II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 622

16.1. Lebendige Stunden Zuklus box 21/5
S
lenstudie vorzudringen sucht („Die letzten Mas¬
###### Lessing=Theater.
ken“.)
Danach kann man sich denken, wie im einzel¬
Neu einstudiert: „Lebendige Stun¬
nen bei der Aufführung im Lessing=Theater die
den“.
Einakter = Zyklus von Arthur
Wirkung sein muß. Sie verpufft gänzlich, sobald
Schnitzler.
das Reale verlassen wird. Irene Triesch ver¬
Wer da meint, Direktor Brahm bliebe hinter
mag sich nicht in die Frau mit dem Dolch zu ver¬
seiner Zeit zurück, wird sich korrigieren müssen.
wandeln, so wenig wie die Inszenierungskünste
Vielmehr: er folgt dem Zuge der Zeit und betei¬
auf dieser Bühne ausreichen, die Lehre vom Sich¬
ligt sich schleunigst an der augenblicklich den mei¬
wiederholen der Erlebnisse ins geheimnisvolle
sten Gewinn verheißenden Einfuhr Wiener Fa¬
Reich der Mystik zu übertragen. Am kräftigsten
brikate. Nur freilich: neue Dessins kauft er nicht
schlägt der Puls des Lebens, wenn Basser¬
auf, statt dessen versucht er's, uns nochmals alte
mann die Ibsen=Groteske mit schneidenden Tö¬
Ware, obgleich schon einmal wenig goutiert, an¬
nen und wehmütiger, dabei doch verbissener Re¬
zupreisen. Und die Käufer ließen sich diesmal von
signation in das Philistertum hineinstellt, oder
dem geflissentlich die Vorzüge seiner Ladenhüter
wenn er für einen Moment von der Seele eines
herausstreichenden Kaufmann zureden und taten,
„glücklichen" Dichters den Schleier lüftet, oder
als wären sie von der Güte der Qualität über¬
wenn er in dem Milieu des ausschließlich Litera¬
zeugt. Sie hatten dafür auch die Genugtuung,
rischen das bei aller Blasiertheit natürliche sinn¬
daß sie doch an Stelle eines Stückes, das ihnen gar
liche Empfinden verkörpert, wobei ihm übrigens
nicht gefallen wollte, ein neues erhielten, und
die Triesch und Karl Forest eine wunderbare
konnten nun befriedigt heimkehren. Lange wird
„literarische“ Basis schaffen. Man hat da drei
allerdings die Freude nicht währen; denn es sind
schauspielerische Individualitäten von feinster ko¬
gar zu zerbrechliche Dinger, die man da mit nach
mischer Decenz beisammen, die von dieser Seite!
Hause nimmt, und dabei tun sie mit ein bißchen
ihres Talentes im Rahmen des Lessing=Theaters
gar zu gefallsüchtiger Koketterie, als ob sie etwas
nur allzu selten Gebrauch machen können. —n.
ganz Besonderes zu bedeuten hätten.
Im Ernste: es liegt kein ersichtlicher Grund
zur Aufführung dieser Produkte Schnitzlerscher
Kleinkunst vor, und dadurch, daß ein Stück aus der
ursprunglichen Reihe durch ein anderes aus dem
„Marionetten“=Zyklus ersetzt wurde, ist die Ge¬
samtphysiognomie kaum anders geworden. Diese!
Ersetzung — „Der Puppenspieler“ paßt nach seiner
inneren Tendenz zwanglos unter die Formulie¬
rung „Lebendige Stunden“ — beweist nur, daß
Schnitzlers Kunst wesentlich eine solche der Varia¬
tionen, nicht der Themen=Erfindung ist. Daß ihm
dabei Geist und Geschmack eignet, ist keine neue
Entdeckung, verhindert es aber immerhin, daß man
sich in seiner Gesellschaft langweilt: immer wie¬
der blitzen hübsche Wendungen auf, die ein —
wenn auch meistens nur artistisches — Interesse
erregen. Am willigsten folgt man ihm, wenn er
sich ganz feuilletonistisch gibt (im vierten Stück:
„Literatur"), am zögerndsten, wenn er den Boden
des Gesellschaftslebens mit dem schwankenden
Grunde des Mystischen, Vierdimensionalen ver¬
tauscht („Die Frau mit dem Dolche"); am wenig¬
sten er selbst ist er, wenn er eine Ibsensche Gestalt
zu kondensteren sucht („Der Puppenspieler"), am
gräftigsten — kelativ natürlich — wird seine Ge¬
staltungskraft, wenn er gus der Milicu= zur See=1