16.1. Lebendige StundenZuklus
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wunde Punkt der Aufführung. geistreich, amüsant und frech. In elegantester, weltmännischester
des Rademacher spielte Herr
Weise, ganz in den Formen des Salongeplänkels, für das
und feinem Verständnis, aber
er nur eine treffende Bezeichnung gibt, Causerie, wird hier
rden, was von seinem Amandus
eine halbe Stunde lang zwischen einem Gentleman=Einbrecher
e und hier noch viel schwerer
und einem Gentleman=Bestohlenen das paradoxe Sophisma
das Psychologische hinter dem
abgehandelt: „Jeber sogenannt ehrliche Beruf, den ein Mann
diese beiden Elemente innig
von Welt ergreifen kann, ist nichts als verhüllter und
das rein pathologische Bild
bemäntelter Diebstahl und Betrug. Der einzig sympathische
zleistung moderner, realistischer
Beruf für einen anständigen Menschen ist deshalb — der
Spitalsstudie. Aber Rademacher
offene, ehrliche Diebstahl!" Dieser Tausendsassa von Dieb
gudie, er ist vor allem eine
läßt ein so blendendes Feuerwerk von geistreichen, bissigen und
Beziehung weist die Leistung
boshaften Argumenten und amüsanten Histörchen los, daß
Lücke auf. Nach der pracht¬
man es dem Bestohlenen eigentlich gar nicht verübeln kann,
pieler, an der nur auszusetzen
wenn er schließlich den faulen Raketenzauber beinahe für
im Ton zu voll und kräftig
blinkende Sternenpracht ansieht, den Polizeikommissär wegschickt
er der Lähmung des henden
und sich von dem Dieb mit einem freundschaftlichen „Auf
Zustand halber Bewußtlosigkeit
Wiedersehen!“ verabschiedet. Glänzend! Aber, so fragt man,
sich
so der Müglichkeit, seine
kann das auch unter der Rubrik „Literatur“ registriert werden.?
er seelischen Wandlung Rade¬
Gewiß! Auch solche geistreiche Kleinlichkeiten haben einen Wert,
tatsächlich eine Sinnes¬
der, wenn es auch kein literarischer Ewigkeitswert ist, nicht
rem Bewußtsein befind¬
unterschätzt werden darf. Gespielt wurde das Stück sehr gut.
s beweist sein Befehl, seine
Vor allem Herr Kammauf zeichnete sich als eleganter, in
nichten sollten, dem Feuer zu
seiner weltmännischen Verbindlichkeit und seiner unglaublich
mag ja das Bild, daß Herr
frechen Sicherheit unwiderstehlicher Dieb aus. Herr Stärk
mansoll den Dichter
stattet den Bestohlenen mit einem Zug der Beschränktheit
n. Hiese Korrektur reißt eine
aus, der, ebenso wie die Larmoyanz des Herrn Berg, etwas
ung, denn das schönste, das
gemildert werden sollte. Die Inszenierung war brillant.
, ging so verloren und zurück
Den Schluß machte „Der gemütliche Kom¬
maltes, trostlos niederdrückendes
missär“ von Courteline. Courteline — man kann
ls Schauspieler Jackwerth den
eigentlich nur in Parabeln und Hyperbeln von ihm reden,
er in der leichten Komik dieser
wenn man ihn charakterisieren will. Er ist ein Schnellzeichner
ihn voll und stark austönen
mit der Feder, ein genialer Karrikaturisi, der im Fluge, wie
bgesehen davon, abermals als
er sie erschaut und durchschaut hat, die Gestalten mit ein
chauspieler. Herr v. Pindo
paar groben Strichen aufs Papier wirft. Das gibt Karrika¬
messenheit und konventionellen,
turen, gewiß, aber wenn man näher zusieht, dann sind die
se Rolle erfordert. Die kleinen
Karrikierten eigentlich gar nicht karrikiert, sondern nur aller
u und den Herren Stengel
beschönigenden Zutaten, mit denen sie sich zu drapieren
Milien und Stimmung waren
pflegen, entkleidet und so dargestellt, wie sie sich dem Auge
üick übte eine starke, tiefgehende
des scharfen, mit einer satirischen Ader begabten Beobachters
8.
darstellen. Courteline hält seinen „Opfern“ einen Zerrspiegel
kiteren Muse Courtelines stellte
vor, und zeigt dann dem lachlustigen Publikum das unglaub¬
le Satire „Der Dieb“ von
lich komisch verzerrte, aber auch unglaublich porträttreue
nte, echt französische Causerie,
Spiegelbild. Er macht nicht in Tendenz und Moral. aber er 1
box 21/5
macht in der befreienden, erlöfenden Heneln,
den Unverstand dieser Welt und dieses Lebens genießen muß.
Und er fackelt nicht lange, schlägt alle weisen Regeln, die da
von Exposition u. s. w. sprechen, lachend in den Wind und
springt mit einem grotesken Saltemortale mitten hinein in
das Leben, dorthin wo es komisch ist. Wenn der Vorhang auf¬
geht, dann stehen wir mitten drin in dem ergötzlichen Leben
und Treiben dieser komischen Menschen mit ihren kleinen,
drolligen Schicksalen. Es ist wahr, er ist ein literarischer Klown,
ein Karrikaturist, ja, aber — es bleibt dabei, er hält seinen
lieben Zeitgenossen einen Spiegel vor, in dem sie ihre
Schwächen erkennen können — wenn sie wollen. Und dabei
ist er bei aller seiner Bosheit und Bißigkeit doch so liebens¬
würdig! Wäre „Der gemütliche Kommissär“ nicht mit diesem
Geist liebenswürdiger Bosheit gesättigt, alle Polizeikommissäre
der Welt müßten sich die Gelbsucht an den Hals ärgern über
diese freche Persiflage. So aber können sie herzlich darüber
lachen
und im tiefsten Herzen ein menschliches Rühren
spüren, das ihnen sagt: „Es ist etwas wahres an der Sache,
so ähnlich geht es manchmal bei manchen von uns zu". Ein
Kern der Wahrheit ist darin enthalten, der gleiche Kern der
Wahrheit, der in dem bekannten Bänkelvets ausgesprochen ist:
„Und ist die Sache erst vorbei, dann kommt die hohe
Polizei!“ Die Handlung? Nun, erzählen läßt sie sich nicht.
Man muß sie sehen, um zu begreifen, wie herzlich man
darüber lachen kann. Gespielt wurde einfach brillant; im
flottesten Tempo, Schlag auf Schlag, bei vorzüglichem Zu¬
sammenspiel wickelten sich die Szenen ab. Um die Ehre des
Abends rangen Heer Stärk als Kommissär und Herr
Reißner als Floche. Beide Künstler übertrafen sich selbst
an scharfer, drastischer Charakteristik und schlagkräftiger Komik,
beide boten Leistungen von gleicher Vollendung. Frl. Duino
wußte ihre kleine Rolle lebendig und wirksam, mit Eleganz
und Routine zu gestalten. Unter den Trägern der kleinen
Rollen fiel besonders Herr Edgar durch seine vorzügliche
Maske auf. Die Herren Stengel und Hold ließen nichts
zu wünschen übrig.
Die Betrachtung über diesen genußreichen Abend kann
man nur mit dem Wunsche schließen: Vivant sequentes!
Wilhelm Alter.
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wunde Punkt der Aufführung. geistreich, amüsant und frech. In elegantester, weltmännischester
des Rademacher spielte Herr
Weise, ganz in den Formen des Salongeplänkels, für das
und feinem Verständnis, aber
er nur eine treffende Bezeichnung gibt, Causerie, wird hier
rden, was von seinem Amandus
eine halbe Stunde lang zwischen einem Gentleman=Einbrecher
e und hier noch viel schwerer
und einem Gentleman=Bestohlenen das paradoxe Sophisma
das Psychologische hinter dem
abgehandelt: „Jeber sogenannt ehrliche Beruf, den ein Mann
diese beiden Elemente innig
von Welt ergreifen kann, ist nichts als verhüllter und
das rein pathologische Bild
bemäntelter Diebstahl und Betrug. Der einzig sympathische
zleistung moderner, realistischer
Beruf für einen anständigen Menschen ist deshalb — der
Spitalsstudie. Aber Rademacher
offene, ehrliche Diebstahl!" Dieser Tausendsassa von Dieb
gudie, er ist vor allem eine
läßt ein so blendendes Feuerwerk von geistreichen, bissigen und
Beziehung weist die Leistung
boshaften Argumenten und amüsanten Histörchen los, daß
Lücke auf. Nach der pracht¬
man es dem Bestohlenen eigentlich gar nicht verübeln kann,
pieler, an der nur auszusetzen
wenn er schließlich den faulen Raketenzauber beinahe für
im Ton zu voll und kräftig
blinkende Sternenpracht ansieht, den Polizeikommissär wegschickt
er der Lähmung des henden
und sich von dem Dieb mit einem freundschaftlichen „Auf
Zustand halber Bewußtlosigkeit
Wiedersehen!“ verabschiedet. Glänzend! Aber, so fragt man,
sich
so der Müglichkeit, seine
kann das auch unter der Rubrik „Literatur“ registriert werden.?
er seelischen Wandlung Rade¬
Gewiß! Auch solche geistreiche Kleinlichkeiten haben einen Wert,
tatsächlich eine Sinnes¬
der, wenn es auch kein literarischer Ewigkeitswert ist, nicht
rem Bewußtsein befind¬
unterschätzt werden darf. Gespielt wurde das Stück sehr gut.
s beweist sein Befehl, seine
Vor allem Herr Kammauf zeichnete sich als eleganter, in
nichten sollten, dem Feuer zu
seiner weltmännischen Verbindlichkeit und seiner unglaublich
mag ja das Bild, daß Herr
frechen Sicherheit unwiderstehlicher Dieb aus. Herr Stärk
mansoll den Dichter
stattet den Bestohlenen mit einem Zug der Beschränktheit
n. Hiese Korrektur reißt eine
aus, der, ebenso wie die Larmoyanz des Herrn Berg, etwas
ung, denn das schönste, das
gemildert werden sollte. Die Inszenierung war brillant.
, ging so verloren und zurück
Den Schluß machte „Der gemütliche Kom¬
maltes, trostlos niederdrückendes
missär“ von Courteline. Courteline — man kann
ls Schauspieler Jackwerth den
eigentlich nur in Parabeln und Hyperbeln von ihm reden,
er in der leichten Komik dieser
wenn man ihn charakterisieren will. Er ist ein Schnellzeichner
ihn voll und stark austönen
mit der Feder, ein genialer Karrikaturisi, der im Fluge, wie
bgesehen davon, abermals als
er sie erschaut und durchschaut hat, die Gestalten mit ein
chauspieler. Herr v. Pindo
paar groben Strichen aufs Papier wirft. Das gibt Karrika¬
messenheit und konventionellen,
turen, gewiß, aber wenn man näher zusieht, dann sind die
se Rolle erfordert. Die kleinen
Karrikierten eigentlich gar nicht karrikiert, sondern nur aller
u und den Herren Stengel
beschönigenden Zutaten, mit denen sie sich zu drapieren
Milien und Stimmung waren
pflegen, entkleidet und so dargestellt, wie sie sich dem Auge
üick übte eine starke, tiefgehende
des scharfen, mit einer satirischen Ader begabten Beobachters
8.
darstellen. Courteline hält seinen „Opfern“ einen Zerrspiegel
kiteren Muse Courtelines stellte
vor, und zeigt dann dem lachlustigen Publikum das unglaub¬
le Satire „Der Dieb“ von
lich komisch verzerrte, aber auch unglaublich porträttreue
nte, echt französische Causerie,
Spiegelbild. Er macht nicht in Tendenz und Moral. aber er 1
box 21/5
macht in der befreienden, erlöfenden Heneln,
den Unverstand dieser Welt und dieses Lebens genießen muß.
Und er fackelt nicht lange, schlägt alle weisen Regeln, die da
von Exposition u. s. w. sprechen, lachend in den Wind und
springt mit einem grotesken Saltemortale mitten hinein in
das Leben, dorthin wo es komisch ist. Wenn der Vorhang auf¬
geht, dann stehen wir mitten drin in dem ergötzlichen Leben
und Treiben dieser komischen Menschen mit ihren kleinen,
drolligen Schicksalen. Es ist wahr, er ist ein literarischer Klown,
ein Karrikaturist, ja, aber — es bleibt dabei, er hält seinen
lieben Zeitgenossen einen Spiegel vor, in dem sie ihre
Schwächen erkennen können — wenn sie wollen. Und dabei
ist er bei aller seiner Bosheit und Bißigkeit doch so liebens¬
würdig! Wäre „Der gemütliche Kommissär“ nicht mit diesem
Geist liebenswürdiger Bosheit gesättigt, alle Polizeikommissäre
der Welt müßten sich die Gelbsucht an den Hals ärgern über
diese freche Persiflage. So aber können sie herzlich darüber
lachen
und im tiefsten Herzen ein menschliches Rühren
spüren, das ihnen sagt: „Es ist etwas wahres an der Sache,
so ähnlich geht es manchmal bei manchen von uns zu". Ein
Kern der Wahrheit ist darin enthalten, der gleiche Kern der
Wahrheit, der in dem bekannten Bänkelvets ausgesprochen ist:
„Und ist die Sache erst vorbei, dann kommt die hohe
Polizei!“ Die Handlung? Nun, erzählen läßt sie sich nicht.
Man muß sie sehen, um zu begreifen, wie herzlich man
darüber lachen kann. Gespielt wurde einfach brillant; im
flottesten Tempo, Schlag auf Schlag, bei vorzüglichem Zu¬
sammenspiel wickelten sich die Szenen ab. Um die Ehre des
Abends rangen Heer Stärk als Kommissär und Herr
Reißner als Floche. Beide Künstler übertrafen sich selbst
an scharfer, drastischer Charakteristik und schlagkräftiger Komik,
beide boten Leistungen von gleicher Vollendung. Frl. Duino
wußte ihre kleine Rolle lebendig und wirksam, mit Eleganz
und Routine zu gestalten. Unter den Trägern der kleinen
Rollen fiel besonders Herr Edgar durch seine vorzügliche
Maske auf. Die Herren Stengel und Hold ließen nichts
zu wünschen übrig.
Die Betrachtung über diesen genußreichen Abend kann
man nur mit dem Wunsche schließen: Vivant sequentes!
Wilhelm Alter.