II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 193

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14. Der Schleier der Reatrice
die Figur des Abgeordneten einen vorzüglichen Künstler in Herrn Will, der im Ver¬
ein mit Herrn Botz (Doktor Hettner), Stange (Gutsbesitzer Kreibig), Lettinger,
Lehrmann und den Damen Gabri, Wendt, die Zuschauer zur größten Lachlust
reizte.
Vor einiger Zeit ging durch die Presse eine Nachricht, die in Schriftstellerkreisen
viel von sich reden machte. Es handelte sich damals um das neueste Werk des Wiener
Autors Arthur Schnitzler, welches derselbe im Hofburgtheater eingereicht hatte und
nachdem er von Direkter Schlenther die Zusage zur Aufführung erhalten, wieder zurück
gesandt erhielt. „Der Schleier der Beatrice,“ so heißt nämlich das Schauspiel, ging
deshalb nicht in des Dichters Heimat, die sonst ihrem Sohne den Grundstein für seine
Triumphe legte, in Seene, sondern Herrn Direktor Löwe gebührt das Verdienst, dem
litterarischen Publikum die Bekanntschaft mit diesem, über das gewöhnliche Niveau
der letzten Werke hinausgehenden Stücke gemacht zu haben. Keine Andeutung, kein
Laut drang vor der Première in die Offentlichkeit. Um so mehr war man überrascht,
den Dichter in einer Sphäre zu finden, deren Kenntnisse er zwar schon uns noch dazu
glücklich im „grünen Kakadu“ gezeigt, jedoch nicht vermuten ließ, daß er einen solch
gewaltigen Stoff wie den vorliegenden meistern würde.
Auf dem historischen Grunde der Renaissance spielt sich die Liebesgeschichte eines
edel angelegten Dichters mit einem Kinde aus dem Volke ab. Loschi, der Poet von
Botogna liebt Beatrice Nardi, ein Wesen halb naive Unschuld, halb sinnliches nach
verbotenen Begierden lechzendes Weib und betrügt dadurch die Gräfin, seine Braut.
Doch seine Untreue findet bald Sühne. Beatrice erzählt ihm einen gehabten Traum,
in welchem sie die Geliebte des Herzogs von Bologna zu sein glaubte. Durch diesen
Traum, den er in so kindlichen und doch so dirnenhaften Ton zu hören bekommt,
stößt Loschi sie von sich, da er Träume feige Wünsche nennt, die sich im tiefsten Winkel
des Herzens verbergen. Nun giebt sie, von ihren braven Bruder bestürmt, ihren treuen
Verehrer, Wittorino, die Hand zum ehelichen Bunde und geht mit ihm zur Kirche.
Doch da vertritt ihr der eben des Wegs kommende Herzog den Weg und da er sich
auf Weibesschönheit versteht, läd er Beatrice ein zur Feier einer Liebesnacht, der letzten
vielleicht vor dem kommenden Kampfe mit dem Borgia. Betäubt durch den Blick
des Herzogs steht sie wie verzaubert da, bis endlich der Bann von ihr weicht und
auf seine neuerliche Frage sie die Antwort giebt. „Ich folg' Euch gern, aber nur als
Herzogin.“ Der Herzog ist bereit, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, da er ja denken
muß wer weiß, ob er's morgen noch kann, und heiratet sie zum Erstaunen seines Ge¬
folges. Unterdessen hat sich Wittorino im Einsehen seiner Überflüssigkeit hinter der
Scene umgebracht. Nun zeigt sich wieder eine neue Laune Beatrices. Weg vom Trau¬
altar eilt sie zu Loschi, der sich aber im Schauder und Ekel vor sich und der Geliebten
vergiftet. Aufs Höchste erschrocken verläßt sie diesen Ort und erscheint vor dem Herzog
in dem Augenblick, als er trotz seiner Kampfessorgen sie vermißt. Da bemerkt der
fürstliche Gemahl, daß Batrice sein Brautgeschenk, den kostbaren Schleier verloren.
Auf seine Frage erhält er erst durch die Drohung der Hinrichtung von ihr Antwort.)
Und sie führt ihn zu Loschis Leiche wo sie den Schleier vergessen. Als sie nun im
finsteren Zimmer denselben findet, will sie den Herzog wieder mit sich fortziehen. Doch
jener durch das sonderbare Benehmen aufmerksam gemacht, entdeckt den toten Dichter,
den er im Leben nicht gekannt und dem er jetzt einen ergreifenden Nachruf hält. In
dieser Stimmung könnte sie die Freiheit vom Herzog erwirken; doch da zuckt der Bruder
den Dolch wider sie, da ihm das Benehmen seiner Schwester schon lange nicht ge¬
fallen und sterbend sinkt sie zu des Poeten Füßen. Die herrliche Gedankenwelt, die
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