II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 303

box 20/4
14. Der Schleier der Beatrige
Rollen von den Personen zu bewußt aufgenommen, und selbst die verkündet, daß nicht die That unste
Eenlieten.
kleine Heldin Beatrice sieht man an einem Faden gezogen, die die letzten Verse, die wiederum
weiter nichts soll als leben ganz aus sich heraus, nur von ihrem starken Handeln und im raschen Ge
070
Theater und Musik.
launisch springenden Verlangen, von der Zugkraft weiblicher und kind=um sich noch als wuchtigen Absch
licher Instinkte durch märchenhaft wechselnde Abenteuer geführt. Die
gedanken einzusetzen. Dieser Phils
Deutsches Theater.
Schwäche des Stückes, der Mangel eines den Stoff durchdringenden
nießen kann, der niemals
Sonnabend 7. März. Zum 1. Male: Der Schleier der
Willens verräth sich auch dadurch, daß es mindestens dreimal ge¬
eine von seinen Illusionen
Beatrice. Schauspiel in 5 Akten von Arthur Schnitzler.
zwungen wird, sich selbst zu erklären und wir würden ihm ziemlich
weg als einen weichen mo
Schnitzlers Renaissancedrama hat eine zum mindesten sehr
rathlos gegenüberstehen, wenn nicht verschiedene Personen die
und wenn der Mann der
zweifelhafte Aufnahme gefunden, ohne daß es uns gezwungen
Schlüssel brächten, um durch die Erschließung der Hauptfigur zu¬
so kommt Schnitzler ungefähr dahin
hätte, an dem Dichter selbst, an der Zukunft seines feinen ein¬
gleich sein Inneres zu öffnen. Am erschöpfendsten sagt es der
bei dem Versuch, eine Höhe des Le#
schmeichelnden Talentes zu zweifeln, das sich zu einem wohlklingen¬
Herzog.
ist er wieder ins Literarische gefall
den Instrument von Stimmungen gemacht hat, die aus einer
„Warst Du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
ein großer Reichthum verstreut an f
echten Gefühlssphäre unserer Zeit mit der Nothwendigkeit von
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte —
an tief gehenden Lebenseinsichten,
seelischen Bedürfnissen hervorgehen. Das ist sein persönlicher Er¬
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Räthsel, —
niemals unbedentenden Gedankensp
folg, welche äußeren Schicksale auch seinem Werke beschieden sein
Mit eines Jünglings Herzen, weil's Dir just
auf den Rhythmen dieser graziösen
mögen! Die Dichtung und besonders die dramatische, die dem
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streng
unter dem Stimmungszauber diese
Auge am nächsten tritt bewegt sich immer in Ellipsen,
Und leiden's nicht, und jeder von uns wollte
nur eben hin= und hergeht. Sch
sie zeigt uns die Wirklichkeit, an die wir gebunden
Nicht nur das einz'ge Spielzeug sein, nein mehr!
weltmännisch, elegant, graziös, und
ie
der
weicht dann
Gegenwart in einem
sind,
Die ganze Welt. So nannten wir Dein Thun
teuer werdenden Gaben noch die e
weiten Bogen aus, um unsere Sehnsucht in ein Land der Träume
Betrug und Frevel — und Du warst ein Kind.“
thig spielenden Phantasie hat, dem
zu führen oder auch in vergangene Zeiten, die unsere Phautasie
Das sind schöne Verse aber es wäre noch besser, wenn sie nicht
bar sein, die zu fein sind, um im
unter einem besonderen Schonheitszauber im festlichen Glanze zu
da zu sein brauchten. Und sie geben der Beatrice schließlich auch
wirken, die aber doch in dem einze
sehen gewohnt ist. Sie müssen so weit entlegen sein, daß wir nur
nicht die Einfachheit und Einseitlichkeit die sie im Laufe des
verklingen.
noch die leuchtenden Gipfel großer Ereignisse, verklärender Kunst¬
Stückes durchaus vermissen läßt. Man begreift, daß sie den
Wie schon bemerkt, hat das De
werke sehen, obne die Werkeltage, die dazwischen in den Niede¬
Männern alles gilt, was diese als das Beste erwarten: der harm¬
führung einen großen Fortschritt ge
rungen liegen im Bewußtsein zu haben. Wie in der klassischen
lose Bräntigam Vittorino sucht in ihren Armen die Ruhe und
derungen die das Stück in Bezu
Periode das Griechenthum, so erscheint den Menschen unserer Tage,
Reinheit, der Dichter Philippo ein unsterbliches Lied und der
farbenfrohe Erscheinung stellt, mit O
die an ihrer allseitigen sozialen Gebundenheit und Eingeschränktheit
Herzog Bentivoglio die Kraft zu ruhmvollen Thaten, aber da sie
Masse, die der Regisseur hier zu
leiden, die Renaissance als eine ideale Epoche freien und schönen
einmal das instinktive, pflanzenhaft blühende, von keiner Vergangen¬
wie wohldisziplinirt gewesen. Auf
Menschenthums, und wenn uns Schnitzler in das Bologna des
heit beschattete Leben sein soll, so begreift man nicht, daß sie
man die Lust und die Fähigkeit
sechzehnten Jahrhunderts versetzt so hater immerhin ohne Anspruch auf
sich innerlich doch verzehrt, daß sie müde wird des
gaben wiedergewinnen, vielleicht fü
eine durch die Gelehrsamkeit bestätigte historische Treue eine von ihrem
Gaukelspiels und sich nach dem Ende sehnt, das ihr der Dolch des
Shakespearesches Lustspiel. Die gro
eigenen poetischen Zauber beglaubigte Atmosphäre geschaffen, die von
Bundes bereitet. Der Wunsch zu sterben ist ihr erster, aus ihrer
hier schon nach Gebühr anerkannt wo
Sinnesfreude erfüllt ist, und in der die Menschen dem obersten
Natur wenig gerechtfertigter Wille, bis dahin ließ sie sich lieben
heure Schwierigkeiten zu überwinden.
Gesetz der Schönheit leben könnten. Der poetische Dekor ist das
und leiten, ohne zu wissen wohin, und eben dieses willenlose Gleiten
gegeben waren. Ohne zu handeln mu
Beste an diesem Stück, das Fest im Garten des Dichters, das bunt
von einer Hand in die andere verursachte die Richtungslosigkeit, die
wirken, daß sie schön ist, und die
entfaltete Leben der Straße, das Bachanal am Hofe des Herzogs,
dramatische Lahmheit des Stückes, die Unverbundenheit der Aben¬
rischen Ruhe, sondern die räthselh
die durch die Untergangsstimmung aufgeregte Lebenslust der fast
teuer, die durch reale Unmöglichkeiten noch besonders bloßgestellt wird.
wirkende kann nur von innen hera#
unübersehbaren Masse, nur daß die Menschen selbst zu weich, zu
Es giebt Dinge, die sich das Theater eben nicht gefallen läßt. So
gelungen. Von den anderen Damen
bedenklich, zu bewußt gerathen sind; sie genießen diese Zeit mehr,
wirkt es bei den vorhandenen Umständen fast komisch, wenn
mit der höchst energisch durchgeführ
als daß sie aus ihr hervorzugehen scheinen es sind im Grunde
Beatrice sich von der Hochzeit mit dem Herzog unbemerkt weg¬
strotzenden Figur der eifersüchtigen
moderne sich und andere stets analysirende Menschen, die sich viel
schleichen kann, um den Dichter, der sie im Ekel fortgestoßen hat,
der Rolle des Dichters stand Her#
zu sehr nach der Berechtigung ihres eigenen Wesens fragen, um
wieder aufzusuchen, und ebenso, wenn sie sich in das Fest wieder
Platze, er war natürlich und herzlic
zu den Zeitgenossen der großen Rücksichtslosen der Cesare Borgia
hineinstiehlt nachdem Philippo aus der Schmach seines Lebens in
seinem Künstler, dem es noch meh
und Macchiavelli rechnen zu. dürfen.
Es fehlt ihnen an
den Tod geflohen ist, wohin sie ihm noch nicht zu folgen wagte.
das Gefühl als auf das Gefühlt sel
der geraden Stärke der Leidenschaften und weil sie nie
Die beiden Männer, die um ihren Besitz streiten, sind in dem
den Selbstbespiegelung des Decaden
in Blindheit gegen einander losgehen, so kommt auch das Drama
ganzen Stück an einander vorbeigegangen, und als der Herzog seiner
Gabe der Verführung mangelte, d
nicht in Gana, und die wichtigsten wie zufällig und zusammenhanglos
Braut an die Stätte folgt, wo sie ihren Schleier gelassen hat, sieht
erklärt. Herr Kayßler gab sein
kommenden Ereignisse werden von der herumwogenden Masse über¬
er seinen Rivalen zum ersten Male und als todten Mann. Des Herzog
und männliche Kraft, er muß abs
wältigt, von dem Gewicht eines kostbaren, schweren Nahmens er¬
hat keinen Haß gegen den Dichter, dessen Lieder ihn verführt
die
wenn die Besonnenheit,
drückt. Zuweilen wirkt das Drama wie eine Maskerade, eine von
hatten, sodaß
der ihn suchen mußte wie den einzigen
nicht verloren gehen soll. Dann
den auregenden zwar, die uns über das Leben selbst sinnen lassen,
Freund; als der Mann der That, ein anderer Fortinbras,
Verse verwischen. Bis auf einige
und solche Wirkung ist bei Schnitzler auch künstlerische Absicht,
steht er an der Leiche um den Ruhm des edlen
Frau v. Pöllnitz, nicht aus B
aber wenn in seinen kleineren Sachen, namentlich in dem auf seine
Säigers in gläuzenden Versen zu preisen. Diese Szene ist sehr
waren die kleineren Rollen gut bes
Art vollendeten „Grünen Kakadu“ das Leben ganz von selbst ein schon aber sie wirft das Stück noch zum Schluß auf eine falsche Seite.
Bassermann, Sauer, Somm
abermüthig wehmüthiges Spiel schien, so werden hier die einzelnen! Der Dichter Philippo wird plötzlich zur Hauptperson, wenn ein Held! Stieler. A. E.