II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 291

box 20/4
14. Der Schleier der Beatrice
Kunst und Wissenschaft,#
Sind freche Wünsche, die das Licht des Tags zurückjagt in
die Winkel unsrer Seele, Daraus sie erst bei Nacht zu krie¬
E. B. Im Deutschen Theater kam gestern Arthur
chen wagen; Und solch ein Traum, mit ausgestreckten Armen,
Schnitzlers fünfaltiges Schauspicl „Der Schleier
Sehnsüchtig läßt er durstig Dich zurück.“ Schaudernd stößt
der Beatrice“ zur erstmaligen Darstellung. Der Erfolg
er die Geliebte von sich. Auf Francescos, ihres Bruders
Wunsch will sich Beatrice darauf dem wackeren Vittorino,
des Dramas, das durch seine pikante Bühnenvorgeschichte
einem einfachen Gewerbsmann, dessen Herz sie längst besitzt,
schon die Aufmerksamkeit der Theaterfreunde auf sich gezogen
vermählen. Aber jetzt wird ihr Traum Wirklichkeit. Da sie
hatte, war nicht unbestritten. Neben lebhaftem Beifall, der
an des Bräutigams Seite zur Hochzeit nach der Kirche schrei¬
tet, sieht sie der Fürst zum zweiten Male. Beatrice weist die
vom zweiten Akte ab den Dichter mehrsach vor die Gardine
Liebeswerbung Bentivoglios nicht zurück, aber nun als an¬
rief, machte sich auch enige Opposition bemerklich. Man darf
getraute Herzogin, nicht als Dirne will sie die letzte Nacht
in diesem Falle indes behaupten, daß der litterarische Wert
mit ihm im Schlosse verbringen. Der Herzog nimmt sie wirk¬
des Dramas, der ernstlich kaum in Zweifel gezogen werden
lich zum Weib und läßt den Kardinal rufen, der arme Vit¬
torino aber ersticht sich aus Gram. Nach der Hochzeit, mit¬
kann, unberührt von der Gunst des Tages bestehen bleiben
ten aus der lärmenden Festespracht, eilt Beatrice, von ma¬
wird.
gischer Sehnsucht getrieben, in Loschis Haus. Filippo denkt
Wie Macterlincks „Monna Vanna“ ist auch „Der Schleier
noch einmal an Flucht. Beatrice aber erklärt:„Wir wollen
der Beatrice“ ein Renaissancedrama, der Schauplatz der Hand¬
sterben, darum kam ich her". Als im entscheidenden Augen¬
lung das Italien des Cinquecento. Wie dort Pisa, wird
blick
dann der Drang
zum
Leben
ihr
hier Bologna von einem übermächtigen Feinde bedroht. Ueber
mächtig auflodert, ninmt der Dichter verächtlich allein das Gist.
allen Dächern schwebt der Tod. Die Stadt ist vom Heere
Entsetzt flieht Beatrice von der gräusigen Stätte des Todes
des grausamen Cesare Borgia eingeschlossen, und nur
ins Leben zurück. Ein kostbarer Schleier, den ihr der Herzog
Nacht, so scheint es, trennt sie vom sicheren Untergange. Aus
geschenkt und den sie in der Verwirrung in Filippos Gemach
der Fülle der Gesichte, die Schnitzlers Szene bunt beleben,
zurückgelassen, wird ihr zum Verräter. Als sie sich hartnäckig
heben sich die drei Hauptgestalten des Schauspiels, der Her¬
weigert, gemeinsam mit Bentiwoglio den Schleier zu holen
zog Lionardo Bentivoglio von Bologna, der Dichter Filippo
soll sie den Tod durchs Schwert finden. Beatrice aber will
Loschi und Beatrice, des alten Wappenschneiders Nardi jüngste
leben und so führt sie den Gemahl schaudernd in Lospis Ge¬
Tochter, in markanter, fast realistischer Schärfe heraus. Beide
mach. Der Herzog will den Morgen hier erwarten, hier die
Männer fühlen sich in heißer, unwiderstehlicher Liebe zu der
wunderbare Hochzeit enden. Er zieht die widerstrebende Gattin
zechzehnjährigen Heldin hingezogen, der schönsten der Bo¬
zum bräutlichen Lager nach dem Alkoven und entdeckt hier
logneser Mädchen. Um ihretwillen hat Filippo die stolze Te¬
beim matten Schein der Morgendännnerung den leblosen Kör¬
resina, seine Braut, des edelsten Freundes Schwester ver¬
per Filippos. Als Rächer der verlorenen Familienehre er¬
lassen. Mit ihr will er noch vor dem dämmernden Morgen
scheint der junge Francesco Er stößt der Schwester den Dolch
den Mauern der gefährdeten Stadt entfliehen. Da erzählt
ins Herz, während von allen Türmen Belognas die Glocken
Beatrice dem Geliebten in kindlicher Herzenseinfalt von einer
zum Kampf rufen.
Begegnung mit dem Herzog und von einem wunderlichen
Man kennt aus der dramatischen Literatur unserer Tage
Traum. Sie war, so träumte sie, Herzogin und sie spürte
nicht viele Werke, die in poctischer Bedeutung an Schnitzlers
des Herzogs Lippen nade den ihren bei zärtlichem Liebes¬
Schauspiel reichen. Im Entwickelungsgange des Wiener Dich¬
spiel. Von diesem naiven Geständnis fühlt sich Filippos sen¬
ters stellt das teils in prunkvoller Verssprache, teils in schlich¬
sible Poetennatur abgestoßen. Er
sieht Beatricens Gestalt
ter Prosa geschriebene Stück jedenfalls einen bedeutsamen, hoff¬
beschmutzt var sich denn Trämne snd Beaierde ohne Mut, nungsweckenden Fortschritt, einen weiteren Aufstieg zu freieren

dichterischen Höhen dar. An sich
hypermodernen Dichternatuxell
Ist das Drama im einzelnen a#
von ergreisender Stimmungsmach
auch nicht an toten Stellen, an d
im letzten Grunde die Kraft des
fes gewachsen war. Vergleicht
Beatrice“ mit einem anderen er
der letzten Jahre, den völlig miß
wird man inne, wie sehr viel
gelang, das charakteristische Ze
uns in Schnitzlers jüngster Büh
gegen, das zwar höchste literarisch
befriedigt, von dem reinen, dic
fassers und seinem wahrlich nich
Können aber dem Beschauer bew
Die Darstellung am Deutsche
daß der Wiener Burgtheaterdire
recht nicht hatte, als er in s
lichem Schreiben dem Dichter de
des Dramas nicht in die Hand
zu legen. Der schauspielerische
seitdem zur Lösung dramatischer
wesentlich ungeeigneter geworden
sachert spricht, daß man für de
keinen passenderen Vertreter als
sierter Rollen nun einmal nicht
ner zur Hand hatte. Auch I
Gestalten wie Schnitzlers Beatric
kräftigen künstlerischen Persönlicht
als Herzog, Sommerstor
Bassermann als Francesco
Stückes in Gefahr. Mon sollte
klugen und so vielseitig verwen
Drama nicht länger zu beschäft
zeigte die gewohnte Sorgsalt und
bilder reichlich gesorgt.