II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 41

Maske
box 22/2
16.3. Die letztenn
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEFHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
DerTat. 9.
vom:
34
S NOV.
lichen Regie Josef Glücksmanns in einer ge¬
österreichischer Dichterabend im
schlossenen Aufführung. Hier fühlen sich die
Schauspieler ganz zu Hause, denn hier ist
Raimund=Theater
Volksstück. Paul Barnays Untersuchungs¬
richter hat Format, Ingers Schriftführer
* Das Raimund=Theater hat seinen Platz
rührt als Schlemihl, Lotte Langs Zeugin hat
als Volksstück=Theater gefunden. Aber auch
das Gift und die Giftigkeit einer Einzimmer¬
Raimunds größte und verzehrende Sehnsucht
wohnung mit Bettgeher, Pohlmann und Kal¬
war, einmal hochdeutsch reden zu dürfen. So
woda wirken wienerisch echt. Mittelpunkt der
auch begibt sich das Raimund=Theater an
Aufführung und Gipfel des Abends ist Ludwig
diesem Abend ins Hochdeutsche, aber wie es
Stossel als „der Beschuldigte Anton Gschmeid¬
schon geht, dort, wo es Dialekt reden darf,
ler“. Stössel spielt da kein Wrack, er gibt keine
zeigt sich seine wahre Heimat und Bestim¬
Anklage, sondern er bringt ergreifend einen
mung.
Den Anfang macht „Der Tor und der Tod“. Menschen, der nirgendwo mehr zu Hause ist,
Merkwürdig, wie die Hofmannsthalschen über den das Leben hinweggegangen ist, einen
Verse, da sie von den Jahren patiniert sind, Heimatlosen, ein altes, ausgeplündertes
jetzt an die Grillparzerschen erinnern. Sie hal=Menschenherz im Kot der Straße, blutend im
Leid, aber herrlich auch jetzt noch und unzer¬
#ten die gleiche innere Linie der Lebenssehn¬
störbar in der Kraft seiner Liebe zu den
sucht und der Daseinsangst. Nur hat der Edel¬
Menschen.
mann Claudio, der da hinübergeht, keinen
Oskar Maurus Fontana.
Lebensinhalt, er ist ein Tor, darum auch ist
sein Sterben nicht tragisch, sondern nur ele¬

gisch. Erst da aus dem Tor Jedermann wird,
gewinnt Hofmannsthal die große Erschütte¬

rung, findet er aus seinem Ich heraus zum
Volk. Man erinnert sich da an Rilke, der der
unvergeßlichsten Augenblick seines Lebens der
benennt, als ihn eine alte Bäuerin in Ruß
land umarmt und zu ihm sagt: „Auch du bis
wohl nur Volk.“ Es war auch das Erlebnis
das Hofmannsthal bis zuletzt am inbrünstig
sten gesucht hat. Für die Empfindungs
schwelgerei der romantischen Verse Hofmanns
thals haben die Schauspieler des Raimund
Theaters kein Organ, in des Wortes wirk
licher Bedeutung. Glanzlos bleibt alles, aus
dem Gedicht wird kleingehackte Prosa. Dabe
grenzt die Regie Stephan Hocks die Schatter
von dem Leben nicht deutlich genug ab,
fließt alles stimmungslos ineinander über
Hans Frank als Claudio wirkt wacker, abe
nicht mehr. Walter Firner als der Tod is
nicht „aus des Dionysos der Venus Sippe“
sondern der Seminardirektor einer Lehranstal
für Sterben. Blanka Pechy als die Mutter ha
einen guten Ton, aber nicht den Mut zu eine:
„alten“ Maske.
„den letzten Masken“ triumphier
Arthur Schnitzlers Meisterschaft, Leben ir
seiner menichlichen Vielfalt und in seiner
seelischen Transparenz auf einen kleinster
Raum zusammenzudrängen, heute ebenso wie
vor Jahren. Da ist kein Altern zu merken
Nur in den technischen Kleinigkeiten könnte
Schnitzler von der heutigen Dramatiker¬
generation etwas lernen, so läßt sie heute
keinen Wagen mehr abschicken, um jemand zu
holen, sondern sie läßt einfach telephonieren.
Sonst aber haben die gegenwärtigen Drama¬
tiker alles von Schnitzler zu lernen: seinen
Griff ins Dasein, seine Sicherheit, rasch den
Figuren Profil und Hintergrund zu geben,
seine Kunst, hinter der gelebten Wirklichkeit
immer wieder traumhafte, ungelebte Möglich¬
keiten ahnen zu lassen. Es ist ein kleines
großes Meisterwerk dieser Art von der Tragi¬