II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 185

14.
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Der Schleier der Reatrice
Aussch.
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jagt sie fort! Ihm ist die geträumte Untreue so viel wie die
Feuilleton.
wirklich begangene:
„Doch Träume sind Begierden ohne Muth
Sind freche Wünsche, die das Licht des Tags
„Der Schleier der Beatrice.“
Zurückjagt in die Winkel uns’rer Seele,
(Zum erstenmale aufgeführt im Lobe=Theater zu Breslau.)
Daraus sie erst bei Nacht zu kriechen wagen:
Und solch ein Traum, mit ausgestreckten Armen,
„Ich glaube, nur das Burgtheater
Sehnsüchtig läßt er, durstig Dich zurück.
kann dieses Stück spielen.
So wenig warst Du mein, daß, schlossest Du
Dv. Pauh Schlenther.
Die Augen, Deine Seel' auf Abenteuer
Dieses neue Stück von Arthur Schnitzler ist nicht mit
Ausfliegen konnte..
wienerischen Accenten poctisch. Und die eleganten, jungen
Ich, der Dir so viel gab, als Du nicht ahnst,
Leute unserer Stadt treten darin nicht mehr zu jenem
So viel, daß meiner Liebe werth zu sein.
Dich Ekel fassen müßte, wenn Du denkst,
Liebesreigen an, der sich sonst bei Schnitzler nach der Grund¬
Es leben and're Männer in der Welt:
melodie Strauß'scher Walzer graziös bewegte: mit nach¬
Und Du willst, daß gefäll'gem Ehmann gleich
denklichem Frohsinn, oft und gern melancholisch und mit
Ich fremden Kuß von Deinen Lippen trinke,
einer gelegentlichen Neigung zum Tragischen. Nicht
Und kommst daher als Dirne Deines Traums!
dem
der Sehnsucht nach
mehr Erlebnisse mit
Geh', Beatrice!
Leben. Ueberhaupt: nach der Formel „Schnitzler—
Und Beatrice geht. „Als schwebte sie davon!“ Einfach
läßt sich „Der Schleier der Beatrice“
Vorstadt—süßes Mädel“
nach Hause, wo vor dem Laden ihres Vaters das aufgeregte
ist wohl, neben anderen Gründen
nicht decliniren. Das
Volk sich drängt. Denn der Herzog ist auf einem Rundgang
schlimmerer Art, mit ein Grund gewesen, warum dieses
durch die Stadt begriffen. Man sagt, er werde diese Nacht
Werk hier so vielen Schwierigkeiten begegnete. Denn die
das schönste Mädchen in Bologna zu sich auf's Schloß be¬
meisten Menschen mögen es nicht leiden, wenn Einer aus
scheiden. Da eilt Beatricens Bruder, Francesco, herbei. Er
dem Paradigma seiner Art heraussteigt, aus dem Ressort,
ist Soldat geworden. Der Mutter Treiben hat einst den
das sie ihm angewiesen haben, entwischt. Damit stört er ihre
Vater verrückt gemacht, Rosina ist nach der Mutter
Eintheilung und scheucht ihr Urtheil aus der Ruhe. Und sie
gerathen. Der verbitterte Francesco aber möchte
lieben es, ruhige, gefestigte Urtheile zu haben. Die End¬
Beatrice in sich'rer Obhut wissen und dringt in sie,
giltigen sind lieblos gegen die Entwicklung, aus Ordnungs¬
den jungen Vittorino zum Manne zu nehmen, der
sinn und aus Bequemlichkeit. (Lauter milde Worte für den
sie leidenschaftlich liebt. Und Beatrice willigt ein; wie
Mangel an Verständniß.) Schnitzler hätte noch viele Wiener
sie auf Filippo's dringende Worte einwilligte, ihn zu ver¬
Stücke schreiben können — er wäre ihnen mit jedem immer wieder
lassen, wie sie in ihrer völligen Passivität in Alles willigt.
„willkommen gewesen. Eine zweite, eine dritte Christine, eine
Schon will sie mit dem überglücklichen Vittorino zum Trau¬
vierte, eine fünfte Schlager=Mizzi ... anerkannte Marke ...
altar, da begegnet sie dem Herzog. Bentivoglio hat eben die
ein zehnter Anatol . in hoc signo..! Viele machen's ja
Nachricht erhalten, daß der von ihm verehrte Dichter Filippo
so, und wenn man einmal in einem bestimmten Genre Glück
seine Einladung ausgeschlagen, er hat eben vernommen, was
gehabt hat, ist es gewiß praktisch, sich nach eigenem Muster
das Volk sich erzählt, von dem schönsten Mädchen Bolognas,
fortzusetzen. Schöner allerdings ist es, sich zu entfalten und
das heute auf's Schloß soll — und er sieht Beatrice. Von
zu entwickeln. Nun hat sich Schnitzler auf dem Stoffgebiet,
ihrer Schönheit ergriffen, bleibt er stehen. Ward ihm der eine
auf dem ihm seine ersten Erfolge wuchsen, nicht behaglich
Wunsch, einen bewunderten Mann kennen zu lernen, aus
seßhaft gemacht. Er zwang seine Kräfte nicht, die Wiener
unbegreiflichen Gründen verwehrt, so wird ihm vielleicht der
Scholle immerfort zu bebauen, blos weil da in Sommern, die
andere, ein schönes Weib in dieser Nacht, die möglicherweise
nun verflossen sind, seine Ernte ergiebig gewesen. Als es ihn
die letzte seines Lebens ist, zu umarmen, erfüllt. Und er ladet
fort trieb, ging er fort. Aus Wien, aus der Gegenwart und
Beatrice zu sich auf's Schloß. Diese aber, von ihrem Traum
aus der naturalistisch geschulten Prosa. Sein „Schleier der
befangen, sagt kühn: „Die herzogliche Schwelle betret' ich
Beatrice“ spielt in Bologna, zur Zeit der Renaissance, und
nur als Herzogin!“ Und Bentivoglio, der Jugendliche, der
ist in Versen geschrieben.
Freie, der das Seltsame und das Freie liebt, nimmt Veatrice
Der Dichter Filippo Loschi in Bologna, jung, genial
zum Weibe. Cesare Borgia wartet draußen vor dem Thor
und berühmt, ist mit der Schwester seines Freundes Andrea,
mit zehnfacher Uebermacht. Wenn es morgen kein Bologna
mit der Gräfin Teresina Fantuzzi verlobt. Andrea weilt
und keinen Bentivoglio mehr gibt, was liegt dann noch daran,
im Gefolge des Herzogs von Bologna zu Gast bei den Bor¬
wer eine Nacht lang Herzogin gewesen. Der arme Vittorino
gia in Rom. Inzwischen hat es sich ereignet, daß Filippo,
aber, so nah' am Ziel, vom Glück getäuscht, stößt sich einen
der mit seiner Braut am Krankenlager ihrer Mutter wachte,
Dolch in's Herz.
von seiner Jugend, seiner Leidenschaft hingerissen, Teresina
Filippo hat den Abend mit Dirnen verjubelt. Gleich
noch vor ihrer Vermählung zu besitzen verlangt. Ein Liebes¬
nachdem Beatrice fort war, sind die beiden Florentiner
ransch, eine Aufwallung, geschürt vom Zauber einer milden
Dämchen in sein Haus gedrungen. Da liegen sie nun ein¬
Frühlingsnacht. Teresina hat ihn zurückgewiesen und Filippo
geschlafen, wie die Musikanten, die zum Mahle aufgespielt
ist in heftiger Bewegung davongestürmt, hinaus vor die
haben. Filippo weckt sie. Er will sie los haben: „Heisse
Thore Bolognas, wo eben ein Volksfest gefeiert wird, das
Trunkenheit, Musik, Umschlungensein von weichen Armen.
den erhitzten Jüngling mit aller Lust umgibt, die er nur
Was blieb zurück? Nichts als befreites Athmen, daß es vor¬
wünschen mag. Dort findet er Beatrice Nardi, die junge,
bei, und Sehnsucht nach Alleinsein!" Ohne es selbst zu wissen,
strahlend schöne Tochter eines tollen Wappenschneiders.
wartet er auf Beatrice. Scheidend, sprach sie: „Fühl' ich,
Und noch am selben Abend ist sie sein. Filippo ver¬
daß
ich
nicht sein kann ohne Dich. Und hab'
lebt drei Tage einer nie gekannten, trunkenen Seligkeit.
zu sterben Lust, so komm' ich wieder und nehm'
Diese drei Tage gehen dem Stück voraus. Wenn der Vor¬
Dich mit!“ Jetzt klammert er sich nur mehr noch an diese
hang sich hebt, sehen wir Filippo wieder der Geliebten harren.
Worte, die er doch nicht ernst nimmt. Da tritt Ercole, ein
Teresina ist vergessen, vergessen Andrea und all' die köst¬
Freund, in's Zimmer. Er sieht die Damen und Filippo's
lichen Bande des Schaffens, Genießens und der Liebe, die
Wunsch, sich ihrer zu entledigen. Das trifft sich gut. Sie
ihn an diese edlen Menschen knüpften. Filippo erwartet
wollen mit ihm auf's Schloß. Der Herzog hat ganz Bologna
seine Beatrice — alles Andere ist nicht von Wichtigkeit.
geladen, seine Hochzeit zu feiern mit Beatrice. Mit welcher
Agostino, der Musiker, ist da, vor drei Tagen noch ein theurer
Beatrice? Nun, mit Beatrice Nardi! Einer Bürgerlichen.
Freund, jetzt lästig, weil Beatrice kommen wird. Agostino
Er nahm sie, als sie eben mit einem Anderen zum Trau¬
hat ein Gedicht Filippo's componirt, aber Filippo erkennt
altar gehen wollte. Morgen ist doch Alles vorbei! Ercole zieht
es nicht. Wann schrieb er dies Gedicht? „Noch keinen
mit den Florentinerinnen ab. Auf den Straßen wird's lebendig.
Monat!“ sagt Agostino — und Filippo, der großen Ver¬
Bologna jubelt. Filippo aber kann nicht fassen, was geschah. Da
änderung gedenkend, murmelt: „Noch nicht drei Tage!“
tritt Andrea ein. Er kommt erwünscht. Nun ist Filippo bereit,
„Und so entfremdet meinem Heut' dies gestern,
Genugthuung zu geben, den Treubruch mit dem Leben zu
Daß sie genüber Aug' in Aug' gestellt,
bezahlen. Der edle Andrea aber mag den nicht tödten, den
Einander nicht erkennen, Brüdern gleich,
KE
„Der starb um Dich ? U
Und mich um ihn? Und
Was bist Du für ein W
Und all' das Ungeheure
Daß ich Filippo Loschi
Ein einzig Mal und so
Weil sie des Dichters
Herzog. Doch Beatricens B
Mannes Geliebte gewesen.
in's Feld, dem Tod, vielleicht
Begebenheiten dieser Nacht g
„Das Leben ist die Fülle
Und noch der nächste Au
Mit Absicht habe ich
ausführlich erzählt, weil ich
aller innerer Einheit so vielf
verknüpfte Composition allein
sich selbst gewährt. Das rein
nicht vorausgesetzt werden kan
von der gleichen Wichtigkeit,
Man findet den Dichter wien
in diesen bunten Ereignissen,
geschrei und Tumult. Den
geschichten, dessen Complicatic
immer im Psychologischen
mehr in dieser verwickelten,
an alle Zufallsgeister gekn
Schicksal bewegt, wie sausend
auch „Der Schleier der
erwähnten Formel declinir
süßes Mädel“. Der ganze Id
Mädchen, der die Christine d
und großen Dialoge, Novells
füllt, erfüllt such dieses Dre
Liebhaber, bezäubert von der
stadtmädels, melancholisch di
heit und Gegenwart, nach
Liebesverkehrs, und manchn
marisch: „So ist das Leben
Züge. Aber statt der kleinen
Abenteuer seines Lebens.
schließen sich ihm auf, die
lösen sich vor ihm. Beatrice, d
sehr süß, hinreißend in ihrer
in ihrer stets bereiten W
Weg der Vorstadtmädel.
eigenen Kreis, der sie hei
sie zu seiner Geliebten mnd
der Herzog, der sie dann wir
derselbe Ideenkreis, aber ei
zu Ende gedacht. Es sind
Gegenwärtigen entrückt, in's
In Beatricen erscheint daß
nur
verlogen, treulos,
Sie
begeht Treulosigkeiten,
dorben gescholten. Aber der
„Zu staunen nicht gemach
Des Daseins Wunder na
Nie bist Du vor der Bun
In Andacht hingesunken,
Die Beatrice ist, und ich
Sich unter den unendlich
Hat nie mit tiefem Schaf
Und daß Dein Vater toll
Daß Vittorino starb, der
Nicht mit dem fürchterlich
Und daß Du Fürstin von
Macht Dich so wenig sta
Wie wenn sich eine Müch
Und wenn Gespenster auf
Ich weiß, sie schreckten D
Doch auch nicht mehr un
Und der Herzog sagt zu ihr:
„Warst Du nicht, Beatric
Das mit der Krone spielt
Mit eines Dichters Seel'
Mit eines Jünglings He¬
Geschenkt war? Aber wir