II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Die Frau mit dem Dolche, Seite 11

(Zum ersten Male im Neuen Deutschen Theater.)
Schon lange hat ein neues Opernwerk nicht so
rasche Verbreitung gesunden, wie Max Schillings
Mona Lisa. Schon ver der Stuttgarter Urauffüh¬
rung im vorigen September, noch bevor man wußte,
wie sich das Publikum zu der Sache verhalten werde,
war die Annahme Mona Lisas unter den Theater¬
leitern beschlossen und in dem Vierteljahr, das seit.
her vergangen ist, wurde bereits an den meisten
Bühnen die Neuheit herausgebracht. Früher hatte
es Max Schillings nicht so gut. Sein Komponisten¬
ruhm ist älter, als der fast aller heute in Betracht
kommenden musikalischen Bühnenautoren. Als man
ganz am Beginne der Neunziger Jahre die „Ing¬
welde“ als ein hoffnungserweckendes, und trotz seiner
Wagnerabhäginkeit eine eigene Note aufweisendes
Musikdrama zu begrüßen vermeinte, hatte sich noch
nicht einmal der Symphoniker Strauß gefunden,
Humperdinck war noch nicht auf dem Plan erschie¬
nen. Hans Pfitzner noch nicht entdeckt und die, welche
später so erfolgreich für den Spielplan des Alltags
sorgten, Kienzl und d'Albert machten noch ihre
tustenden Versuche. Max Schillings aber stand da
als der überlegene, den bilkigen Erfolg stolz ver¬
schmähende Aristokrat, der nur an den idealsten,
herbsten und sprödesten Stoffen seine Kräfte maß
und sich mit der Anerkennung einer Minderheit be¬
gnügte. In dieser Haltung ist er verblieben, hat der
nordischen Skaldenoper Ingwelde, den Pfeiffertag,
das Lied von des deutschen Spielmanns Lust und
Leid, folgen lassen und sich an der Unmöglichkeit,
dem Hebbelschen Molochproblem etwas, wie Musik
abzugewinnen, ehrlich den Kopf eingerannt. Hoch¬
achtungserfolge zu erringen, war bisher die Spezia¬
lität Max Schillings, der sein Epigonentum bis
auf den heutigen Tag nicht zu überwinden imstande
war, eine Hochachtung, die aus der Erkenntnis re¬
sultierte, daß in den vorliegenden Werken ein ehr¬
liches Ringen, ein strenger sachlicher Ernst obwaltete
und daß hier einer nicht vom Wege abbog, trotzdem
sich ihm die Aussicht ins Freie nicht zeigte.
Mit seiner „Mona Lise“ ist nun Schillings von
diesem früher als richtig erkannten Weg abgebogen.
Der ewigen Hochachtung müde, wollte er den wirkli¬
chen Erfolg verkosten und versuchte es mit diesem
Kinostück der Sensationslust des an den Nerven¬
kitzel der Tosca und der Elektra gewöhnten Publi¬
kums zu schmeicheln. Und in der Tut, die Martern
aller Arten, welchen die Floria Tosca im Vorzim¬
mer der Folterkammer Soarpias ausgesetzt ist, sind
eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Grausamkeiten,
welche Francesko del Giocondo, an seiner um keinen
Preis lächeln wollenden Gattin verübt, der Lieb¬
haber dort wird bloß ein bißchen geschunden,
hier muß er ersticken, und während er seine letzten
Atemzüge röchelt, darf man zusehen, wie der
rasende Gatte die beklagenswerte Nichtlächlerin
vergewaltigt. Aber auch die Rache Mona Lisas ist
nicht von schlechten Eltern. Wie sie durch List und
Verstellung den Gatt, in dieselbe Falle lockt, die
er dem Liebsten berei hat, wie ihr der liebe Kien¬
topp-Gott dabei hilft, indem sich der einzige Schlüs¬
sel zu dem ominösen Juwelenschneien plötzlich wie¬
derfindet, und wie sich Mona Lisa nach vollzogener
Revanche zu Tode tanzt, jetzt nicht nur lächelnd
sondern in gellem Wahnsinnslachen, Aufregenderes,
Schauerlicheres und Grausigeres hat man auf der
Opernbühne nicht sobald zu schauen bekommen. Zur
Scheinmilderung, nur um das ästhesische Gewissen
zu beruhigen, sind diese an Brutalität nicht zu über¬
bietenden und jeglicher seinerer psychologischen Moti¬
vierung entbehrenden Vorgänge von dem in der
Gegenwart spielenden Rahmenstück umgeben. Beginn
und Schluß zeigen eine moderne Mona Lisa und
ihren ältlichen Gemahl bei der Besichtigung von
Giocondos berühmtem Palazzo und die Koketterie der
jungen Frau mit dem Laienbruder, von dem man
aber nicht weiß, wie er sich zu dem Verführungs¬
versuch verhalten wird. In Arthur itr#¬
akter „Die Frau mit dem Dolch“ findet sich derselbe
szenische Trik, dort aber sind es beim kommulieren¬
renden Verschwimmen von Gegenwart und Vergan¬
genheit die Fragen der Seelenwanderung, mit wel¬
chen sich ein Dichter, Rätsel und Geheimnisse ersor¬
schend behutsam tastend beschäftigt. Davon ist in
Beatrice Dovskys Libretto auch nicht eine Spur.


loge und Bibelforscher Hermann Rönsch (in Jahns Jahr.
büchern“, Band 123, 1881 und 131, 1885) nachwies, daß dieser
mit Hen gefüllte Korb zum Warmhalten des Wassers und des
Fleisches diente, dessen man am Sabbath bedurfte, ohne doch
an dem heiligen Tage selbst etwas dafür tun zu dürfen. Die
Erfahrung lehrt, daß eine solche Einrichtung die Speisen nicht
nur warm hält, sondern auch gar macht; der altjüdische bei
kor#isdalso im Grunde ganz dasselbe wie die modefne Luch¬
kiste.
(Frauechauspiethans.] Einakter =Abende

Bei Dramen wird man nicht
aben immer
#ng gequält, bei Lustspielen dauert die Vorrede nicht lang,
und kann es auch nicht. Denn entweder wird der Einalter“
der letzte Aufzug eines Dramas sein, dessen Vorbedingungen“
eilig mitgeteilt werden müssen, wobei dann natürlich vor')
Entwicklung und Motivierung nicht die Rede sein kann, also“
gerade die feinsten Offenvarungen dichterischer Kraft nichtg
zur Oberfläche kommen, oder er wird ein Auftritt, ein Dia#
log, eine Szeue sein, die irgend eine heitere Ueberraschung#
abschließt. Gestern hatte man im Schauspielhaus in einem“
Oesterreichischen Autorenabend alle Formen des Einakters
beieinander. Ein Schauspiel: „Die Frau mit dem
Obgleich dasStüll—
Dolche" von Auts
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zum ersten Male gespicedütbe, barf vorausgesetzt werden.
daß es der gebildete Mitteleuropäer längst kennt. Er wird
vom Lesen mehr Genuß gehabt haben als von der Wieder¬ X
g#be, in der die fein geprägten Verse des mittleren Vor¬
nangs mit ihren nachdenksamen, zum Verweilen lockendet
Worten schnell vorüberwehen. Die Absicht, aus der das Stück #
entstand: den Glauben Vieler, einen bestimmten Vorgans#
schon einmal erleht zu haben, die ewige Wiederkehr des Glei¬*
chen also auch im Einzelleben, in einem Gegenwarks= und
Vergangenheitserlebnis dichterisch zu gestalten, ist kü
ch
gewinnt das Werk im Bühnenlicht mehr triminelles als
gisches Interesse, so stark der Dichter auch gerade dies
möchte. Er scheitert am Einakter, der nur Umriss
Das Drama „Die von nebenan“ von Thadde
ner ist kein Drama, sondern nur das Zwiegespr
Studenten, die in Paris in einem ärmlichen Zin
gernd in ihren Betten liegen. Im Verlauf des
der sich nur um das Brot und die lukullischen G
Dame von nebenan dreht, werden sie vom Hunger
ergriffen: die von nebenan tritt als Tod, grün bi
berein und erlöst die armen Teufel. Der spukhafte Aktn
mit schöner Einstimmigkeit abgelehnt. Hermann Bahrs
„Die riefe Natur“, in der dieser Meister der Plauderei
sein Lieblingsthema von der Schaukelpolitik der Frauen
wieder einmal in erheiternder Weise abwandelt und hübsch und
gewagt beweist, daß man bei den lieben Frauen auf jede
Ueberraschung geaßt sein darf, gefiel vor allem im zweiten
Teil, der die Probe aufs Exempel bringt. Das Vorspiel,
in dem zwei Freunde über ihre Auffassung vom Weibe lang
und breit daherreden, ermüdete und mußte ermüden. Die