II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 66

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16.4. Literatur
Techenungabe onde Gewaut!
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Husschnitt aus:
Abendan
FER 194
Berlin
vom:
SRE
Wiener Theater, uns wisd=betichtet: Ein
Satirenabend im Wiener Hofburgtheater vereinigte
Wedekinds „Der Kammersänger“ die
grausame seelische Persiflage auf das geplagte Leben
der singenden Kontraktsklaven, Courtelines
„Boubouroche“ die ironische Predigt gegen die
Dummheit des ewig=männlichen und die Verlegenheit
des ewig=weiblichen, Scchnitzlers „Literatur“
die boshafte geistreiche Sartreauf die egoistische
Schamlosigkeit und Selbstpreisgebung der Dichter.
Alle drei Stücke wurden famos gespielt und unter¬
hielten das Publikum vortrefflich. Reimers als
Kammersänger war ganz reizend in seiner widerstands¬
losen Liebenswürdigkeit. Frau Kallina als Helene
von starker und glaubhafter Leidenschaftlichkeit.
[Treßler meisterhaft von erschütternder Güte als
Boubouroche und soigniert als Clemens in Schnitz¬
lers Komödie. Strasni enthüllte als alter
Komponist wahrhaft ergreifend ein trostloses Leben.
Heine und die Marberg sind als Literatenpaar
von echtester Verlogenheit. Wenn das Wagnis dieses
Abends auch nicht allzu groß war, so bedeutet es
doch einen Vorstoß. Was immer man einmal von
der Direktion Thimig sagen mag, es wird ihr nicht
rgessen werden dürfen, daß unter ihr den Dichtern
wlind und Eulenburg das Burgtheater geöffgk
dch ist.
BERIIINER TAGBLAT
lusschnitt aus:
2FEB1914
vom:
□O Wedekind im Bürßtheater. Aus Wien telegraphiert
unser Korrespondent: Das Burgtheater nahm gestern zum erstenmal
Frank Wedekind auf, indem es seinen „Kammersänger“
spielte, der aber vom Publikum mit kühler Reserve empfangen wurde.
Auch „Boubouroche“ von Courteline fand nachher noch eine matte
Stimmung, die sich erst bei Schnitzlers Lustspiel „Literatur“ das der
Abend beschloß, ein wenig erwarmte.
Ausschnitt aus:
Montags Journal, Wien
2-FERR 1S
vom:
Hofpurgtheater., Dies Hofburg mischt für den Fasching
Wedelisd, Courtelite und Schnitzler. Ein seltsames Com¬
positum, mehr Expetiment, als wirklich literarisches Pro¬
gramm A# besten schneidet natürlich der französische
Satyriker ab. Seine Lustigkeit ist eben wirklich frisch¬
quellend und gerade der linkische Ehemann, der so graziös
die Hörner aufgesetzt kriegt, von unwiderstehlichem Neiz.
Auch Wedekind und Schnitzler gefielen; wenn sie auch
heiweitem nicht so stark sind, wie der Franzose. Die
Darstallung war sehr ungleich. Im „Kammersänger“ war
Reimers sehr stattlich, aber zu wenig Karrikatur. Gut
swaren Fr. Kallina und Hert Straßmi. — Im Courteline¬
Stück kämpfte man mit der Erinnerung an die Auf¬
führung im Raimundtheater, wo Balajthys Boubouroche
eine Meisterleistung war. Herr Treßler karikierte zu viel
und Fr. Retty, war mehr Bürgersfrau als Dirnchen. Treff¬
lich Thimig und Zeska. Im dritten Stück waren Fr. Mar¬
berg und Herr Heine von köstlicher Wirkung.
Herr
Treßler spieltewieder etwas zu viel. Auf derartige Kleini¬
keiten ist der Burgtheaterton nicht gestimme
Ausschnitt aus:
Wienen Birtags-Zeitung
vom:
3LFER1914
Theater und Kunst.
(Burgtheater.) Ein Ragout aus der modernsten
dramaiischen Teufelsküche: Wedekind, Courteline, Schnitzler.
Die Komtessenhüter bekamen Moralkrämpfe, und — es
gab ein übervolles Haus. Freilich, „Der Kammer¬
sänger“ ist eins von den artigeren Wedekindchen und,
burgtheatermäßig frisiert, fast ein gesunder, lebfrischer
Junge. Reimers, der die Bonhommie kontraktlich hat,
hat ihr den vertrackten Ueberwitz geruhig ausgelaugt,
Straßnis dünn rieselnder Rührbrei beinahe die
Groteske in gemütsweiche Tragik ersäuft. Frau Kallinas'
heiß flackernde Erotik war Blut vom Blute Wederinds;
das kleine Fräulein Leschka ein backfisch=süßes Weh¬
kind.
— Georges Courtelines tragische Posse „Bon¬
bouroche“ ward aus der scharfzackigen, das Männchen¬
Los mit männlich grimmigem Hnmor ausschreienden
Allerwelts=Tragikomödie in eine rundliche, kurzbeinige und
kurzatmige Hahnrei=Komödie von Dingsda umgebogen.
Treßler, durch eine seiner grandiosen Maskenkünste in
ein Prachtexemplar krokodildicken Spießeriums verlarve.
gröhlte den Liebesschmerz des fettbrünstig im Selbstbetrug
watenden Dickhäuters mit ergötzlich artistischem Possen¬
Humor; der schnippisch zirpenden Circe der Frau Retty
fehlten die Beißzähne, sie koste mit schmolligen Samt¬
pfötchen, anstatt mit listigen Krallen zu würgen; aber der
Liebesschrank mit seiner faden Schlummrigkeit war auch
darnach.
Arthur Sch###rs Einakter
„ Literatur" beschloß mit seiner wienerischen Witzig¬
keit den Szenenreigen, als stäumige, problemfrei hüpfende
Humoreske. Tretzler, als Verwandlungskünstler schon
brillierend, eincharmant blasierter, turfgesprenkelter Elegant;
Lilli Marberg eine entzückend angestochene Bohôme¬
Blüte, mit triebhaft fahrigen Kokotterien und diglektisch
bunten Kapriolen fingernd; Heine, als Typus des
fahrenden Bohemetums, der verschlissene Ahasver des
Literaturkaffees, mit einer schmissigen, wie automatisch
klausenden, losgekurbelten Plaudertechnik. Etwas davon
hutte veny beiden eistel Mentärguengen inniziellswerden
können„dann wären alle drei Köche besser gefahren.

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