II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 155

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14. Der Schleier der heatrice
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wehen die Lüfte nach jenem Sonnenuntergang in der todt pflicht wäre es freilich gewesen, der
„Der Schleier der Beatrice.“
geweihten Stadt ..
die Arbeit eines echten Dichters u
Schauspiel in fünf Akten von Arthur Schnitzler.
Ehe wir es aber versuchen, zu erzählen, wäs das Auge wältigenden Schönheiten der Em

Breslau, 2. Dezember.
des Dichters in jener Nacht gesehen, da sich Bologna auf und der Sprache, daß es eine
Fröstelnd hüllten sich die guten Breslauer Herren und
den Tod verbereitete, wollen wir vorausschicken, daß es die Fortschritt gegenüber den frühere
Damen gestern fester in ihre Mäntel, als sie das Lobe¬
Breslauer gestern Abends lange nicht nach Gebühr und ge=bedeutet. Die Vorzüge seiner A
Theater verließen, in dem das letzte Werk des Wiener
mäß den kühnen Absichten des Dichters fröstelte. Der samum= und prächtiger Blüthe gelangt,
Dichters Arthur Schnitzler zum erstenmale aus dem Buche
gleiche Gluthauch, der im „Schleier der Beatrice“ von der
jede seiner Schwächen vertreten
zum Scheinleben der Bühne erweckt worden war. Das Klima
Bühne ausgehen muß, war im Lobe=Theater ein laues
Dingen oft zu absichtlich, forcirt ur
ihrer Vaterstadt berührte sie rauher, unfreundlicher als sonst,
Frühlingswinochen der gemäßigten Zone geblieben, und weder
schwerer wiegt, er verkünstelt jedes
der grauwolkige Himmel hing wie eine Last über ihnen und Regie noch Einzerleistungen vermochten Intentionen gerecht
Entwicklung, indem er sie zuerst na
die farblose, von den Schatten der nordischen Nacht in eine
zu werden, die ungeheuere Konzent.ationen forderten und fast
wieder zurückwendet und in allen F
häßliche, schmutzige Uniform eingehüllte Gegenwart erschien
durchwegs überlebensgroße Intelligenzen voraussetzten. Die
Möglichkeiten beleuchten läßt. Große
ihnen reizloser, nüchterner als an einem anderen Abend,
Kühnheit der Konzeption durste weder bewußt, noch durch
nicht so fürchterlich gescheidt, so rast
denn sie kamen aus einem Lande, in dem die dunkelste
die Unzulänglichkeit der Mittel geschwächt werden,
ob Schnitzler bei allem Dichterischen,
Nacht heller, feuriger erstrahlt als ein „graulicher
wenn nicht die Wirkung des Kunstwerkes überhaupt ängstlich besorgt wäre, nur ja Keine
Tag, der uns im Norden umfängt“, aus einer Zeit, in höchst bedenklich in Frage gestellt werden sollte, und übrig zu lassen. So wird er zum
der das Leben in farbenprächtigeren, leuchtenden Ge=jede Feigheit, jede Prüderie fälschte das Milieu, das, wie man
über den Stoff.
wändern einherstolzirte, aus Situationen, in denen sieht, die treibende Kraft bildet. Ich glaube jetzt auch den
Ueber Bologna Lämmert der
die Stunde Menschenleben bedeutete und der relative Werth Direktor des Wiener Burgtheaters zu verstehen und finde es
große Dichter Filippo Loschi im Ge
alser Dinge wie durch ungeheure Spiegel zur Unkenntlichkeit
mehr als begreiflich, wenn er es in seiner Position als viel
schöne Beatrice, des verrückten
verzerrt erschien. Nach Bologna hatte sie der Dichter geführt, getadelter Direktor einer Ho ihne nicht wagte, das Stück
Töchterlein, erwartet. Vor drei Tag
an ben Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, in eine Nacht,
so herauszubringen, wie es einzig gebracht werden durfte,
hat er sie zum erstenmale gesehen
der kein Tag mehr zu folgen schien. Was in den Mauern der
und deshalb lieber ganz darauf verzichtete. Nur scheint er Seele so vollständig Besitz ergriffen,
Stadt athmete, war dem Tode geweiht, der vor den Thoren
mir dabei nicht ganz aufrichtig gewesen zu sein und zur
schaften, vorher übernommene Pflich
lauerte in der Gestalt des furchtbaren Cesare Borgia und
Erkenntniß über das Wesen des Stückes viel länger gebrauchtversinken. Was ihn bewegte, ehe er
seiner Söldner. Alles Fieber des Lebens in wenige Stunden
zu haben, als sich der Direktor eines so hervorragenden Kunst= und Bedeutung verloren, starrt ih
gepreßt, alle Leidenschaften von der quälenden Sorge, dem linstituts gestatten darf. Er mußte nach der ersten Lektüre
davor gestellt wird, gleich etwas Fr
Ekel, der Reue des Morgen befreit, jede That losgelöst von
wissen, daß Schnitzler's „Der Schleier der Beatrice“
Aber auch die Gegenwart lebt
ihren Folgen. Und das Schwert, dem das Vernichtungswerk auf der von ihm geleiteten Bühne nicht in der Gestalt
und den Beziehungen der Ding
anvertraut ist, ruht in der Hand der lasterhaftesten aller hätte erscheinen dürfen, die dem Werke eigen und von ihm
der Gegenstand seiner Liebe ist;
Päpste. Was in Bologna ünrig bleibt nach dieser Nacht, fällt
untrennbar ist. Er mußte also auch rasch entschlossen weiter. Ihn erfüllt der groß
seinen Söldnern n So schwül, so nervenaufpeitschend auf die Ehrenpflicht seiner Aufführung verzichten. Eine Ehren= Genies, das seinen Antbeil an
bleibt standhast. Nun reicht er
trunk, und da sie ihn genossen
ihr die Angst, daß schon der
rinne. Nun schüttelt sie Todessurch
sterben wohl, aber nicht so ums L#
ist es häßlich und verdorben. „Nie gl
bist und feig — jetzt hass' ich Dich
Wahrheit. Die letzte Prüfung w
bestanden. „Nun kehr' zurück,
suchen! Du willst das Leben. Gehl
nimmt Dich gierig auf als sein Besitz.“
sie bei ihm zu lassen. Er leert den Gift
einen Tropfen läßt er ihr. Sie a
Grausen, das ihr der Leichnam ein
„Leben!“ hinaus, zurück ins Schloß.
Dort hat das Fest indes mit
einer letzten Lebensnacht seinen Fortg
entdeckt der Herzog das Fehlen seiner
erscheint gerade wieder, da er ihre
verdächtigt, um ihre Flucht zu wissen
haben. „Mein ganzes Leben ist zusa
Eine: „Wo ist Beatrice?“ Nun ist sie
aus der Kirche, wie es ihr Filippe
Betrug wird rasch entoeckt, denn die §
bemerkt der Herzog, daß Beatrice d
nicht mehr besitzt, den er ih
geschenkt; sie hat ihn bei Filippo ver
ihre Schuld sich zeige, Alles
ausgelöscht bis auf die Erinnerung,

führt, wo sie den Schleier verlor.
Das geht über ihre Kräfte. Da er ab
sie halten läßt und sie zum Tode gefüh
sie dem Herzog die Hand hin — sie wi
sie führt ihn zu der Stelle, wo ihr S
in das Gemach, in dem die Leiche F