Radimacher und vorzüglich als der cynische Gil¬
bert. Herr Devrient hatte gestern als Weih¬
gast im zweiten Stücke nur wenig Gelegenheit,
seine Kunst zu erweisen; der Künstler wird erst
heute abends in Sudermanns „Glück im Win¬
kel“ an die Reihe kommen. Herr Frieberg
konnte sich als Leonardo gestern besser bewähren,
als am ersten Abende. Herr Freißler als
Doktor Halmschläger konnte befriedigen.
Das Gesamtspiel war tadellos, wie nicht
anders zu arwarten war. Nur das schon er¬
wähnte Schreien in der geträumten Szene war
recht überflüssig. Das Theater war wieder aus¬
H H.
verkauft.
Telephon 12301.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
Dee Ausschnft
„OBSEHVL1,
Nr. 46
I. österr. behördl conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnschrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
Deutsche Wehr, Troppau
vom: 5
à 10 05
Schaubühne, Kunst und Schrifttum.
Troppauer Stadttheater.
„Lebendige Stunden“ von Arthur Schnitzler. Ein¬
akter sind woyl nur zu Beginn der Spielzen am Platze,
um die Theaterbesucher so schnell als möglich mit den
Bühnenkräften bekannt zu machen. Ob eine fühlbare Lücke
für Troppau in der Kenntnis der neuesten Theaterliteratur
entstanden wäre, wenn die vier in keinerlei Zusammenhange
stehenden neuen Einakter nicht auf das gegenwärtige Re¬
perioire gekommen wären, läßt sich schlechtweg nicht be¬
rhaupten. Diese vier Novitäten sind keine Schauspiele in des
Wortes eigentlicher Bedeutung, da jedes der Stücke dieses inelustve
Zyklus einer entwickelnden Handlung und des damit im Porta
#ursächlichsten Zusämmenhange stehenden Helden entbehrt, Zahlbar
sondern sie sind vielmehr in die Form von Zweigesprächen im Voraus.
gekleidete novellistische Skizzen. Der erste Einakter schildertte ist das
Aohne jegliche Handlung wohl in ergreifender Weise einenteht es den
tragischen Abschnitt aus dem großen Kapitel „Mutterliebe“lern.
die Heldin ist nicht zu sehen; sie ist tot. Nur aus den altend die
In Munde des Freundes der Verstorbenen vernimmt ihr Sohn,forgen¬
„daß sie um seinetwillen dahin ging, um ihn durch ihre Zeitung")
L. Krankheit nicht länger in seiner dichterischen Tätigkeit zuischaftliche
wlähmen. In dem zweiten Einakter „Die Frau mit dem Diese Mit¬
Dolche“ führt uns der Dichter in eine Gemaldegalerie, in
der Pauline, die Frau des Remigio, mit Leonhard sich,
wie verabredet, trifft, bei dessen Liebesbeteuerungen vor
eines unbekannten Malers Bilde, das eine ihr ähnelndes
Frau mit einem gezückten Dolche in der Hand darstellt, in
Apathie verfällt, um dann nach einem schrecklichen Traum¬
bilde, in welchem sie ihren Freund vor ihres Gatten Augen
erdolcht, nachdem sie ihm die Gunst einer Nacht geschenkt,
ganz wider Erwarten dem Verführer den Abend zu ver¬
sprechen. Gegen jede dramatische Asthetik verstößt die dritte
Skizze. In einem Krankenhause halten ein sterbender Jour¬
nalist und ein totkranker Schauspieler, den in einer Woche¬
auch schon die Erde bedecken wird, ihren letzten Dialog,
spielen ihre letzten Masken. Der über das Schicksal ver¬
bitterte Journalist Rademacher will vor seinem Ableben
seinen vom Glücke mehr begünstigten Berufsgenossen
Weihgaß endlich einmal so recht vom Herzen seine Rache
fühlen lassen. Um dieselbe recht wirkungsvoll zum Aus¬
drucke zu bringen, übt er sich mit dem Schauspieler Jack¬
werth in seine Rolle. Doch beim Erscheinen seines bestge¬
haßten Freundes wird Rademacher umgestimmt und scheidet,
ohne diesem seinen Groll fühlen zu lassen, aus dem Leben.
Das vierte Stück, „Literatur“, ist eine prickelnde Lustspiel¬
Skizze. Mag die dramatisierte Novelle so weit
Anklang finden, daß sie selbst mit Preisen ausgezeichnet
wird, so kann sie uns dennoch nicht befriedigen, da, abge¬
sehen davon, daß sie als Skizze immer nur etwas Un¬
vollendetes bleibt, durch die Aufführung deractiger Skizzen¬
szenen die Welt bedeutenden Bretter zum Überbrettel not¬
wendiger Weise herabsinken müssen.
selbst verspottet und höhnt, wie Gilbert, oder in
stupider Selbstgefälligkeit es verleugnen wollt,
wie der köstlich perfiflierte Baron Clemens.
Und daß es lachend endete, war gut. Denn
die zweite Nummer „Letzte Masken“ hätte einen
wirklich ernst stimmen können. Und doch ist dies
das beste Stück. Karl Rademacher, der sterbende
Journalist, sagt da bittere Wahrheiten genug
über das Mißgeschick, das so manchen edlen Geist
das ganze Leben hindurch niederdrückt, ihn mit
Ekel erfüllt ob all der Heuchelei und Lüge, der
er dienen muß um des täglichen Brotes willen,
während die Flachheit und Gemeinheit trium
phieren. Und neben ihm der ebenfalls ver¬
lorene Komödiant, über den wir noch lachen kön¬
nen, während ihn schon der Tod am Kragen hält.
So wenig „Literatur“ und „Letzte Masken“.
munden mögen, man konnte es verstehen, daß
jüngst Acthur Schnitzlers Preiskrönung einen
Sturm der Entrüstung wachrief. Die Charaktere
sind in beiden Nummern so scharf gezeichnet, so
vollendet gestaltet, daß man dem Dichter die Be¬
wunderung nicht versagen kann.
Verunglückt dagegen ist „die Frau mit dem
Dolche“, das histerische Weib, das seinem In¬
stinkte schließlich folgt und die Treue bricht,
während es denkt „ich könnte dich, meinen Ver¬
führer, mit Wollust erdolchen, wenn es sein
müßte“, kann uns weder Sympathie, noch Mit¬
leid, ja nicht einmal Verständnis abzwingen. Die
Verzückung vor dem Bilde, in dem sie ihr eigenes
Schicksal verkörpert sieht, ist eine Narretei, der
wir keinen Sinn abzugewinnen vermochten und
die auch ein Teil des Publikums mit Wider¬
spruch aufnahm. Der Zwischenakt, den Pauline
träumt, während sie vor der gemalten „Frau
mit dem Dolche“ sitzt, wird uns vorgespielt:
Die Frau des Malers hat mit dem Schüler
ihres Mannes die Ehe gebrochen und nun, da
der Mann zurückkehrt, erkennt sie, daß sie doch
nur diesen liebt und sie erdolcht den schöneren,
jüngeren Geliebten, den sie haßt, weil sie seiner
Gewalt in brünstiger Leidenschaft sich hingegeben.
Und trotz dieses Traumes muß und will sie all
das Schre#kliche nochmals erleben!
Auch vo. dem Spiele der drei übermäßig
schreienden Triumgestalten, die in überschweng¬
lichen Versen ihren Wahnsinn uns vorgaukeln,
konnten wir uns nicht befriedigt fühlen. Fräulein
Rabitow, unleugbar mit großen schauspiele¬
rischen Gaben, insbesondere mit einem herrlichen
Organe ausgestattet, spielt die Frau, ohne jedoch
zu erwärmen. In „Literatur“ konnte man wenig¬
stens über ihre Margarete lachen. Mehr jedoch
durfte man nicht verlangen.
Der Meister des Abendes war Herr Tre߬
ler, als der groteske Schauspieler im zweiten
Stücke, vor allem aber als der mit unnach¬
ahmlicher Kunst gezeichnete Aristekrat in „Lite¬
ratur“. Diese Spottgestalt mit der näselnden
Stimme, dem Wiener Turf=Gigerl=Jargon, dem
verzwickten Gesichte, war bis ins kleinste Detail
eine vollendete Kunstleistung. Wiederholt weckte
ssein Spiel stürmische Heiterkeit und lauten
Applaus.
Herr Heine war auch gestern groß als
Radimacher und vorzüglich als der cynische Gil¬
bert. Herr Devrient hatte gestern als Weih¬
gast im zweiten Stücke nur wenig Gelegenheit,
seine Kunst zu erweisen; der Künstler wird erst
heute abends in Sudermanns „Glück im Win¬
kel“ an die Reihe kommen. Herr Frieberg
konnte sich als Leonardo gestern besser bewähren,
als am ersten Abende. Herr Freißler als
Doktor Halmschläger konnte befriedigen.
Das Gesamtspiel war tadellos, wie nicht
anders zu arwarten war. Nur das schon er¬
wähnte Schreien in der geträumten Szene war
recht überflüssig. Das Theater war wieder aus¬
H H.
verkauft.
Telephon 12301.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
Dee Ausschnft
„OBSEHVL1,
Nr. 46
I. österr. behördl conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnschrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
Deutsche Wehr, Troppau
vom: 5
à 10 05
Schaubühne, Kunst und Schrifttum.
Troppauer Stadttheater.
„Lebendige Stunden“ von Arthur Schnitzler. Ein¬
akter sind woyl nur zu Beginn der Spielzen am Platze,
um die Theaterbesucher so schnell als möglich mit den
Bühnenkräften bekannt zu machen. Ob eine fühlbare Lücke
für Troppau in der Kenntnis der neuesten Theaterliteratur
entstanden wäre, wenn die vier in keinerlei Zusammenhange
stehenden neuen Einakter nicht auf das gegenwärtige Re¬
perioire gekommen wären, läßt sich schlechtweg nicht be¬
rhaupten. Diese vier Novitäten sind keine Schauspiele in des
Wortes eigentlicher Bedeutung, da jedes der Stücke dieses inelustve
Zyklus einer entwickelnden Handlung und des damit im Porta
#ursächlichsten Zusämmenhange stehenden Helden entbehrt, Zahlbar
sondern sie sind vielmehr in die Form von Zweigesprächen im Voraus.
gekleidete novellistische Skizzen. Der erste Einakter schildertte ist das
Aohne jegliche Handlung wohl in ergreifender Weise einenteht es den
tragischen Abschnitt aus dem großen Kapitel „Mutterliebe“lern.
die Heldin ist nicht zu sehen; sie ist tot. Nur aus den altend die
In Munde des Freundes der Verstorbenen vernimmt ihr Sohn,forgen¬
„daß sie um seinetwillen dahin ging, um ihn durch ihre Zeitung")
L. Krankheit nicht länger in seiner dichterischen Tätigkeit zuischaftliche
wlähmen. In dem zweiten Einakter „Die Frau mit dem Diese Mit¬
Dolche“ führt uns der Dichter in eine Gemaldegalerie, in
der Pauline, die Frau des Remigio, mit Leonhard sich,
wie verabredet, trifft, bei dessen Liebesbeteuerungen vor
eines unbekannten Malers Bilde, das eine ihr ähnelndes
Frau mit einem gezückten Dolche in der Hand darstellt, in
Apathie verfällt, um dann nach einem schrecklichen Traum¬
bilde, in welchem sie ihren Freund vor ihres Gatten Augen
erdolcht, nachdem sie ihm die Gunst einer Nacht geschenkt,
ganz wider Erwarten dem Verführer den Abend zu ver¬
sprechen. Gegen jede dramatische Asthetik verstößt die dritte
Skizze. In einem Krankenhause halten ein sterbender Jour¬
nalist und ein totkranker Schauspieler, den in einer Woche¬
auch schon die Erde bedecken wird, ihren letzten Dialog,
spielen ihre letzten Masken. Der über das Schicksal ver¬
bitterte Journalist Rademacher will vor seinem Ableben
seinen vom Glücke mehr begünstigten Berufsgenossen
Weihgaß endlich einmal so recht vom Herzen seine Rache
fühlen lassen. Um dieselbe recht wirkungsvoll zum Aus¬
drucke zu bringen, übt er sich mit dem Schauspieler Jack¬
werth in seine Rolle. Doch beim Erscheinen seines bestge¬
haßten Freundes wird Rademacher umgestimmt und scheidet,
ohne diesem seinen Groll fühlen zu lassen, aus dem Leben.
Das vierte Stück, „Literatur“, ist eine prickelnde Lustspiel¬
Skizze. Mag die dramatisierte Novelle so weit
Anklang finden, daß sie selbst mit Preisen ausgezeichnet
wird, so kann sie uns dennoch nicht befriedigen, da, abge¬
sehen davon, daß sie als Skizze immer nur etwas Un¬
vollendetes bleibt, durch die Aufführung deractiger Skizzen¬
szenen die Welt bedeutenden Bretter zum Überbrettel not¬
wendiger Weise herabsinken müssen.