II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 319

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14. DenSchleiender-Beatrice
Aseams
S
der Ernüchterte bemüht sich, die lästig
Leichnam, den er wutentbrannt beschimpft. Von dem trotz seines
kein Fürst des Quinquecento, das waren robustere Naturen. Seine
leunigst wieder los zu werden. Das
Verbotes nachgeeilten Gefolge hört er, daß der Tote Filippo
Begeisterung für Filippo Loschi, die Liebe zu Beatrice,
enn selbstverständlich sind auch diese
ist; Francesco, der gleichfalls mit eingedrungen, ersticht die
oder was es sonst ist, hat etwas Krankhaftes, Exaltirtes ohne jede
großen Dichter verliebt und muß er
Schwester, der Herzog aber hält dem Dichter eine rühmende Nach¬
Naturwüchsigkeit, er ist ein Phantast und noch manches andere,
cher mit Gewalt entreißen. Endlich
rede und befiehlt, daß er in der Fürstengruft beigesetzt werbe.
aber kein Mann. Einzelne realistisch gezeichnete Nebenfiguren da¬
Nachricht von der Vermählung des
„Wozu der Lärm?“ Die Frage ist gewiß nicht unberechtigt,
gegen sind dem Dichter vortrefflich gelungen, dessen Hippogryph
aufs Schloß und entführt die aben¬
und von vieler Zuschauer Lippen glaubte ich ganz deutlich zu ver¬
beim Ritt ins alte romantische Land sich im Allgemeinen so hart¬
dem Filippo noch mit dem Bruder
nehmen: „ich weiß nicht, was soll es bedeuten.“ Traurig war
mäulig und widerspenstig gezeigt hut. Allerdings verraten auch
Auseinandersetzung gehabt, erscheint
allerdings das Publikum nicht gestimmt, diese sonderbaren Personen
Verse von hinreißendem Schwung den echten Dichter.
Sochzeitsstaat. Ungeheuere Sehnsucht
und die verworrenen und verschlungenen Vorgänge vermochten eine
Abgesehen von den Aeußerlichkeiten, die zum Teil glänzend
en, sie will mit ihm sterben.
tiefer gehende Anteilnahme, ein wahres Interesse nicht zu er¬
waren, ließ die Darstellung viel zu wünschen übrig. Irene
Probe und erklärt ihr, daß
wecken, ein gewisses Gefühl der Unklarheit herrschte vor, und es
Triesch glich dem Bilde der Beatrice, das der Dichter ge¬
sei vergiftet. Da verfällt sie in solch
gab Augenblicke, in denen das ganze Kartenhaus mit all' seinen
zeichnet, vollkommen, hatte Momente höchster künstlerischer Voll¬
r, von Ekel ergriffen, den unheilvollen
gemalten Figuren bedenklich ins Wanken geriet. Ueber dem Ganzen
endung, wie die Todesangst bei der vermeintlichen Vergiftung, die
ilt. Vor brennender Begierde nach dem
liegt ein zuweilen recht duftig und fein gesponnener Schleier, der
wahrhaft erschütternd wirkte, aber einen glaubhaften einheitlichen
keschnell davon.
aber die Mängel und Unebenheiten nicht zu verdecken vermag. Die
Charakter zu schaffen, vermochte auch sie nicht und half sich über
nden „Blumensälen“ — doch nein, im
Heldin Beatrice ist so dicht verschleiert, daß ihre eigent¬
alle Klippen und Untiefen mit einem wirklich bezaubernden Lächeln
so wüste Orgie wäre in keinem öffent¬
lichen Züge nicht zu erkennen. Ein kaum erblühtes, von dem Gift¬
fort. Ganz unzulänglich war Rudolf Rittner als Filippo
dlig geboren nenn' ich die Sprossen
hauch ihrer Umgebung vielleicht noch unberührtes Mädchen, lebens¬
Loschi, nicht die Spur eines poetischen Hauches, kein weicher
it Beatrice Nardi Hochzeit hält.“ Diese
lustig und nicht ohne sinnliche Regungen, ist sie doch wieder von
Ton, nichts Gefälliges und Berückendes alles hart, rauh
stgeber verkündet, thut ihr Schuldigkeit.
einer fast erschreckenden Passivität, die ohne jede Gefühlsäußerung
und abstoßend. Es ist kein Zufall, daß derselbe Künstler der des
*Pest in Florenz gedenken, es ist, als
alles geduldig über sich ergehen läßt, und zuletzt die ganz un¬
Autors frühere Stücke, wie „Liebelei“ und „Freiwild“, zum
keinmal in toller Selbstvergessenheit all
genügende Erklärung giebt, daß die Furcht vor dem Tode sie „die
Triumphe führte, hier völlig versagte; das ist vielmehr für den
en. Aber zur Hochzeitsfeier fehlt die
fürchterlichen Wege jagte von Lüg' in Lüge, Schmach in Schmach“
Dichter wie den Darsteller und ihr eigentliches Können bezeichnend.
Khrend des Mahles davongeschlichen.
obgleich sie keinem Böses wollte. Danach wäre Lebensgier ihres
Friedrich Kayßler als Herzog Bentivaglio entbehrte
bemerkt, und die Umgebung des
Wesens Grund und Ursache, vielleicht auch gedankenloser Leichtsinn.
der Anmut und Hoheit und schrie stellenweise zu stark. Aus¬
xe hält, beginnt sich zu regen. Endlich
Und da haben wir das süße Mädel im Schleier der Beatrice.
gezeichnet war Luise Dumont, die der kleinen Rolle der hei߬
ein, aber ohne Schleier, den
Schon die knappe Inhaltsangabe zeigt, daß manche vertraute
blütigen Rosine hervorragende Bedeutung verlieh. Otto
von wunderbarer Schönheit und
Figur, meist klassischen Ursprungs, in diesem Stücke wieder auf¬
Sommerstorff (Graf Fantuzzi) bewies wieder einmal, daß
der Gemahl verehrt. Der Fürst will
erstanden, und so gemahnt auch Beatrice an Rahel,
auch an dieser Stätte Verse noch gesprochen werden können, in
rschen, alles ihr vergeben, nur den
„Die Jüdin von Toledo“, freilich nur ganz ent¬
keiner und charakteristischer Haltung repräsentirte Oskar Sauer
Schon ist sie ihren Henkern ausge¬
fient. Noch weniger anziehend ist Filippo Loschi dessen den Geheimschreiber Cosini. Noch mancher und manche andere
ntschließt, den Schleier zu holen, der
angeblicher Dichterruhm die vollständige Haltlosigkeit, stellenweise
wären lobend zu erwähnen, aber es standen vierzig Personen auf
ner gelobt, sie nach nichts zu fragen.
segar Niedrigkeit dieses schwankenden Charakters nicht zu mildern
dem Zettel, und das geht über die Kraft und den Raum.
os Haus. Nachdem der Schleier ge¬
bermag. „Blasirt“ und „dekadent“ würden die modernen Be¬
Der Erfolg war nicht durchschlagend, obwohl der Dichter viel¬
tgehen, der Herzog will aber durchaus
zechnungen für ihn sein, die damals noch unbekannt waren und fach gerufen wurde. Wenn er das nächste Mal wieder unver¬
n, bei der Gelegenheit entdeckt er den jetzt bereits etwas veraltet erscheinen. Der Herzog endlich ist auch schleiert kommt, wird ihn auch der alte Jubel begrüßen. ——