II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 244

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Der Schleier der Beatrice
genossischen Räten“ ein formulierter Antrag auf
.. dertungen können. #nicht. Während im Standerat die Interpretation
Ergänzung des Art. 27 vorgelegt werde. Es
dieses Artikels durch den Nationalratspräsidenten
Die Mehrheit des Rates ließ sich dabei be¬
will uns, von allen andern Gründen abgesehen,
nicht unbeanstandet blieb, nahm sie der National¬
haften, daß sie in keiner Weise am Art. 27
doch bedünken, daß der Ständerat ein Wort
rat ohne Diskussion entgegen. Da die Ange¬
rütteln wolle. Wenn daher heute von ihr ver¬
zu sagen hat zu einem Beschluß, durch den
legenheit in der Schlußsitzung zur Sprache ge¬
langt wird, daß in einem neuen Verfassungs¬
langte, wird man aunehmen dürfen, der Rat auch ihm die Lösung der Schulsubventionsfrage
artikel diese Garantie wiederholt werde, muß sie
zunächst in der Form einer Verfassungsergänzung
habe aus Rücksicht auf die Zeit von einer
ein solches Verlangen als ein in keiner Weise
starren, die Gesetze dieser Welt nicht verstehen, leicht
hoch über unsere gesamte, von ängstlicher Kleinlichkeit
kommt ihn auch plötzlich die Einsicht, daß Beatrice
und unbedächtig kindisch ins Leben greifen, Unhell
gezeichnete dramatische Produktion stellt, — die ganze
ohne Schlechtigkeit sei und daß sie bloß in kindlich
stiftend. Ein Kind, das vom Ernst des Lebens nichts
Skala der Empfindungen von den leise stammeinden
naiver Weise gehandelt und so viel Unheil gestiftet habe.
weiß, das in allem nur Spielzeug für seine kleinen
Lauten einer Beatrice bis hinauf zu den höchsten Tönen
„Der starb um dich? Und den verrietest du?
Händchen sieht.
der tragischen Leidenschaftlichkeit, des geheimen Grauens
Und mich um ihn? Und wied'rum ihn um mich?
„Warst du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
und der demütigen Ergebung in die wunderlich ver¬
Was bist du für ein Wesen, Beatrice?!“
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte, —
zweigten Wege des Schicksals — das muß man eben
Er will ihr alles verzeihen. Aber da stößt der vor¬
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel,.
selbst im Drama durchleben.
eilige Bruder ihr den Dolch in die Brust. An der
Mit eines Jünglings Herzen, weils dir just
Es ist geradezu merkwürdig, wie hier in diesem
Leiche des Dichters ruht nun auch die Leiche seiner
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streng
Stück, das in nicht länger als zwölf Stunden sich ab¬
Und leiden's nicht, und jeder von uns wollte
Geliebten ... Da kommen Boten und melden, daß
spielt, eine ganze Ewigkeit eingeschlossen ist. Merkwürdig,
Nicht nur das einz'ge Spielzeug sein — nein, mehri
das feindliche Heer schon sichtbar sei. Die Zeit drängt.
Die ganze Welt. So nannten wir dein Thun,
wie es dem Dichter vermöge einer ungewöhnlichen
Der Herzog erteilt noch seine letzten Anweisungen: er
Betrug und Frevel — und du warst ein Kind!“
Beherrschung der dramatischen Technik gelungen ist, all
befiehlt, den Leichnam des geliebten Dichters im herzog¬
In diesen Worten des weisen Herzogs, die er an
die seltsamen, in ihrer Fülle geradezu erdrückenden
lichen Grab zu bestatten.
der Leiche Filippos in sinniger Betrachtung versunken,
Geschicke seiner Heldin im Rahmen eines aus nicht
„Und diese hier wie ihn! Die Spanne Zeit,
spricht, ist das ganze Wesen Beatrices eingeschlossen.
mehr als fünf Aufzügen bestehenden Dramas in bunter
Die sie ums Licht des Lebens noch geflattert,
Sie, das Kind, ist in ihrer Passivität kompliziert,
Mannigfaltigkeit ungezwungen sich entwickeln zu lassen.
Bedeutet jetzt nichts mehr — sie starb mit ihm.
vielleicht nicht minder kompliziert, als der Dichter
Zwölf Stunden — und was erlebt die Beatrice nicht
Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte:
Filippo, um den sich eigentlich das ganze Drama be¬
alles in dieser kurzen Spanne Zeit! Sie ist die Ge¬
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau'n!“
wegt und der den Anfang und den Ausgang desselben
liebte des Dichters, wird von ihm verstoßen, wird die
Und nun geht er in den Kampf. Glocken ertönen
bildet, sodaß man zuweilen geneigt wäre, anzunehmen,
Braut eines andern, läßt sich indes mit dem Herzog
von allen Türmen.
die Dichtung wolle den heiligen Beruf des Künstlers
trauen, wwährend jener sich entleibt, wird diesem untreu
„Das Zeichen tönt, und mächt'ge Neubegier
preisen. Man wird in Filippo Loschi vielleicht manche
und rennt zurück in die Arme des Geliebten, um mit
Wie nie zuvor beflügelt meinen Schritt.
Züge des Anatol, vielleicht auch des Andrea aus Hof¬
ihm zu sterben, läßt ihn aber allein in den Tod gehen
Ich freue mich des guten Kampfs, der kommt,
mannsthals „Gestern“ wiederfinden. Aber bei aller
Die frischen Morgenlüfte atm' ich durstig
und flieht selbst wieder zurück ins Leben, um bald
Und preise dieses Leuchten aus den Höhn,
scheinbaren Aehnlichkeit besteht doch etwas, das ihn
davon Abschied zu nehmen. So irrt sie hin und her,
Als wär' es mir allein so reich geschenkt.
sowohl von diesen beiden als von den zahlreichen
zwischen Leben und Tod, mit beiden gleicherweise
Das Leben ist die Fülle, nicht die Zeit,
Helden unserer Künstlerdramen und Künstlerromane
spielend und durch dieses Spiel sich und andere ins
Und noch der nächste Augenblick ist weit!“
unterscheidet. Während nämlich diese meistens nur
Verderben stürzend. Und all dies thut sie ganz un¬
künstlerisch empfindende Menschen sind, bei deren An¬
schuldig im Herzen, indem sie beinahe rein mechanisch
Ich habe hier in gedrängter Form nur die dürre
blick der verletzte Philister sich schließlich fragen kann:
handelt und sich fügt. Eine jener naiven Seelen ist
Fabel in ihren Hauptzügen wiederzugeben versucht.
Ja, hat denn der das Recht, so auf seine Ausnahms¬
sie, die mit ihren unschuldigen, großen Augen die
Aber den grandiosen, ich möchte fast sagen: Shake¬
speareschen Zug, der über der Dichtung liegt und sie! Welt, in die sie hineingesetzt wurden, verwundert an= stellung zu pochen? Kann er eigentlich was, oder ist er