II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 292

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14. Der Schleier der Beatrige

Sind freche Wünsche die das Licht des Tags zurückjagt in dichterischen Höhen dar. An sich liegt das Sujet dem weichen
5 Wissenschaft.
hypermodernen Dichternatuxell Schnitzlers nicht eben günstig
die Winkel unsrer Seele, Daraus sie erst bei Nacht zu krie¬
hen Theater kam gestern Arthalr
Ist das Drama im einzelnen auch nicht arm an Schönheiten
chen wagen; Und solch ein Traum, mit ausgestreckten Armen,
von ergreisender Stimmungsmacht, so fehlt es in ihm doch
ges Schauspiel „Der Schleier
Sehnsüchtig läßt er durstig Dich zurück.“ Schaudernd stößt
auch nicht an toten Stellen, an denen offenbar wird, wie wenig
er die Geliebte von sich. Auf Francescos, ihres Bruders
erstmaligen Darstellung. Der Erfolg
Wunsch will sich Beatrice darauf dem wackeren Vittorino,
im letzten Grunde die Kraft des Dichters der Wucht des Stof¬
seine pikante Bühnenvorgeschichte
fes gewachsen war. Vergleicht man freilich den „Schleier der
einem einfachen Gewerbsmann, dessen Herz sie längst besitzt,
der Theaterfreunde auf sich gezogen
Beatrice“ mit einem anderen ernst gemeinten Renaissancedrama
vermählen. Aber jetzt wird ihr Traum Wirklichkeit. Da sie
an des Bräutigams Seite zur Hochzeit nach der Kirche schrei¬
der letzten Jahre, den völlig mißratenen „Eroberer“ Halbes so
itten. Neben lebhaftem Beifall, der
tet, sieht sie der Fürst zum zweiten Male. Beatrice weist die
wird man inne, wie sehr viel glücklicher es dem Oesterreicher
en Dichter mehrfach vor die Gardine
Liebeswerbung Bentivoglios nicht zurück, aber nun als an¬
gelang, das charakteristische Zeitkolorit zu treffen. So tritt
nige Opposition bemerklich. Man darf
getraute Herzogin, nicht als Dirne will sie die letzte Nacht
uns in Schnitzlers jüngster Bühnenschöpfung ein Werk ent¬
ehaupten, daß der litterarische Wert
mit ihm im Schlosse verbringen. Der Herzog nimmt sie wirk¬
gegen, das zwar höchste literarische Ansprüche nicht allenthalben
lich zum Weib und läßt den Kardinal rufen, der arme Vit¬
befriedigt, von dem reinen dichterischen Wollen seines Ver¬
ch kaum in Zweifel gezogen werden
torino aber ersticht sich aus Gram. Nach der Hochzeit, mit¬
fassers und seinem wahrlich nicht unbeträchtlichem dramatischen
Gunst des Tages bestehen bleiben
#ten aus der lärmenden Festespracht, eilt Beatrice, von ma¬
Können aber dem Beschauer bewundernde Achtung abnötigt.
gischer Sehnsucht getrieben, in Loschis Haus. Filippo denkt
Die Darstellung am Deutschen Theater zeigte im ganzen,
Ronna Vanna“ ist auch „Der Schleier
noch einmal an Flucht. Beatrice aber erklärt:„Wir wollen
daß der Wiener Burgtheaterdirektor Paul Schlenther so un¬
sterben, darum kam ich her“. Als im entscheidenden Augen¬
ancedrama, der Schauplatz der Hand¬
recht nicht hatte, als er in seinem vielbesprochenen vertrau¬
blick
dann der Drang
Leben
zum
Cinquecento. Wie dort Pisa, wird
ihr
lichem Schreiben dem Dichter den Rat erteilte, das Schicksal
übermächtigen Feinde bedroht. Ueber
mächtig auflodert, nimmt der Dichter verächtlich allein das Gist.
des Dramas nicht in die Hand der Bühne des Herrn Brahm
er Tod. Die Stadt ist vom Heere
Entsetzt flieht Beatrice von der gräusigen Stätte des Todes
zu legen.
Der schauspielerische Bestand dieses Theaters ist
Borgia eingeschlossen, und nur eine
ins Leben zurück. Ein kostbarer Schleier, den ihr der Herzog
seitdem zur Lösung dramatischer Aufgaben höheren Stils noch
nt sie vom sicheren Untergange. Aus
geschenkt und den sie in der Verwirrung in Filiopos Gemach
wesentlich ungeeigneler zeworden. Genügsam für diese Tat¬
die Schnitzlers Szene bunt beleben,
zurückgelassen, wird ihr zum Verräter. Als sie sich hartnäckig
sachen spricht, daß man für den Phantasirmenschen Filippo
ptgestalten des Schauspiels, der Her¬
weigert, gemeinsam mit Bentiwoglio den Schleier zu holen,
keinen passenderen Vertreter als den zur Verkörperung stili¬
o von Bologna, der Dichter Filippo
soll sie den Tod duechs Schwert finden. Beatrice aber will
sierter Rollen nun einnat nicht berufenen Rudolf Ritt¬
es alten Wappenschneiders Nardi jüngste
leben und so führt sie den Gemahl schaudernd in Lospis Ge¬
ner zur Hand hatte. Auch Irene Triesch fehlt für
ast rcalistischer Schärfe heraus. Beide
mach. Der Herzog will den Morgen hier erwarten, hier die
Gestalten wie Schnitzlers Beatrice der Zauber einer eigen¬
heißer, unwiderstehlicher Liebe zu der
wunderbare Hochzeit enden. Er zieht die widerstrebende Gattin
kräftigen künstlerischen Persönlichkeit.
Gut war Cayßler
hingezogen, der schönsten der Bo¬
zum bräutlichen Lager nach dem Alkoven und entdeckt hier
als Herzog, Sommerstorf f als Graf Andrea, aber
ihretwillen hat Filippo die stolze Te¬
beim matten Schein der Morgendämmerung den leblosen Kör¬
Bassermann als Francesco brachte
ganze Szenen des
per Filippos. Als Rächer der verlorenen Familienehre er¬
edelsten Freundes Schwester, ver¬
Stückes in Gefahr.
Mon sollte ernstlich
daran denken, den
noch vor dem dämmernden Morgen
scheint der junge Francesco. Er stößt der Schwester den Dolch
klugen und so vielseitig verwendbaren Künstler, im höberen
ins Herz, während von allen Türmen Belognas die Glocken
deten Stadt entfliehen. Da erzählt
Drama nicht länger zu beschäftigen.
Emil Lessings Regie
zum Kampf rufen.
in kindlicher Herzenseinfalt von einer
zeigte die gewohnte Sorgfalt und hatte für buntbelebte Bühnen¬
erzog und von einem wunderlichen
Man kennt aus der dramatischen Literatur unserer Tage
bilder reichlich gesorgt.
träumte sie, Herzogin und sie spürte
nicht viele Werke, die in poctischer Bedeutung an Schnitzlers
de den ihren bei zärtlichem Liebes¬
Schauspiel reichen. Im Entwickelungsgange des Wiener Dich¬
ters stellt das teils in prunkvoller Verssprache, teils in schlich¬
n Geständnis fühlt sich Filippos sen¬
ter Prosa geschriebene Stück jedenfalls einen bedeutsamen, hoff¬
oßen. Er sieht Beatricens Gestalt
Träume und Beaierde ohne Mut, nungsweckenden Fortschritt, einen weiteren Aufstieg zu freieren