II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 258

14. Der Schleien der Beatrice box 20/3
166
Notizen und Besprechungen.
Das Schauspiel geht zu Bologna Anfangs des sechzehnten Jahr¬
hunderts vor sich. Es ist ein Renaissancedrama, wie auch Halbe's
„Eroberer“. Die Zeit ist groß und wüst, die Menschen sind stark und
wild. Bologna ist rings von übermächtigen Feinden eingeschlossen.
„Morgen“ muß Adel und Bürgerschaft in Schlacht und Tod rücken.
„Heute“ aber ist noch ein Tag glühendster Lebens= und Liebesleidenschaft
und bacchantischer Feste. Der gegensätzliche Zusammenhang zwischen Liebe
und Tod scheint mir die Grundidee und die Grundstimmung für dieses
Drama abzugeben. Das ist gewiß ein bedeutsamstes dramatisches und
tragisches Thema, das hier angeschlagen, aber nicht zum Erklingen ge¬
bracht wird. Die Liebe konzentrirt sich auf Beatrice, die wunderschöne
Tochter eines Händlers Nardi. Diese Beatrice wird geliebt von Filippo
Loschi, dem tapferen Edelmann und gefeierten Dichter. Um dieser Beatrice
willen verläßt er seine adelige Vrant Teresina und ist bereit, auch Ehre
und Heimath zu verlassen. Beatrice aber hat im Traum sich von dem
schönen und starken Herzog von Bologna, Bentivoglio, geküßt gewähnt. Des¬
wegen verstößt sie Filippo. Sie geht und ist bereit, auf Rath des Bruders
einen jungen Standesgenossen Vittorino zu heirathen. Auf dem Wege zur
Kirche — denn die Liebe hat Eile, da der Tod für morgen droht — be¬
gegnet der Herzog ihr, liebt sie und gesteht seine Liebe. Sie sagt nicht
nein, verlangt aber zur Herzogin gemacht zu werden. Der Herzog läßt
sich sofort trauen und giebt ein bacchantisches Fest im Garten seines
Palastes unter freiem Himmel; alles was jung und schön ist, soll un¬
beschadet Zutritt haben:
Nehmt meinen Garten
Als duftend Lager Eurer Freuden hin!...
. Ic aber, Euer Fürst,
Jeglichem Bund der heute Nacht sich schließt,
Geb' ich die Weihe. Heiligt andre Ehen
Unlöslichkeit und Dauer geb’ ich diesen,
Was Euch Beweglichen, Veränderungsfrohen,
Euch Menschen besser dient, das schnellste Ende —
Sie alle löst das erste Grau'n der Früh'.
Doch was aus der Entzückung dieser Stunde
Aussprießen mag zu seiner Zeit, das trage
So wunderbaren Ursprungs Zeichen mit,
So lang es lebt. — Adlig geboren nenn' ich
Die Sprossen dieser Nacht, da Euer Fürst
Mit Beatrice Nardi Hochzeit hält.
Heimlich aus dem Festestaumel entfernt sich Beatrice und begiebt sich
zu Filippo, den sie eigentlich liebt. Der stellt ihr die Bedingung, nach
dem Glück genossener Liebe mit ihm zu sterben. Das vermag die Lebens¬
frohe nicht. Da tödtet Filippo sich allein. Von Grauen gepackt, begiebt
sich Beatrice zum Fest des Herzogs zurück, wo sie inzwischen vermißt