II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 576

16. 1. Lebendige Stunden Zyklus bos 21/5
gung haden Ministeriam und Tesjernar s0e —..
alt geworden, und plauderten miteinander. Da starb die Hof¬! So wie der Frühling wieder
„Lebendige Stunden“, vier Einakter von
wieder blüht, so pulsiert das
ratswitwe und mit dem Augenblicke schien es Haushofer, als
kümmert sich nicht um die S
wäre ein Stück seines Seins mit dahingegangen. Nun kommt ein
T Artüt Schnitzler.
sehr schön, aber streng lyrisch
großer Tag, zum erstenmale wieder sucht ihn der Verstorbenen
(Gastspiel des Hofburgtheater=Ensembles am 20. Mai 1904.)
Auseinandersetzung zum Lesen
Sohn, Heinrich, seines Zeichens ein Dichter, auf. Die Hof¬
deshalb hat auch dieses St
rätin hat ihrem alten Freunde einen Brief hinterlassen mit
Sudermann hat sie in die Mode gebracht, die Einakter¬
und nirgends Erfolg gehabt
einem großen Geheimnisse. Sie hat sich selbst den Tod gegeben,
zyklen, bei denen mehrere einzelne einaktige Schauspiele einen
Gäste Recht gehabt, es einfach
vollen Theaterabend ausfüllen und die durch eine gemeinsame
sie hat Morphium genommen, und zwar aus Liebe zu ihrem
Auch das zweite einakt
Grundidee verbunden sind, mit seinen „Morituri“. Es folgte
Sohne, denn sie wußte, daß sie einem schweren Siechtum ent¬
dem Dolche“ scheint uns
dann Erich Hartlehen mit „Die Befreiten“ (aus denen wir hier
gegenging und daß ihre lange Krankheit dem geliebten Jungen
Pauline ist die Frau eines
alle Lebenskraft und Schaffensfreude nehmen, ihn zur Untätigkeit
den „Abschied vom Regiment“ zu sehen bekamen), ferner Paul
immer treu geblieben, dem
verurteilen müßte; dem Leben des Sohnes bringt sie nun ihr
Busson mit den „Ruhmlosen Helden“ und schließlich Artur
hat. Aber sie flirtet doch m
Leben als Opfer hin. Aber Haushofer zürnt ihr ob dieser
Schnitzler, der schon mit seinem „Anatol“ und seinem
sich mit ihrem Geliebten in
Mutterliebe, denn dabei hat sie nicht an ihn gedacht, dem sie
„Reigen“ eine ganze Reihe dramatischer Szenen miteinander
er in sie und erbittet sich ein
noch jahrelang vielleicht eine geliebte Freundin hätte sein können
verbunden, mit den vier Stückchen, die er „Lebendige
der glänzenden Premiere eine
und aus Aerger darüber, wirft er die Wahrheit brutal dem
Stunden“ benannte. Artur Schnitzler ist heute einer der
dieser Mann sein Verhältnis
Sohne in das Gesicht, er liest ihm den Brief vor und
talentiertesten und auch erfolgreichsten österreichischen Dramatiker.
verarbeitete, daß jeder Beka
Auf unserer Bühne haben wir von ihm bisher bloß ein einziges
Heinrich ist im ersten Augenblicke ganz geknickt Dann aber
konnte. Er macht ein neue
rafft er sich wieder auf, die Tote ist nun tot, für ihn heißt es
Stück, dieses allerdings ziemlich oft gesehen, „Liebelei“ jenes
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Gattin, behauptet Leonhard
weiter leben und weiter schaffen, um zu beweisen, daß seine
Stück, welches die echt wienerische Figur des „Süßen Mädels“
für ihn nichts anderes als
Mutter nicht umsonst für ihn gestorben. Da sagt der alte
in die Literatur eingeführt hat. Seinem „Freiwild“ hat fast
sein Genie zu zeigen, und
Haushofer vorwurfsvoll: „Heinrich! Vor einem Monat hat
in ganz Oesterreich die Zensur aus zarter Rücksichtnahme für
dem Pöbel preis. Trotzdem
deine Mutter noch gelebt, und du kannst so reden? Für dich
das Militär den Zutritt zu den weltbedeutenden Brettern

bleiben zu wollen, und weis
hat sie sich umgebracht, und du gehst hin und schüttelst es von
versperrt und an die späteren Stücke, „Das Vermächtnis“,
Augen auf ein altes Bild a#
dir ab? Und in ein paar Tagen nimmst dus vielleicht hin,
„Der Schleier der Beatrice“ und an die vier Einakter, welche
Frau, die einen Dolch hoch
als wäre es ihre Schuldigkeit gewesen? Hab ich nicht Recht;
unter dem Titel „Der grüne Kakadu“ zusammengefaßt sind
Frau mit dem Dolche sieht i
seid Ihr nicht einer wie der andere? Hochmütig seid Ihr — das
(es ist dies eine rein äußerliche Bezeichnung, nämlich der Titel
Anblick dieses Bildes versun
ist es; hochmütig, alle die Großen wie die Kleinen! Was ist
des letzten von ihnen), hat sich unser Theater eben so wenig
visionären Traume die Geschi
denn deine ganze Schreiberei und wenn du das größte Genie
herangewagt wie an sein letztes „Der einsame Weg“ obgleich
Der Schauplatz verändert sich
hist, was ist sie denn gegenso eine S unde, so eine lebendige
insbesondere „Das Vermächtnis“ wohl in Linz günstige Auf¬
das, was Pauline im Geist
Stunde, in der deine Mutter hier auf den Lehnstuhl ge¬
nahme finden würde. Einem Burgtheatergastspiel danken wir
plötzlich vor uns: ein Maler
sessen ist und zu uns geredet hat, oder auch geschwiegen — aber
nun die Bekanntschaft mit den „Lebendigen Stunden“ wenn¬
Paola, die Frau des großen
da ist sie gewesen — dal und sie hat gelebt, gelebt!“ Heinrich
gleich vieselbe keine vollständige wurde, weil die Wiener Gäste
seiner Abwesenheit dessen Sch
aber antwortet ihm: „Lebendige Stunden? Sie leben doch nicht
den ersten Einakter, der gleichfalls den Titel „Lebendige Stunden“
Aber beim Erwachen aus
länger als der letzte, der sich ihre erinnert. Es ist nicht der
führt, wegließen. Wir haben schon einmal gesagt, nicht zum
daß sie sich weggeworfen
schlechteste Beruf, solchen Stunden Dauer zu ver¬
Schaden des Ganzen, denn das dramatische Viergespann Schnitzlers
Gatte, der große Künstler, ül
Leben Sie wohl,
leihen, über ihre Zeit hinaus. —
besteht aus zwei gelungenen und zwei minder gelungenen
Und als Remigio zurückkehrt
Teilen. Zu den letzteren gehört „Die Frau mit dem Dolche“
Herr Haushofer. Ihr Schmerz gibt Ihnen heute noch das
bruches vor dem Gatten an.
Recht, mich mißzuverstehen. Im Frühjahr, wenn Ihr Garten
und das Eingangsstück „Lebendige Stunden“
Lionardo zu armselig für sei
aufs neue blüht, sprechen wir uns wieder. Denn auch Sie
Das einaktige Schauspiel „Lebendige Stunden“
ihn zu erheben, weist er ihn
leben weiter“
bringt uns nichts als einen räsonierenden Dialog. Der alte
steht dieser in den Augen P#
Man sieht eine interessante Gegenüberstellung: die gebende
pensionierte Beamte Haushofer, der seit Jahren draußen in der
den Dolch, der im Atelier lich
Liebe des Alters und die Liebe der Jugend, die Opfer verlangt
Vorstadt ein kleines Gärtchen hegt und pflegt, hat eine große
Leib, daß er tot zusammen
Liebe gehabt in seinem Leben, die Frau Hofrätin. Sie kam und nimmt, ohne weiter zu fragen. Schließlich hat das Lebende,
immer zu ihm hinaus und da saßen sie beisammen, beide schon das Seiende Recht und nicht das Tote und das Vergangene. dem Augenblicke der Maler,