II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 67

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14. Der Schleier der Bestrice
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Behemia
Ausschnitt aus:
2 8000
dient in den Annalen der Theater Wiens fetts sches Stück mit dem flotten Titel „Die hohe
Wiener Theaterbrief.
vermerkt zu werden. Es frägt sich nur, wie
O. T. Es ist lebendig geworden in der
Schule“ und einer furchtbar=originellen und
das Publicum Wiens über dieses Experiment langwierigen Kategorisirung gebracht. Man
Wiener Theaterwelt. Scheint die Sonne noch
denkt. Wird es dem Wiedener Theater, in
so schön, einmal muß man dennoch ins Theater
höre: „Fünf Acte aus dem Leben eines Mäd¬
welchem allerdings einst „Die Zauberflöte“ zu¬
chens von Talent, Münchener Stück!“ So
gehen. Und die alten und neuen Herrschaften
erst ihre lieblichen Melodien hören ließ und
in den verschiedenen Tempeln der Kunst laden
etwas war noch nicht da, obgleich unsere Au¬
nachmals den Classikern volksthümlich gehuldigt
so dringend und mit so verlockenden Ankündi¬
toren unmodern zu sein fürchten, wenn sie
wurde, beschieden sein, zur ernsten Schaubühne
gungen zum Eintritt, daß man nicht fern blei¬
nach gutem alten Brauche ein deutliches „Schau¬
emporzuwachsen oder wird hinter den Coulissen
ben kann. Allenthalben gibt es Ereignisse, groß
spiel, Trauerspiel oder Lustspiel“ schreiben.
die verbannte „schöne Helena“ den rechten
genug, um echte Theater=Menschen aufzuregen,
Max Dreyer glaubt seiner „Großmama“ die
Augenblick erwarten, um in erneutem Glanze
und mit Schreck entdecke ich an meiner unge¬
präcisirende Bezeichnung „Jung=Gesellen¬
über die Bühne zu schweben? Man ist vorsichtig
störten Seelenruhe, daß ich eigentlich gar kein
Schwank“ geben zu müssen. Als ob „Schwank“.
und behält die intime Verbrüderung mit dem
echter Theatermensch mehr bin. Zum Beispiel:
nicht genug wäre! „Junggesellenschwank“ klingt
Für
Carltheater im Auge.
Erleidet „Napoleon“
100
„Der Schleier der Beatrice!“ Welch' grimmen
sogar verdächtig und erweckt bei den Theater¬
eine unvorhergesehene Niederlage, so ist ein
200 Krieg zwischen wehrhaften Helden der Feder
Ronés Hoffnungen, die das grundanständige
anderer Theaterdespot, „Der Großmogul“, be¬
und dem Burgtheater=Director Schlenther, der
Stück nicht erfüllt. Wolzogen aber thut es
reit, unter lustigen Operettenmelodien den ruhm¬
„ 1000 die Feder mit dem Theaterdirectors=Scepter
unter 11 Worten nicht. In Wien hätte man
reichen Corsen auf der Wieden abzulösen. Das
Im vertauscht hat, hat dieses der Welt noch unbe¬
so etwas vor einigen Jahrzehnten „Sittenbild“.
Repertoire sieht sogar im Vorhinein eine Ab¬
Abonneme kannte Stück Arthur Schnitzler's entfesselt!
genannt; jetzt sagt #an mit genialer Unbe¬
wechslung vor und rechnet mit der Uibersied¬
Abonnente Mußte es Schlenther aufführen oder nicht?
stimmtheit „Wienück“
als ob gerade
lung des Carltheater=Großmoguls auf die
Das ist jetzt eine Frage, welche mehrere Lite¬
das, was man auf der Bühne so nennt, so
züngste Napoleonbühne Wiens.
Der raturcirkel stürmisch dewegt. Es ist viel Tinte
färbt oder so verzerrt, allein=wiener# wäre!
Und wie ist der große Personen=Tausch
Inhaltsus um diese Frage verschrieben, viel heiliger Zorn
blätte:
Ebenso wenig ist das allein münchenerisch, was
Raimundtheater=Volkstheater, Carltheater=Rai¬
wodurch e verbraucht worden, und doch weiß man noch
Wolzogen mit seiner „talentvollen“ Münche¬
mundtheater ausgefallen? Herr Thaller ist
des In- 1 keineswegs, ob Schlenther wirklich der Ver¬
nerin, einer ganz=modernen Fatinitza, vorgehen
rasch, an einem einzigen lustigen Abende, voll¬
werden in brecher war: vielleicht wäre etwas Geduld sehr
läßt. Auch der Humor Wolzogens ist an keine
bürtiges Volkstheater=Mitglied geworden. Er
anzuempfehlen, bis das geschätzte Publicum in
Stadt gebannt; er ist grenzenlos, d. h. er
spielte den fanatischen Junggesellen=Baron in
die Lage kommt, darüber zu entscheiden, wie
voltigirt tapfer über alle Geenzen des einfach¬
dem Dreyer'schen Schwank „Die Großmama“,
schwer sich das Burgtheater durch seine Zurück¬
komischen und wird grotesk, Frau Odilon
und das Publicum, das schon ganz premieren¬
haltung an dem Werke versündigt hat. An
war das „Mädchen von Talent“. Man muthet
haft aussah, jubelte ihm zu. Thaller ist eben
positiven Thaten that das Burgtheater, seitdem
ihr eben alles Talent zu, und sie hat auffal¬
einer von jenen ganzen großen Männern, die
es seine Pforten wieder eröffnet hat, nur eine
lend viel davon — ein Stück kann durch sie
auf der modernen Bühne selten sind; er ist und von ihr leben.
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jener „Neuaufführungen“ geboten, wie sie seit
ein Original, keine Copie, und deshalb ersetzt
einigen Jahren das rührend=herzliche Ver¬
er wieder Originale, Tyrolt z. B., wahrschein¬
hältniß zwischen den einzelnen Schaubühnen
lich auch Girardi, der irrlichtelirend zwischen
der Residenz ermöglicht: die Aufführung der
allen Wiener Theatern herumflackert und sich
„Mütter“ Georg Hirschfelds, welche schon das
nicht entschließen kann, irgendwo sein Licht leuchten
deutsche Volkstheater als echte Neuigkeit ge¬
zu lassen. Wahrscheinlich wird er sich unter die
bracht hatte.
Meistbietenden monatweise verspielen lassen:
Ja, es
ist rührend, jenes Verhältniß.
das Wiedener, das Raimund= und Josephstädter,
Man tauscht die Mitglieder, die Stücke, ja
vielleicht auch das Carltheater, wollen ihren
mitunter das gesammte Personal und Reper¬
Girardi=Monat haben, und verschiedene Federn
toire, so daß man in allen zwanzig Wiener
spitzen sich bereits, um jeder in die Girardi¬
Bezirken die gesammte Wiener Kunst ohne be¬
Bewerbung tretenden Direction ein an den be¬
sondere Tramway= und Omnibus=Reisen aus
rühmten kostbaren Leib geschriebenes Stück
nächster Nähe genießen kann. Das Burg¬
zu dichten.
theater hat dem Volkstheater in aller
So weit hat es Thaller, der ja auch einmal
Harmonie seine beste weibliche Kraft Frau
und zwar recht lange der Liebling Prags war,
Schmittlein, abgenommen und entführt ihm
noch nicht gebracht: er zählt noch zu denjenigen,
nun eine fast ebenso werthvolle Schauspielerin,
welche an einer einzigen Bühne aushalten
Frau Retty — dafür ist das Volkstheater
können. Auch mit den „Leib= und Zug=Stücken“
prompt in den Wiederbesitz des an die Burg
hat es gute Wege bei ihm; sein Repertoire ist
verlorenen Kutschera gelangt. Das Raimund¬
elastisch und reicht von dem hartgesottenen Jung¬
theater cedirt demselben Volkstheater, allerdings
gesellen auf Schloß Soundso weit ins Anzen¬
mit mäßiger Freude, Willi Thaller und ent¬
gruber=Reich und in das feinere Lustspiel hinein.
schädigt sich dafür durch das Engagement von
Sein Debut war belebt durch die Kraft und
Betty Stoian, dem bisherigen CaritheaterSinnmmne
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