II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 110

16.4. Literatur box 22/3
Theater, Kunst und Literatur.
* Thalia=Gesellschaft. Im Saale der „Folies Caprice“, in
dem diese „freie Bühne" Ungarns ihre Aufführungen veranstalten
muß, da sie als das einzige literarische Theaterunternehmen bei uns
natürlich kein Theater erhält — in diesem eifrig gedüngten Warmbeet
der Zote also vollzog sich gestern etwas, was man immerhin ein
Theaterereigniß nennen darf: die erste ungarische Aufführung eines
Stückes von Arthur Schnitzler. Man gab die „Literatur“, den
letzten der vier Einakter, die unter dem Gesammttitel „Lebendige
Stunden“ in nier verschiedenen Lebensaspekten und Tonarten das
Thema von der inneren Verlogenheit der Künstlermenschen variiren,
jener sensitiven Artistenseelen und hyperintellektuellen Lebensstylisten,
die das Dasein stets nur im Spiegel ihrer eigenen Reflexion
zu erkennen vermögen, denen die quälerische Gewohnheit konstanter
Selbstbeobachtung jegliche Hingabe an den Augenblick verwehrt, deren
Empfindungen immer erst ins Hirn und von da nur selten ins Herz
gehen — kurz, jener Literatenmenschen, denen die Sucht, Menschen
künstlerisch zu verwerthen, die Fähigkeit benommen hat, sie menschlich
zu lieben oder zu hassen. Man hat die vier feinen und gedankentiefen
Stückchen vor Jahren vom Brahm'schen Ensemble im Lustspieltheater
spielen gesehen. Von den drei ersten losgelöst, ergibt das letzte, wirk¬
m
samste, weil witzigste, noch immer einen geistvollen, höchst amüsanten
Einakter, der aber in dieser Isolirtheit die schwermüthig satirische
Stimmung des Ganzen, das Wollen des Dichters nur sehr verdünnt
erkennen, oder nur ahnen läßt. Auch wird die Grundstimmung hier
von der Lustigkeit dieses so frisch vorbeiwirbelnden Scherzos, von der
Drolligkeit dieser Nachtcafé=Lyriker, die sich gegenseitig zu Modellen
machen, ein wenig übertönt. Wer also die „Lebendigen Stunden“
Er
nicht kannte, erhielt „nur“ einen entzückenden, geistreichen Einakter
Fr
von prachtvoll organischem Witz und wunderbarer Geschlossenheit im
Ar
Baue — den besten jedenfalls, den man seit Jahr und Tag hier in S
ungarischer Sprache zu sehen bekommen. Die Aufführung
zeigte auch heute Schwung und Verständniß. In der Rolle
Ir
des lüsternen Literaturweibchens, das die Elstasen heißer
zei
Nächte nachträglich auf offenem Büchermarkte verhökert,
M
versuchte sich mit sehr bemerkenswerthem Geschick eine der Bühne
hie
bisher fremde Dame, Frau Vilma Balogh=Koväcs. Der Ton
war nicht überall echt, aber starke Intelligenz und ein gewisses de¬ 9)
gagirtes Zugreifen machte sich durchwegs geltend. Das männliche 30.
Widerspiel des Typus, einen dekadenten Münchener Literaten — einen an
jener, die „im Kaffeehaus alle Talent haben“ — gab Herr Törzs] 45.
mit scharfer Charakteristik. Herr Sündor dagegen schlug im
gleichen Bestreben ein wenig übers Ziel und verfiel da und dort fast
A
ins operettenhaft Groteske. Der Saal war auch heute vom intellektuell
gib
besten Publikum Budapests bis aufs letzte Plätzchen besetzt und die
sän
zweite Aufführung des sozialen Dramas Menyhert Lengyel's „A nagy Wi
fejedelem“ die dann folgte, fand begeisterten Beifall.
E. G.
12.
Im königlichen Opernhause fand gestern die dritte Ste
Aufführung von Emil Abränyi's jun. neuen Oper „Monna] Do
Serenn
Die Thalia=Geseltsshaft brachte
Sonntag Nachmittags Schnitzler's geistsprühenden
Einakter „Az irodalom“ zur ersten Auffährung. Von
den Mitwirkenden ist Herr Törzs, der die Rolle des
modernen Dichters mit seinen satirischen Lichtern auf¬
putzte, mit besonderer Anerkennung zu nennen. Die
übrigen Darsteller waren diesmal mittelgut. Dem Ein¬
akter folgte Milchior Lengyel's „Anagy fejedelom“,
der auch diesmal wärmstes, verständnißvolles Interesse
f.
hervorri
: Gäza Kreß, der heper in England und Beigien
Szmnrekerül „Aida“, amclyben a vendégmüvésznö
Amnerist énekli.
(*) „Trodalom!“ Az irodalomnak intim lelep¬
lezése cz az egyfelvonäsos Szatiraszerü vigjäték,
amely Schnitzler Artur gunyos tolla alöl került ki
s amelyet vsärnap mutatott be a Thälia Türsasäg
Nagy és merész vonäsckböl, az irodalom intimitäsä¬
böl, a mühely belsö titkaiböl ellesett vondsokböl van
összerövà ez a gunyos köp, amelynek väzlatszerüsö¬
géböl minduntalan clöcsillan egy-egy mély keserü¬
beg, amely azoknak a lelkében rejtözködik, akiknek
van valamelyes bensöbb közük az irodalomhoz. Es
lehetetlen, hogy ezeknek ne legyenek ilyen keserü¬
ségeik és éppen azêrt nem lehet mäskent, hogy a
legigazabb szeretettel, füjdalmas szeretettel ne sze¬
ressék az irodalmat. Ilyen lelkü embernek mutatta
meg magät Schnitzler Artur ebhen a szatirájäban
Es ezört volt nekünk olyan rokonszenves és mind¬
azoknak, akik valamelyes közösséget tartanak az
irodalommal. Ilyen emberek pedig nagyon sokan
voltak n Thälia Tärsasäg vasärnap délutäni elöadä¬
sün, ahol clöször jätszottäk ezt a mindenképpen ér¬
dekes darabot. A bemutatö-elöadäst nagy siker ki¬
sérte. Az elöadäsban Koväcené Balogh Vilma — az
5 Erdeme, hogy meglätta és leforditotta a darabot —
Törzs Jenö és Sändor Miklös vettek részt. Mind a
härman jól jätszottak. (.)


Mrrume.
* Thalia=Gesellschaft. Im Saale der „Folies Caprice“, in
dem diese „freie Bühne“ Ungarns ihre Aufführungen veranstalten
muß, da sie als das einzige literarische Theaterunternehmen bei uns
natürlich kein Theater erhält — in diesem eifrig gedüngten Warmbeet
der Zote also vollzog sich gestern etwas, was man immerhin iin
Theaterereigniß nennen darf: die erste ungarische Aufführung eines
Stückes von Arthur Schnitzler. Man gab die „Literatur“ den
letzten der vier Einakter, die unter dem Gesammttitel „Lebendige
Stunden“ in vier verschiedenen Lebensaspekten und Tonarten das
Thema von der inneren Verlogenheit der Künstlermenschen varüiren,
jener sensitiven Artistenseelen und hyperintellektuellen Lebensstylisten,
die das Dasein stets nur im Spiegel ihrer eigenen Reflexion
zu erkennen vermögen, denen die quälerische Gewohnheit konstanter
Selbstbeobachtung jegliche Hingabe an den Augenblick verwehrt, deren
Empfindungen immer erst ins Hirn und von da nur sellen ins Herz
gehen — kurz, jener Literatenmenschen, denen die Sucht, Menschen
künstlerisch zu verwerthen, die Fähigkeit benommen hat, sie menschlich
zu lieben oder zu hassen. Man hat die vier feinen und gedankentiefen
Stückchen vor Jahren vom Brahm'schen Ensemble im Lustspieltheater
spielen gesehen. Von den drei ersten losgelöst, ergibt das letzte, wirk¬
samste, weil witzigste, noch immer einen geistvollen, höchst amüsanten
Einakter, der aber in dieser Isolirtheit die schwermüthig satirische
Stimmung des Ganzen, das Wollen des Dichters nur sehr verbünnt
erkennen, oder nur ahnen läßt. Auch wird die Grundstimmung hier
von der Lustigkeit dieses so frisch vorbeiwirbelnden Scherzos, von der
Drolligkeit dieser Nachtcafé=Lyriker, die sich gegenseitig zu Modellen
machen, ein wenig übertönt. Wer also die „Lebendigen Stunden“.
nicht kannte, erhielt „nur“ einen entzückenden, geistreichen Einakter
von prachtvoll organischem Witz und wunderbarer Geschlossenheit im
Baue — den besten jedenfalls, den man seit Jahr und Tag hier in
ungarischer Sprache zu sehen bekommen. Die Aufführung
zeigte auch heute Schwung und Verständniß. In der Rolle
des lüsternen Literaturweibchens, das die Ekstasen heißer
Nächte nachträglich auf offenem Büchermarkte verhökert,
versuchte sich mit sehr bemerkenswerthem Geschick eine der Bühne
bisher fremde Dame, Frau Vilma Balogh=Koväcs. Der Ton
war nicht überall echt, aber starke Intelligenz und ein gewisses de¬
gagirtes Zugreifen machte sich durchwegs geltend. Das männliche
Widerspiel des Typus, einen dekadenten Münchener Literaten — einen
jener, die „im Kaffeehaus alle Talent haben“ — gab Herr Törzs
mit scharfer Charakteristik. Herr Sändor dagegen schlug im
gleichen Bestreben ein wenig übers Ziel und verfiel da und dort fast
ins operettenhaft Groteske. Der Saal war auch heute vom intellektuell
besten Publikum Budapests bis aufs letzte Plätzchen besetzt und die
zweite Aufführung des sozialen Dramas Menyhért Lengyel's „A nagy
E. G.
fejedelem“, die dann folgte, fand begeisterten Beifall.